Büchmann Georg

Geflügelte Worte: Der Citatenschatz des deutschen Volkes


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vorkommt.—

      Man pflegt einen Menschen, den man bei allen öffentlichen Lustbarkeiten findet:

      Zachäus auf allen Kirchweihen

      zu nennen, weil der kleine Zachäus, der aus Drang, Jesum zu sehen, auf einen Baum steigt, im Evangelium des Tages der Kirchweihung, Luk. 19, 1-10, vorkommt, also regelmässig am Kirchweihtage genannt wird.—

      Aus dem Gleichnis Luk. 19, 12-23 "Von vertrauten Pfunden" schöpfen wir die nicht unmittelbar darin enthaltenen Worte:

      was für "Geistesgaben" angewendet wird (s. oben "Talent"), und:

      Mit seinem Pfunde wuchern.—

      

      Luk. 19, 40 (s. Habakuk 2, 11) spricht Jesus von den Jüngern:

      Wo diese (werden) schweigen, (so) werden die Steine schreien.

      In der "Legenda aurea" des Jacobus a Voragine (2. Hälfte des 13. Jahrh.), Cap. 181 "De sancto Pelagio papa" (S. 833, Graesses Ausg.) wird von Beda Venerabilis († 735) erzählt, er habe sich im hohen Alter, als er blind geworden, führen lassen, und sein Führer habe ihm in einem steinigen Thale vorgeredet, es harre dort eine grosse Menschenmenge seiner Predigt. Am Ende derselben hätten die Steine Amen gerufen. Diese Legende erzählt L. Th. Kosegarten unter dem Titel: "Das Amen der Steine" ("Legenden", neue Aufl., Berl. 1810, 1. Bd., 1. Bch., XVII), darinnen es heisst:

      Wenn Menschen schweigen, werden Steine schrei'n.—

      Luk. 21, 26 steht:

      Warten der Dinge, die (da) kommen sollen.—

      Luk. 21, 35 (vrgl. Hiob 43, 19) spricht Jesus: "wie ein

      Fallstrick

      wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen".—

      Luk. 22, 6 (vrgl. Apostelg. 24, 68) steht:

      Ohne Rumor.—

      Aus Luk. 23, 6-12 erklärt sich die Redensart:

      von Herodes (fälschlich: Pontius) zu Pilatus schicken oder laufen.—

      Das Luk. 23, 16 und 22 enthaltene:

      Züchtigen und loslassen

      ist ein den Handwerkern gewöhnlicher Ausdruck geworden. Der Küfer sagt, er könne züchtigen und loslassen, d. h. zum Wein Wasser zusetzen oder nicht; der Schuhmacher, wenn er Schuhe mit Riemen gemacht hat, er könne sie züchtigen und loslassen, d. h. zubinden und aufbinden u. s. w.—

      Denn so man das thut am grünen Holz, was will am dürren werden!

      steht Lukas 23, 31.—

      Lukas 24, 36 und Joh. 30, 19. 21. 26 spricht Jesus:

      Friede sei mit euch! Pax vobiscum!—

      Johannes 1, 46 spricht Nathanael zum Philippus:

      Was kann von Nazareth Gutes kommen?—

      Joh. 1, 51 (vrgl. Hesekiel 1, 1, Apostelgesch. 7, 55 und 10, 11) finden wir:

       Den Himmel offen sehen.—

      Joh. 2, 15 (vrgl. Matth. 21, 12; Mark. 11, 15 und Luk. 19, 45) heisst es von Jesus: "... er machte eine Geissel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus", nämlich die Viehhändler und Wechsler. Daher

      zum Tempel hinaus treiben

      uns für "unsanft entfernen" üblich wurde.—

      Wie Nikodemus kommen bei der Nacht

      beruht auf Joh. 3, 2 wo erzählt wird, dass der Pharisäer Nikodemus, "ein Oberster unter den Juden", zu Jesu kam "bey der Nacht" (s. auch 7, 50 und 19, 39), der mit ihm redete vom Wege zum ewigen Leben, der Wiedergeburt im Geiste. "Wie mag solches zugehen?" fragt Nikodemus, und (V. 10): "Jesus antwortete und sprach zu ihm:

      Bist Du ein Meister in Israel und weisst das nicht?"—

      Auf Joh. 8, 7, wo Jesus spricht: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie" beruht:

      Den ersten Stein auf jemanden werfen.—

      Nach Joh. 8, 57: "Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahr alt und hast Abraham gesehen?" wurde die Redeweise

      Er hat schon Vater Abraham gesehen

      in den Rheinlanden gebräuchlich für "er ist über fünfzig Jahre alt".—

      Joh. 9, 4 steht: "Ich muss wirken die Werke dess, der mich gesandt hat, so lange es Tag ist;

       es kommt die Nacht, da niemand wirken kann".

      (vrgl. Goethes "Noch ist es Tag" u. s. w.).—

      Was du thust, das thue bald

      spricht Joh. 13, 27 Jesus zu Judas Ischarioth.—

      Joh. 18, 38 enthält die Frage des Pilatus:

      Was ist Wahrheit?—

      Der Ausruf des Pilatus, Joh. 19, 5: "Sehet, welch ein Mensch!" ist in lateinischer Form:

      Ecce homo!

      ein Wort geworden, womit man in der Kunst die Darstellung eines leidenden Christus mit der Dornenkrone bezeichnet.—

      Joh. 19, 22 steht des Pilatus Grundsatz:

      Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.—

      Die Worte des auferstandenen Jesu zu Maria aus Joh. 20, 17 lauten in der Vulgata:

      Noli me tangere! (Rühre mich nicht an!).—

      Ungläubiger Thomas

      ist aus Joh. 20, 24-29 entwickelt, wo der Jünger Thomas nicht eher an die Auferstehung Jesu glauben mag, als bis er dessen Wunden betastet hat.—

      

      Joh. 21, 23 sagen die anderen Jünger von dem Johannes:

      Dieser Jünger stirbt nicht.—

      Aus der Apostelgeschichte S. Lucae 2, 5 und 10, 35 ist entlehnt:

      Allerlei Volk,

      aus 2, 11:

      Juden und Judengenossen;

      aus 2, 12:

      Was will das werden?

      und aus 2, 13:

      voll süssen Weines sein.—

      Apost. 4, 20 steht:

      Non possumus

      "wir können es ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehöret haben".

      ebenda 4, 32:

      Ein Herz und eine Seele.—

      Nach dem Zauberer Simon (Apost. 8, 9-24), der die Gabe der Mitteilung des Geistes durch Händeauflegen von den Aposteln für Geld erhandeln zu können glaubte, nennen wir Schacher mit geistlichen Ämtern

      Simonie.—

      Wider den Stachel löcken.

      "Löcken" ist so viel als "mit den Beinen ausschlagen", und das dem Ausdrucke zu Grunde liegende Bild ist das eines vor den Pflug gespannten Rindes, welches gegen den Stachelstock des Treibers eigensinnig ausschlägt.—