Zudem können Teile des Haushaltsplans (etwa der Verwaltungs- und der Finanzhaushalt) mit unterschiedlicher Geltungsdauer in Kraft gesetzt werden (Art. 110 Abs. 2 Satz 2 GG und das entsprechende Landesrecht)[364]. Die äußere Grenze setzt dabei der verfassungsrechtliche Gehalt des parlamentarischen Budgetrechts, das in seiner Wirkung nicht ausgehöhlt werden darf. Keinesfalls darf aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls die Dauer der Legislaturperiode überschritten werden[365].
137
Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund eröffnet § 9 Abs. 1 HGrG, § 1 Satz 1 BHO (und das entsprechende Landes- und Kommunalhaushaltsrecht) die Möglichkeit, den Haushaltsplan auch für (höchstens) zwei Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, aufzustellen. Die Länder haben von dieser Möglichkeit teilweise Gebrauch gemacht und arbeiten mit „Doppelhaushalten“, um den zeitlichen Aufwand für die Haushaltsberatungen zu verringern. Gleiches gilt auf kommunaler Ebene[366]. Die Aufwandseinsparung relativiert sich freilich durch die oftmals entstehende Notwendigkeit des Erlasses von Nachtragshaushalten.
138
Dem Periodizitätsgrundsatz entspricht das zeitliche Bepackungsverbot im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung (Rn. 222).
139
Die Haushaltsrechnung (Buchungen, Rechnungslegung) folgt nach den Vorschriften der §§ 32 ff. HGrG (entsprechend das Bundes-, Landes- und Kommunalhaushaltsrecht) in jedem Fall dem Jahresrhythmus.
140
Das Periodizitätsprinzip gilt freilich auch bei Wahl des doppischen Rechnungssystems, das sich ohnehin an den entsprechenden, auf Jährlichkeit hin angelegten Vorgaben des HGB orientiert (§ 7a Abs. 1 HGrG).
VIII. Formaler Haushaltsausgleich
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Nach dem Gebot des formalen Haushaltsausgleichs darf der Haushaltsplan nicht mehr Ausgaben[367] vorsehen, als Einnahmen aufgrund von Schätzungen zu erwarten sind. Während der materielle Haushaltsausgleich einen Ausgleich ohne Berücksichtigung von Krediteinnahmen verlangt, werden beim formalen Haushaltsausgleich Nettoeinnahmen aus der Kreditaufnahme[368] einbezogen.
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Auf Bundesebene ist der formale Haushaltsausgleich in Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich zwingend verlangt. Auch die Landesverfassungen kennen überwiegend ein zwingendes Ausgleichsgebot; nur vereinzelt beschränken sich die Landesverfassungen auf ein Sollgebot[369]. Auch im Kommunalhaushaltsrecht ist das Bild uneinheitlich. Teilweise wird der formale Haushaltsausgleich zwingend vorgeschrieben, teilweise ist er nur eine Sollvorgabe[370].
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Der formale Haushaltsausgleich ist eine Mindestanforderung an eine geordnete Haushaltswirtschaft und, ungeachtet seiner Disziplinierungswirkung[371], nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Vor diesem Hintergrund wurde immer wieder versucht, das im ersten Zugriff formale Ausgleichsgebot materiell aufzuladen[372]. Dem ist nicht nur der Wortlaut der Verfassungsbestimmungen (Einnahmen sind auch Einnahmen aus Krediten), sondern insbesondere eine systematische Verfassungsinterpretation entgegenzuhalten, dies mit Blick auf die verfassungsrechtlich eröffnete (und begrenzte) Kreditaufnahme (siehe Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 1 und 2 GG). Es ist Sache dieser Vorschriften, nicht der Vorschriften über den Haushaltsausgleich, der nicht mehr tragbaren Staatsverschuldung entgegenzuwirken[373].
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Bei doppischem Rechnungswesen gilt Entsprechendes für Erträge und Aufwendungen, Ein- und Auszahlungen. Bei produktbezogener Haushaltsdarstellung müssen die zur Produkterstellung vorgesehenen Mittel für die geplanten Produkte ausreichen.
IX. Gesamtdeckung (Non-Affektation)
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Der Grundsatz der Gesamtdeckung (Non-Affektation) verlangt, dass prinzipiell alle in den Haushalt eingestellten Einnahmen zur Deckung aller im Haushalt vorgesehenen Ausgaben zur Verfügung stehen, dass die Einnahmen mithin grundsätzlich nicht von vornherein zweckgewidmet sind. Einfachrechtlich ist dieser Grundsatz in § 7 Satz 1 HGrG, § 8 Satz 1 BHO und entsprechend in den Landeshaushaltsordnungen und den Gemeindehaushaltsvorschriften enthalten. Er soll verhindern, dass notwendige Ausgaben nicht getätigt werden können, weil Einnahmen aufgrund anderweitiger Zweckwidmung nicht zur Verfügung stehen, und dass unnötige Ausgaben nur deshalb getätigt werden, weil noch entsprechend zweckgewidmete Einnahmen vorhanden sind. Der Gesamtdeckungsgrundsatz steht insoweit in engem Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot[374].
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Gleichwohl soll der Grundsatz der Gesamtdeckung nach überwiegender Auffassung keinen Verfassungsrang haben[375]. Vorschriften, die auf Grundlage von § 7 Satz 2 HGrG, § 8 Satz 2 BHO oder den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Zweckbindungen von Einnahmen vorsehen, bedürfen danach keiner besonderen Rechtfertigung. Dementsprechend kennt die Praxis zweckgebundene Steuern[376], Gebühren, Beiträge und auch Sonderabgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zweckbindung von Steuern[377] und auch entgeltenden Abgaben[378] verfassungsrechtlich grundsätzlich gebilligt. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt zumindest die Zwecktauglichkeit von Zwecksteuern[379].
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Dieser großzügigen verfassungsrechtlichen Beurteilung ist der fundamentale Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der Non-Affektation entgegenzuhalten. Die Entwicklung des Grundsatzes geht mit der Entstehung der Gesamthaushalte in der Zeit des Absolutismus einher, begründete sich also einerseits mit der Loslösung der Steuererhebung von Zweckbindungen und der zunehmenden Machtfülle der Herrscher, andererseits aber auch mit dem Streben nach rationaler Haushaltspolitik. So wird der Gesamtdeckungsgrundsatz zu Recht als „Basis für eine rationale Haushaltsplanung“ und deshalb als „zu den wesentlichen Elementen der öffentlichen Haushaltswirtschaft“ gehörig bezeichnet[380]. Noch darüber hinausgehend sichert der Grundsatz aber, im parlamentarischen Regierungssystem, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Denn er stützt die rechtsstaatlich und demokratisch gebotene Distanz zwischen dem Ausgabenstaat und seinen Financiers mit ab. Bleibt im Zeitpunkt des Mittelzuflusses offen, welchen Ausgabenzwecken welche Mittel zugeführt werden, so ist eine Steuererhebung nach Maßgabe der individuellen Leistungsfähigkeit und eine Mittelverwendung nach Maßgabe des demokratisch eigenständig ausgestalteten und seinerseits rechtsstaatlichen Grundsätzen (etwa der Bedürftigkeit) entsprechenden Ausgabenprogramms gewährleistet. Jede Zweckbindung von Einnahmen steht mit den Maßstäben der Einnahmenerhebung einerseits und der Einnahmenverwendung andererseits in Spannung. Dem hilft auch nicht ab, dass die Zweckbindung von Einnahmen politisch attraktiv sein kann, weil sie die Akzeptanz finanzieller Lasten erhöhen mag. Vor diesem Hintergrund erscheint auch der Grundsatz der Gesamtdeckung verfassungsrechtlich begründet[381]. Durchbrechungen des Grundsatzes sind damit nicht ausgeschlossen, aber besonders rechtfertigungsbedürftig.
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Die gegenwärtigen Entwicklungen hin zu einer stärker leistungsorientierten Haushaltsdarstellung (Produkthaushalte nach § 1a Abs. 3 HGrG, Leistungsvorgaben im Rahmen der Budgetierung nach § 6a Abs. 1 Satz 4 HGrG) sind vor diesem Hintergrund differenziert zu beurteilen. Wenn Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen danach durch den Haushaltsplan festgelegt und bestimmte Mittel zur Leistungserbringung zugewiesen werden, wird der Gesamtdeckungsgrundsatz in gewissem Umfang relativiert. Allerdings betrifft die Zweckbindung allein die Ausgabenseite; die Bindung unterscheidet sich nur graduell von der aus Titelhaushalten bekannten Bindung von Finanzmitteln in einzelnen Haushaltstiteln. Deckungsfähigkeiten und Übertragbarkeiten schaffen hier zudem ein Gegengewicht. Verfassungsrechtlich problematisch ist demgegenüber vor allem die Zweckbindung bestimmter Einnahmen. Kritisch zu beurteilen wäre eine stärker leistungsorientierte Haushaltsplanung vor diesem