einem Abend saßen Zigeuner auf der Straße vorm Haus und spielten Gitarre, aber dann kam bald die Polizei und machte dem Spuk ein Ende.
Wenn es nichts anderes zu tun gab, sammelten wir Wörter für das Camel-Filters-Preisausschreiben. Dafür sollte man möglichst viele Wörter aus den Buchstaben C, A, M, E, L, F, I, L, T, E, R und S bilden. Das war leicht. Alm, Amen, Amt, Eile, Elfe, Falter, Film, Leiter, Liter, Mai, Meer, Miete, Reif, Reife, Relief, Samen, Samt, Seife, Talmi, Tee und Trill und was uns sonst noch so einfiel. Papa schlug Stremel vor, aber Mama sagte, das würden die notariellen Aufsichtsheinis nicht akzeptieren. Mit Wörtern, die nicht im Duden stünden, würden wir keinen Blumentopf gewinnen.
Todlangweilig war es im Botanischen Garten. Um Wiebke zu beschäftigen, schlug Mama ihr vor, die Namen der Gewächse von den Schildern abzuschreiben. Dafür nestelte Mama einen Schmierzettel und einen Kuli aus der Handtasche.
Mispeln, Akazien, Feigenkaktus, Papyrus, Passionsblume, Luftnelke, Wasserhyazinthe und Bitterorangenstrauch. Nicht zu vergessen die Bäume: Ölbaum, Eukalyptus, Mandelbäumchen, Granatapfelbaum, Lorbeerbaum, Pfefferbaum, Zitronenbaum, Fächerpalme und Säulenzypresse. Bis Wiebke das alles notiert hatte, waren Jahrmillionen vergangen.
Auf einer Tafel stand ein Gedicht von Goethe. Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?
Papa stiftete jedem von uns ein Eis, das in der Hitze schneller schmolz, als man schlecken konnte, und mir klatschte eine halbe Kugel auf die Erde runter.
Renate zuliebe, die mit ihrer Mandelentzündung nicht ins Wasser durfte, wurde ein Schlauchboot gekauft, damit sie darin herumschippern konnte und auf diese Weise auch was vom Mittelmeer hatte.
Mangels geeigneter Luftpumpen mußten wir das Schlauchboot mit dem Mund aufpusten, wobei einem der Schweiß nur so runterlief. Wiebke machte es falsch, die saugte die durchs Ventil geblasene Luft immer wieder ein.
»Selig sind die geistig Armen«, sagte Volker.
Papa knotete das Schlauchboot mit einem Seil auf dem Dachgepackträger fest, und zwar so, daß an den Seitenfenstern lose Seilenden runterhingen, die beim Fahren festgehalten werden mußten.
Zum Boot gehörten zwei Paddel mit weißen Ruderblättern. Damit paddelte Papa testhalber alleine raus aufs Meer. Als er wieder an Land wollte, ging er mit dem Boot in der Brandung koppheister.
Es war auch mit Luftmatratze schwer, aus dem Wasser zu kommen. Da wurde man von den Brechern durch die Mangel gedreht, wenn man den falschen Moment erwischte.
Für den Ausflug nach Barcelona bügelte Renate ihre gelbe Trompetenhose. Volker zog sein Hemd mit Leopardenfellmuster an und fummelte einen Gürtel mit Löwenkopfschnalle durch die Jeansschlaufen.
In Barcelona konnte man mitten auf der Straße Affen kaufen, die in ihren viel zu kleinen Käfigen nicht mal genug Platz hatten, um sich umzudrehen. Meterhohe Käfigstapel standen da, und drinnen kauerten die Äffchen. Die Händler würden das absichtlich so machen, sagte Mama, damit man Mitleid kriege mit den armen Tieren.
»Das ist ja raffitückisch«, sagte Volker.
El Corte Inglès hieß ein Geschäft. Der kurze Engländer.
An der Kolumbus-Säule fütterte Wiebke die Tauben mit Brötchenkrümeln, und Mama schoß Fotos von uns allen.
Volker und ich kriegten jeder ein Plakat. Die konnte man sich in Barcelona drucken lassen, und dann stand da drauf, daß Volker ein Autorennfahrer sei und ich ein Stierkämpfer, allerdings nur auf spanisch.
Im Zoo saß gleich am Eingang ein angeketteter Papagei auf einer Stange und hackte mir mit dem Schnabel in die Hand, als ich ihn streicheln wollte.
Fast noch mieser waren die Flamingos. Im Zoo wollte man doch Affen und Löwen und Elefanten sehen und nicht so ’n Kroppzeug. Wenn schon Vögel, dann Aasgeier oder Adler.
Der Zoo hatte ein weißes Kamel, aber weil es keinen zweiten Höcker hatte, war es ein Dromedar. Volker bildete sich mächtig was darauf ein, daß er das wußte. Ob ich Tomaten auf den Augen hätte. »Das sieht doch ’n Blinder mit Krückstock, daß das kein Kamel ist!«
Papa fotografierte ein Zebra, das sich im Liegen am Kniegelenk leckte.
Ich wollte zu den Schimpansen, aber die machten gerade Siesta in ihrem Betongehege. Wenigstens in dem aufgehängten Autoreifen hätten sie ja mal schaukeln können.
Am Ausgang kaufte ich mir eine kleine Schatztruhe aus Holz und einen Pappstier. Dafür hatten meine paar Peseten eben noch gereicht.
Zum Stierkampf wollte Mama nicht und auch nicht zu der Kirmes, die in Barcelona das ganze Jahr über geöffnet hatte. Da hätte ich endlich mal Achterbahn fahren können, aber nein: »Für solche Extravaganzen haben wir jetzt keine Zeit mehr.«
Als Volker dann noch angeberisch mit dem neuen Kescher rumfuchtelte, den Papa ihm gekauft hatte, kriegte ich die Wut. Dem Schweinehund Volker, der die ganze Hinfahrt über am Fenster gesessen hatte, wurde ein Kescher nachgeschmissen, und ich durfte nicht mal Achterbahn fahren.
Die Luft anhalten, so wie Pepe in Asterix in Spanien, bis die Erwachsenen alles stehen- und liegenließen und zu Kreuze krochen vor einem.
Mama sagte, ich sei ein oller Quengelpott, aber dann kaufte sie mir auch einen Kescher, damit es nicht noch weiter böses Blut gab zwischen Volker und mir.
Zum Essen gingen wir in ein Restaurant. Der einzige freie Tisch war der neben der Klotür, und es wurden klotzige Preise verlangt für spanische Verhältnisse.
»Umsonst ist der Tod«, sagte Mama. Das teuerste beim Essengehen seien immer die Getränke, deshalb bestellten wir nur Paella für alle.
Sowas Leckeres hatte ich noch nie gegessen. Paella war viel besser als die spanischen Salzhähnchen. Ich aß meinen Teller freiwillig leer, wischte mit den letzten Reiskörnern den Rest von der Soße auf und war pappsatt.
»Fräsack da onten.«
Die Paella habe wie Tapetenkleister geschmeckt, sagte Papa. Er gebe aber zu, daß ihm eine gerechte Beurteilung der Qualität der servierten Lebensmittel aufgrund der Ausdünstungen aus dem stillen Örtchen nicht möglich sei.
»Nun hör aber mal auf, an allem und jedem rumzumäkeln«, sagte Mama. »Wir gehen doch nun wirklich nur alle Jubeljahre mal auswärts essen.«
»Gottseidank«, sagte Papa.
Mit den Keschern fingen Volker und ich keinen einzigen Fisch. Ganze Schwärme sah man da schwimmen, mit großen Oschis zum Teil, aber die Viecher waren zu flink.
Er wollte fangen einen Barsch, das Wasser ging ihm bis zum Knie.
Papa sagte, wenn man das nicht von der Pike auf gelernt habe, brauche man sich keinen Hoffnungen hinzugeben auf etwelches Anglerglück. Etwelches, was war denn das für ’n Wort?
Am letzten Abend fing Papa an, den Kofferraum mit Gepäck vollzuladen, und Mama bereitete aus Zitronen, Apfelsinen, Äpfeln, Pfirsichen, Rotwein, Puderzucker, Eiswürfeln, Schnaps und Mineralwasser eine Sangria zu.
Das sei ja ’ne ziemliche Plempe, sagte Papa, als wir auf der Terrasse saßen, und dann fiel wieder der Strom aus. Kurzschluß in der gesamten Siedlung.
Irgendwo hörte man einen schreien: »Scheißspanien! Morgen fahren wir nachhause!« Darüber mußte Papa so lachen, daß er sich Sangria aufs Hemd kippte.
Um die kühleren Stunden auszunutzen, wollte Mama spätestens um sieben Uhr morgens losfahren. Schon beim Anziehen mußten wir auf die Tube drücken.
Renate suchte überall nach ihrer Bürste. »Die kann sich doch nicht in Wohlgefallen aufgelöst haben!« sagte Mama und marschierte durch die Zimmer. »Da liegen ja noch eure ganzen Plünnen!«
Wir sollten in die Gänge kommen.
Startklar waren wir erst um halb elf, weil Papa noch so lange am Dachgepäck herumzuprüttjern gehabt und eine Dreiviertelstunde hustend auf dem Klo verbracht hatte.