Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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Von je­ner Ju­gend, die uns nie ent­fliegt,

       Von je­nem Muth, der, frü­her oder spä­ter,

       Den Wi­der­stand der stump­fen Welt be­siegt,

       Von je­nem Glau­ben, der sich stets er­höh­ter

       Bald kühn her­vor­drängt, bald ge­dul­dig schmiegt,

       Da­mit daß Gute wir­ke, wach­se, from­me,

       Da­mit der Tag dem Ed­len end­lich kom­me.

      – Das bis­her von mir Ge­sag­te möge von mei­nen ge­ehr­ten Zu­hö­rern im Sin­ne ei­nes Vor­wor­tes auf­ge­nom­men wer­den, des­sen Auf­ga­be nur sein durf­te, den Ti­tel mei­ner Vor­trä­ge zu il­lus­tri­ren und ihn ge­gen mög­li­che Miß­ver­ständ­nis­se und un­be­rech­tig­te An­for­de­run­gen zu schüt­zen. Um nun so­fort, am Ein­gan­ge mei­ner Be­trach­tun­gen, vom Ti­tel zur Sa­che über­ge­hend, den all­ge­mei­nen Ge­dan­ken­kreis zu um­schrei­ben, von dem aus eine Beurt­hei­lung un­se­rer Bil­dungs­an­stal­ten ver­sucht wer­den soll, soll, an die­sem Ein­gan­ge, eine deut­lich for­mu­lir­te The­se als Wap­pen­schild je­den Hin­zu­kom­men­den er­in­nern, in wes­sen Haus und Ge­höft er zu tre­ten im Be­griff ist: falls er nicht, nach Be­trach­tung ei­nes sol­chen Wap­pen­schil­des, es vor­zieht ei­nem sol­chen da­mit ge­kenn­zeich­ne­ten Haus und Ge­höft den Rücken zu keh­ren. Mei­ne The­se lau­tet:

      Zwei schein­bar ent­ge­gen­ge­setz­te, in ih­rem Wir­ken gleich ver­derb­li­che und in ih­ren Re­sul­ta­ten end­lich zu­sam­men­flie­ßen­de Strö­mun­gen be­herr­schen in der Ge­gen­wart un­se­re ur­sprüng­lich auf ganz an­de­ren Fun­da­men­ten ge­grün­de­ten Bil­dungs­an­stal­ten: ein­mal der Trieb nach mög­lichs­ter Er­wei­te­rung der Bil­dung, an­de­rer­seits der Trieb nach Ver­min­de­rung und Ab­schwä­chung der­sel­ben. Dem ers­ten Trie­be ge­mäß soll die Bil­dung in im­mer wei­te­re Krei­se ge­tra­gen wer­den, im Sin­ne der an­de­ren Ten­denz wird der Bil­dung zu­ge­mu­thet, ihre höchs­ten selbst­herr­li­chen An­sprü­che auf­zu­ge­ben und sich die­nend ei­ner an­de­ren Le­bens­form, näm­lich der des Staa­tes un­ter­zu­ord­nen. Im Hin­blick auf die­se ver­häng­niß­vol­len Ten­den­zen der Er­wei­te­rung und der Ver­min­de­rung wäre hoff­nungs­los zu ver­zwei­feln, wenn es nicht ir­gend­wann ein­mal mög­lich ist, zwei­en ent­ge­gen­ge­setz­ten, wahr­haft deut­schen und über­haupt zu­kunfts­rei­chen Ten­den­zen zum Sie­ge zu ver­hel­fen, das heißt dem Trie­be nach Ve­ren­ge­rung und Con­cen­tra­ti­on der Bil­dung, als dem Ge­gen­stück ei­ner mög­lichst großen Er­wei­te­rung, und dem Trie­be nach Stär­kung und Selbst­ge­nug­sam­keit der Bil­dung, als dem Ge­gen­stück ih­rer Ver­min­de­rung. Daß wir aber an die Mög­lich­keit ei­nes Sie­ges glau­ben, dazu be­rech­tigt uns die Er­kennt­niß, daß jene bei­den Ten­den­zen der Er­wei­te­rung und Ver­min­de­rung eben­so den ewig glei­chen Ab­sich­ten der Na­tur ent­ge­gen­lau­fen als eine Con­cen­tra­ti­on der Bil­dung auf We­ni­ge ein nothwen­di­ges Ge­setz der­sel­ben Na­tur, über­haupt eine Wahr­heit ist, wäh­rend es je­nen zwei an­de­ren Trie­ben nur ge­lin­gen möch­te, eine er­lo­ge­ne Cul­tur zu be­grün­den.

      III. – Vorträge

      Ers­ter Vor­trag.

      (Ge­hal­ten am 16. Ja­nu­ar 1872.)

      Mei­ne ver­ehr­ten Zu­hö­rer,

      das The­ma, über das Sie ge­son­nen sind, mit mir nach­zu­den­ken, ist so ernst­haft und wich­tig und in ei­nem ge­wis­sen Sin­ne so be­un­ru­hi­gend, daß auch ich, gleich Ih­nen, zu je­dem Be­lie­bi­gen ge­hen wür­de, der über das­sel­be et­was zu leh­ren ver­sprä­che, soll­te der­sel­be auch noch so jung sein, soll­te es an sich so­gar recht un­wahr­schein­lich dün­ken, daß er von sich aus, aus eig­nen Kräf­ten, et­was Zu­rei­chen­des und ei­ner sol­chen Auf­ga­be Ent­spre­chen­des leis­ten wer­de. Es wäre doch noch mög­lich, daß er et­was Rech­tes über die be­un­ru­hi­gen­de Fra­ge nach der Zu­kunft un­se­rer Bil­dungs­an­stal­ten ge­hört habe, das er Ih­nen nun wie­der er­zäh­len woll­te, es wäre mög­lich, daß er be­deu­ten­de Lehr­meis­ter ge­habt habe, de­nen es schon mehr ge­zie­men möch­te, auf die Zu­kunft zu pro­phe­zei­en und zwar, ähn­lich wie die rö­mi­schen ha­ru­spi­ces, aus den Ein­ge­wei­den der Ge­gen­wart her­aus.

      In der That ha­ben Sie et­was der­ar­ti­ges zu ge­wär­ti­gen. Ich bin ein­mal durch selt­sa­me, im Grun­de recht harm­lo­se Um­stän­de Ohren­zeu­ge ei­nes Ge­sprächs ge­we­sen, wel­ches merk­wür­di­ge Män­ner über eben je­nes The­ma führ­ten, und habe die Haupt­punk­te ih­rer Be­trach­tun­gen und die gan­ze Art und Wei­se, wie sie die­se Fra­ge an­faß­ten, viel zu fest mei­nem Ge­dächt­niß ein­ge­prägt, um nicht selbst im­mer, wenn ich über ähn­li­che Din­ge nach­den­ke, in das­sel­be Ge­lei­se zu ge­rat­hen: nur daß ich mit­un­ter den zu­ver­sicht­li­chen Muth nicht habe, den jene Män­ner so­wohl im küh­nen Aus­spre­chen ver­bo­te­ner Wahr­hei­ten als in dem noch küh­ne­ren Auf­bau ih­rer eig­nen Hoff­nun­gen da­mals vor mei­nen Ohren und zu mei­nem Er­stau­nen be­währ­ten. Um so mehr schi­en es nur nütz­lich, ein sol­ches Ge­spräch end­lich ein­mal schrift­lich zu fi­xi­ren, um auch An­de­re noch zum Urt­heil über so auf­fal­len­de An­sich­ten und Auss­prü­che auf­zu­rei­zen: – und hier­zu glaub­te ich aus be­son­de­ren Grün­den ge­ra­de die Ge­le­gen­heit die­ser öf­fent­li­chen Vor­trä­ge be­nut­zen zu dür­fen.

      Ich bin mir näm­lich wohl be­wußt, an wel­chem Orte ich je­nes Ge­spräch ei­nem all­ge­mei­nen Nach­den­ken und Über­le­gen an­emp­feh­le, in ei­ner Stadt näm­lich, die in ei­nem un­ver­hält­niß­mä­ßig groß­ar­ti­gen Sin­ne die Bil­dung und Er­zie­hung ih­rer Bür­ger zu för­dern sucht, in ei­nem Maß­sta­be, der für grö­ße­re Staa­ten ge­ra­de­zu et­was Be­schä­men­des ha­ben muß: so daß ich hier ge­wiß auch mit die­ser Ver­mut­hung nicht fehl­grei­fe, daß dort, wo man um so viel mehr für die­se Din­ge thut, man auch über sie um so viel mehr denkt. Gera­de nur sol­chen Zu­hö­rern aber wer­de ich, bei der Wie­der­er­zäh­lung je­nes Ge­sprächs, völ­lig ver­ständ­lich wer­den kön­nen – sol­chen, die so­fort er­rat­hen, was nur an­ge­deu­tet wer­den konn­te, er­gän­zen, was ver­schwie­gen wer­den muß­te, die über­haupt nur er­in­nert, nicht be­lehrt zu wer­den brau­chen.

      Nun ver­neh­men Sie, mei­ne ge­ehr­ten Zu­hö­rer, mein harm­lo­ses Er­leb­niß und das min­der harm­lo­se Ge­spräch je­ner bis­her nicht ge­nann­ten Män­ner.

      Wir ver­set­zen uns mit­ten in den Zu­stand ei­nes jun­gen Stu­den­ten hin­ein, das heißt in einen Zu­stand, der, in der rast­lo­sen und hef­ti­gen Be­we­gung der Ge­gen­wart, ge­ra­de­zu et­was Un­glaub­wür­di­ges ist, und den man er­lebt ha­ben muß, um ein sol­ches un­be­küm­mer­tes Sich-Wie­gen, ein sol­ches dem Au­gen­blick ab­ge­run­ge­nes gleich­sam zeit­lo­ses Be­ha­gen über­haupt für mög­lich zu hal­ten. In die­sem Zu­stan­de ver­leb­te ich, zu­gleich mit ei­nem gleich­al­te­ri­gen Freun­de, ein Jahr in der Uni­ver­si­täts­stadt Bonn am Rhein: ein Jahr, wel­ches durch die Ab­we­sen­heit al­ler Plä­ne und Zwe­cke, los­ge­löst von al­len Zu­kunfts­ab­sich­ten, für mei­ne jet­zi­ge Emp­fin­dung fast et­was Traumar­ti­ges an sich trägt, wäh­rend das­sel­be zu bei­den Sei­ten, vor­her und nach­her, durch Zeiträu­me des Wach­seins ein­ge­rahmt ist. Wir Bei­de blie­ben