spielten Stadt-Land-Fluß, wobei Oliver Wolter immer gewann, weil der das irgendwann für jeden Buchstaben auswendig gelernt hatte, sogar für Ypsilon. Stadt: Yokohama, Land: Yemen, Fluß: Yellowstone River, Pflanze: Yamswurzel, Tier: Yak, Name: Yvonne, Beruf: Yuccapalmenzüchter.
Ich hatte was ins Auge gekriegt. »Immer zur Nase hin reiben«, sagte Frau Mittendorf. Das merkte ich mir.
Dann wurde Taler, Taler, du mußt wandern gespielt, was zum Einschlafen war. Schön in der Patsche saß Oliver Wolter beim Teekesselraten. Er kam nicht drauf, daß mein Teekessel das Garagentor war und Stephans Teekessel der Tor als anderes Wort für Narr, und Oliver Wolter sagte, das sei kein echter Teekessel. Der Tor, das spreche man anders aus als das Tor, nämlich mit kurzem o, also nicht Tor, sondern Torr.
Oliver Wolter, der alte Spielverderber. Der war so doof, das ging auf keine Kuhhaut.
Beim Versteckspielen fand mich keiner, weil ich in den Wohnzimmerkamin gekrochen war, aber das hätte ich besser gelassen, weil ich danach die Sesselpolster mit Ruß vollsaute. Alles war schwarz beschmiert, und ich versprach Frau Mittendorf, ihr mein ganzes Geld zu geben, aber sie sagte, die Reinigungskosten seien viel zu hoch. »Das kannst du gar nicht bezahlen!«
Mama mußte die Sache dann wieder einrenken.
Sie sei mit mir nun bald am Ende ihrer Weisheit, sagte Mama.
Wir kriegten unsere eigenen Beete, jedes einen Quadratmeter groß, wo wir säen und pflanzen durften, was wir wollten: Renate Rosen, Volker Ziermais und Wiebke Vergißmeinnicht. Ich selbst wollte eine Höhle bauen. Im Beet eine Grube ausheben, Bretter drüber, Erde drauf, eine Einstiegsluke freilassen und dann unten in der Höhle sitzen, aber damit kam ich nicht durch. Mama sagte, ich sei nicht ganz gar gebacken. Zwiebeln pflanzen sollte ich in meinem Beet. »Da bricht dir schon kein Zacken aus der Krone.«
Zum Geburtstag kriegte Wiebke eine Handtasche, einen Pullover, einen roten Hosenanzug und einen Pinguin mit Ringen zum Drüberwerfen.
Ich riet Wiebke, sich zum Mittagessen einen Guglhupf zu wünschen, wie den, den Frau Waas im ersten Kapitel von Jim Knopf und die Wilde 13 serviert hatte, weil ich dachte, das sei ein Geflügelbraten, aber Mama klärte mich darüber auf, daß das ein Kuchen sei, und ich war völlig von den Socken.
Was Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer in China essen sollten, waren Ameisenklößchen auf Schneckenschleim, gesottene Wespennester mit Schlangenhaut in Essig und Öl, Seidenraupen mit weichgekochten Igelstacheln oder zarter Salat aus Eichhörnchenohren.
Dann lieber dicke Bohnen.
Wir waren noch beim Essen, als Stephan Mittendorf klingelte. Er wartete dann in meinem Zimmer, bis wir den Nachtisch aufhatten.
Als ich reinkam, las mir Stephan Mittendorf vor, was ich Roswitha Schrimpf geschrieben hatte. Liebe Roswitha! Ich liebe Dich über alles und möchte Dein Freund werden. Dein Martin.
Das Blatt hatte er im Schiebeschrank ausgegraben, und jetzt mußte ich mir blitzartig was ausdenken.
Das sei mein Bruder gewesen, rief ich. Volker, der Arsch! Fälscht einen Liebesbrief und legt ihn zwischen meine Sachen. »Das zahl ich dem noch heim!«
Stephan Mittendorf griente. Er glaubte mir kein Wort, und ich konnte nur hoffen, daß er die Sache nicht an die große Glocke hängte.
Um jeden Verdacht zu zerstreuen, mußte ich mich in der Schule möglichst weit fernhalten von Roswitha.
Wir nahmen die Blüte durch. Wie sie bestäubt wird. Fruchtknoten, Stempel und Samenfäden.
Geschützte Pflanzen: Lilie, Küchenschelle, Königsfarn, Seidelbast und Aurikel. Die Familie der Doldengewächse. Tonboden, Lehmboden, Sandboden, Löß.
Fink und Meise, die sich im Sommer mausern. Wie eine Schleuse funktioniert. Der Satz als Sinnschritt.
Koblenz ist ein Verkehrsknotenpunkt.
In Musik mußten wir singen. Grün, grün, grün sind alle meine Kleider, weil mein Schatz ein Jägermeister ist! Michael Gerlach machte nur den Mund auf und zu, weil er den Schwachsinn nicht singen wollte.
Total beknackt fand Renate Tyrannosaurus Rex. Die würden nur Krach machen.
Bei den Les Humphries Singers fragte ich mich, ob die alle zusammenwohnten.
Während einer Klassenarbeit in Rechnen mußte ich dringend pinkeln, aber das Klo war weit weg und die Stunde schon halb um, und ich hatte erst zwei von sieben Aufgaben gelöst, da durfte ich keine Zeit verlieren. Ich wippte mit den Beinen. Rechnen konnte ich so aber auch nicht mehr. Mit kurzer Hose wäre das nicht gegangen, aber ich hatte meine lange schwarze an, und da ließ ich es laufen.
Die Pisse floß mir warm am linken Bein runter, innen am Oberschenkel und am Knie vorbei. Ich hatte Angst, daß die Pisse aus dem Hosenbein auf den Boden tropft und die ganze Klasse die Bescherung mitkriegt, schon wegen dem Gestank. Dann wäre ich unten durch gewesen, bei allen, für immer und ewig.
Doch die Hose saugte alles auf. Man sah auch kaum, daß sie an manchen Stellen dunkler geworden war.
Melanie Pape neben mir rechnete seelenruhig weiter. Die hatte nichts gemerkt.
Zwei Aufgaben kriegte ich noch raus, bevor es schellte und wir abgeben mußten.
Beim Fangenspielen in der Pause war ich so schnell wie nie zuvor. Die Hose klebte mir kalt am Bein, und ich wollte nicht, daß mir irgendeiner zu nahe kam.
»Der rennt wie der Teufel!« rief Manfred Cordes. Wenn der gewußt hätte.
Groß in Mode waren jetzt aus Plastik, Schnürsenkeln und Cowboyfiguren gebastelte Fallschirmspringer. Die gondelten in jeder Pause überm Schulhof rum, bis das vom Direktor unterbunden wurde.
Volker hatte mal versucht, aus Nähgarn, einer Plastiktüte und einem Teelicht einen Heißluftballon zu basteln. Das brennende Teelicht sollte in der Tüte obendrüber die Luft erwärmen, damit sie stieg, aber das Teelicht ging immer aus.
Mittags war im Schulbus eine Bullenhitze. Den linken Arm ließ der Lauterberg beim Fahren aus dem Fenster hängen. Einmal hatte er einen Lachsack vorne liegen, eine orange Stofftasche, aus der ansteckendes Gelächter kam, und wir lachten uns kringelig, aber das Dachfenster durften wir trotzdem nicht aufmachen.
Im Freibad Oberwerth hatte Volker die Freischwimmerprüfung bestanden. Mama nähte ihm das runde Abzeichen mit der einen Welle auf die blaue Badehose.
Dafür war Volker vom Gymnasium geflogen und mußte nach den Ferien in Vallendar auf die Hauptschule gehen. Ich konnte immer noch nicht schwimmen, aber die Versetzung hatte ich geschafft. Drei Einsen, sieben Zweien, drei Dreien und eine Vier, in Rechnen.
Dr. Oetker Eis-Vergnügen.
Am ersten Sommerferientag kochte Mama Rhabarber ein. Ich übte Weitsprung von der Schaukel aus, mit Schwung. Immer dichter an den vorderen Komposthaufen ran. Wenn ich einen neuen Rekord aufgestellt hatte, holte ich mir hinten aus dem Garten zur Belohnung Sonnenblumenkerne und Zuckererbsen.
Papa machte die Terrasse. Er hatte Gummistiefel an und kippte Sand aus der Schubkarre, den er mit einem Brett glättete. Als ich die Wasserwaage aus der Garage holen sollte, kam ich mit was Falschem wieder hoch, und Papa faßte sich an den Kopf. »Wasserwaage hab ich gesagt, du Rhinozeros!«
Da, wo der Rasen hinkommen sollte, zog Papa eine schwere Walze hinter sich her. Das dauerte drei Tage. Dann warf er den Rasensamen auf die brettebene Fläche.
Im Märzen der Bauer.
Ich pinkelte zwischen die beiden Komposthaufen. Da erschien in der Himbeerhecke das Gesicht von Ute Rautenberg. »Wir sagen dazu Glied«, teilte sie mir mit, und ich verduftete.
In der Pfanne schwitzte Mama Zwiebelwürfel an.
Von meinem Zimmer aus konnte ich das halbe Wambachtal überblicken. Im Kloster Schönstatt, auf der Anhöhe gegenüber, würden jetzt vielleicht Mönche im Büßerhemd durch die Sakristei