Büchmann Georg

Geflügelte Worte: Der Citatenschatz des deutschen Volkes


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Nichts hat Gott die Welt erschaffen;

      denn es heisst da: "Siehe an Himmel und Erde, und alles, was darinnen ist: dies hat Gott alles aus nichts gemacht, und wir Menschen sind auch so gemacht".—

      

      Auf der Historie von der Susanne und Daniel beruht der Ausdruck

      Daniel

      für "weiser Richter", welcher durch Shakespeares "Kaufmann von Venedig" (4, 1) volkstümlich geworden ist. Shylock nennt dort die in Gestalt eines Richters auftretende Porzia einen Daniel, und Graziano wiederholt das Wort, den Shylock verhöhnend.—

      Auf Matthäus 3, 10 (vrgl. Luk. 3, 9): "Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringet, wird abgehauen und ins Feuer geworfen . ." beruht:

      die Axt an die Wurzel legen.—

      Matth. 3, 11 (vrgl. Luk. 3, 16) heisst es: "Ich taufe euch mit Wasser zur Busse: der aber nach mir kommt . . . . ., der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen". Daher reden wir, jedoch ohne den Sinn festzuhalten, von einer

      Feuertaufe.—

      Aus Matth. 3, 12: "Und er hat seine Wurfschaufel in seiner Hand; er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheune sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem Feuer", citiert man:

      Die Spreu vom Weizen sondern.—

      Matth. 3, 17 lesen wir:

      Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe;

      (vrgl. Jesaias 42, 1; Matth. 17, 5; Mark, 1, 11; Luk. 3, 22; 2. Petri 1, 17).—

      Matth. 4, 10, sowie Luk. 4, 8 steht das Wort Jesu zum Teufel:

      Hebe dich weg von mir, Satan! Apage, Satana!

      

      (In ähnlicher Weise redet Christus den Petrus an: Matth. 16, 23 und Mark. 8, 33.)—

      Matth. 5, 3: "Μακάριοι οἱ πτωχοὶ τῷ πνεύματι" ("Selig sind die am Geiste Armen") übersetzte Luther: "Selig sind, die da geistlich (veraltet für "geistig") arm sind", woraus wir die Worte gebildet haben:

      arm an Geist,

      geistesarm und Geistesarmut.—

      Matth. 5, 14 spricht Jesus zu den Jüngern: "Ihr seid das Licht der Welt", nach der Vulgata: "Vos estis lux mundi", woraus uns wohl für einen bedeutenden Geist die Bezeichnung "ein

      lumen mundi"

      entsprang. "Lumina civitatis" (Staatsleuchten) nannte Cicero ("Catil." 3, 10, 24) berühmte Männer.—

      Sein Licht unter den Scheffel stellen

      und

      Sein Licht vor den Leuten leuchten lassen

      stammt aus Matth. 5, 15 und 16: "Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, so leuchtet es denen allen, die im Hause sind. Also lasset euer Licht leuchten vor den Leuten" u. s. w. (vrgl. Mark. 4, 21; Luk. 8, 16 und 11, 33.)—

      Kein Jota, oder nicht ein Jota

      beruht auf Matth. 5, 18. Der griechische Text hat dort statt des Lutherischen "—wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe": "ἰῶτα ἕν—οὐ μὴ παρέλθῃ" (in der Vulgata: "iota unum—non praeteribit" d. h. "nicht ein Jota wird zergehen"). Der ganze Satz (vrgl. Luk. 16, 17) lautet: "Bis dass Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch Ein Titel vom Gesetz, bis dass es alles geschehe". Daher auch unser:

      Kein Titel, oder Tütel, oder Tittel, oder Tittelchen.—

      Nach Matth. 5, 26 sagen wir:

      der letzte Heller.—

      Matth. 5, 37 steht:

      Eure Rede aber sei, ja, ja, nein, nein; was drüber ist, das ist vom Übel.—

      Matth. 5, 45: ". . . er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte" giebt uns das Wort:

      Seine Sonne scheinen lassen über Gerechte und Ungerechte.—

      Giebt jemand prahlerisch aller Welt etwas kund, so tadeln wir, dass er es

      ausposaune,

      nach Matth. 6, 2: "Wenn du nun Almosen giebst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler thun in den Schulen und auf den Gassen".—

      Lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte thut

      lesen wir Matth. 6, 3.—

      Matth. 6, 9-13 (vrgl. Luk. 11, 2. 4) steht das

      Vaterunser, lateinisch: Paternoster,

      dessen vierte Bitte

      das tägliche Brot

      und dessen siebente Bitte das "Erlöse uns von dem Übel" bietet. Hiernach sagt man im Volke von einem bösen Weibe: "Sie ist aus der siebenten Bitte", oder man nennt sie kurzweg:

      Böse Sieben.

      Nach Andern soll dieser Ausdruck von den sieben Todsünden entlehnt sein. Auch werden an manchen Stellen der heiligen Schrift böse Sieben angeführt. So heisst es:

      

      Sprüche 26, 25: "Denn es sind sieben Gräuel in seinem Herzen"; Matth. 12, 45: "So gehet er hin und nimmt zu sich sieben andere Geister, die ärger sind, denn er selbst" (Luk. 11, 26);—Mark. 16, 9: "Jesus aber, da er auferstanden war frühe am ersten Tage der Sabbather, erschien er am ersten der Maria Magdalena, von welcher er sieben Teufel ausgetrieben hatte";—Luk. 8, 2: "Maria, die da Magdalena heisset, von welcher waren sieben Teufel ausgefahren".

      Andere wiederum leiten "böse Sieben" von einem im 15. Jahrh. erwähnten Kartenspiele, Karnüffel, Karnöffel, Karnuffel oder Karnoffel genannt, her. Darin war die siebente Karte von oben der Teufel, der alle anderen Karten stach. Man nannte diese Karte die "böse Sieben". (Cyriacus Spangenberg veröffentlichte: "Wider die bösen Sieben ins Teufels Karnöffelspiel". Jena 1562; Eisl. 1562; Frankf. 1562.)—

      Aus Matth. 6, 20 schöpfen wir das Wort:

      Schätze sammeln, die weder Motten noch Rost fressen.—

      Matth. 6, 21 (vrgl. Luk. 12, 34) steht geschrieben:

      Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.—

      Der Spruch Matth. 6, 24:

      Niemand kann zween Herrn dienen

      hat in Luk. 16, 13 die Form erhalten: "Kein Hausknecht kann zween Herrn dienen".—

      Aus Matth. 6, 24 ist auch:

      Mammon und Mammonsdiener

      für "Reichtum" und "Geldmensch" entnommen. Es heisst daselbst: "Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon" (d. h. dem syrischen Gott des Reichtums). Der Mammon wird auch erwähnt Luk. 16, 9. 11. und 13.—

      Matth. 6, 27 (vrgl. Luk. 12, 25) lautet: "Wer ist unter euch, der

      

      seiner Länge Eine Elle zusetzen

      möge, ob er gleich darum sorget?"—

      Matth. 6, 34, lesen wir:

      Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine Plage habe,

      was wir gewöhnlich verkürzen in:

      Jeder Tag hat seine Plage.—

      Matth. 7, 1 (vrgl. Luk. 6, 37) steht:

      Richtet