Friedrich Kirchner

Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe


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liegt aber, wie Kant ausführt, namentlich darin, daß es die unendliche Kausalitätsreihe an einer Stelle willkürlich abbricht und daß die Identifizierung des schlechthin notwendigen Wesens mit dem allerrealsten ein unbewiesener Sprung ist. (Vgl. Kant, Kr. d. r. V., S. 603-620.)

      Continuität (lat. continuitas) heißt Stetigkeit (s. d.); continuierlich heißt stetig.

      contra vim non valet jus (lat.) heißt: Gegen Gewalt gilt kein Recht.

      Contradictio (lat. contradictio) heißt Widerspruch. Principium contradictionis heißt der Satz des Widerspruchs. Er lautet: »Ein und derselbe Begriff kann nicht das nämliche zugleich sein und nicht sein.« Er ist also die Umkehrung des Identitätsgesetzes (a. d. Vgl. auch A = A). Der Satz des Widerspruchs hat nicht bloß subjektive, sondern auch objektive Gültigkeit: Widersprechendes kann nicht zusammen sein, ohne sich zu beschränken und aufzuheben. Hegel (1770-1831) hatte Unrecht, wenn er sagte, alles Existierende sei der daseiende Widerspruch. Aus dem Satze des Widerspruchs folgt der Satz vom »ausgeschlossenen Dritten« (s. d.). Vgl. auch Enthymem. – Contradictio in adjecto, der Widerspruch im Beigelegten, entsteht, wenn von einem Subjekt ein Prädikat ausgesagt wird, das ihm direkt widerspricht, z.B. der eckige Kreis, das hölzerne Eisen.

      Contradiktorisch (sich widersprechend) nennt man zwei entgegengesetzte Begriffe, von denen der eine die Verneinung des anderen ist: A und Non-A. Häufig ist in der Philosophie der mathematische Gegensatz der positiven und negativen Größen irrtümlich mit dem kontradiktorischen Gegensatz verwechselt worden. Zur Klärung der Begriffe hat zuerst beigetragen Kants (1729-1804) Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen. 1763.

      Contraposition (lat. contrapositio = Umwendung) heißt in der Logik diejenige Umkehrung (conversio) eines Urteils, bei welcher die Relation verändert wird(Vertauschung von Subjekt und Prädikat, von Bedingung und Bedingtem), zugleich aber auch das zweite der ursprünglichen Glieder (das Prädikat) die Negation in sich aufnimmt, und die Qualität des Urteils sich ändert. – Im kategorischen Urteil wird also bei der Kontraposition das kontradiktorische Gegenteil des Prädikats zum Subjekt gemacht, und die Qualität des Urteils geht in die entgegengesetzte über; im hypothetischen wird das kontradiktorische Gegenteil des bedingten Satzes zum bedingenden, und an die Stelle einer bejahenden Verbindung zwischen beiden Urteilsgliedern tritt eine verneinende und umgekehrt. Aus dem allgemein bejahenden kategorischen Urteil wird also ein allgemein verneinendes, aus: Jedes S ist P: kein Non-P ist S, und aus dem allgemein affirmativen hypothetischen ein allgemein negierendes, aus: Jedesmal wenn A ist, ist B, niemals wenn B nicht ist, ist A. – Aus dem allgemein verneinenden kategorischen Urteil wird ein partikulär bejahendes, aus: kein S ist P: Mindestens einige Nicht-P sind S, und aus dem allgemein verneinenden hypothetischen Urteil ein partikulär affirmierendes, aus: Niemals, wenn A ist, ist B: mindestens in einigen Fällen, wo B nicht ist, ist A. – Aus dem partikulär verneinenden kategorischen Urteil wird ein partikulär bejahendes, aus: Einige S sind nicht P: Einige Non-P sind S, und aus dem partikulär verneinenden hypothetischen Urteil ein partikulär affirmierendes, aus: Zuweilen, wenn A ist, ist B nicht: Mindestens in einigen Fällen, wenn B nicht ist, ist A. Besonders bejahende Urteile lassen sich nicht kontraponieren. Also wird durch Kontraposition aus A: E; aus E: 1; aus 0:1. 1 ist nicht zu kontraponieren.

      contra principia negantem disputari non potest heißt: Gegen den, der die Prinzipien leugnet, läßt sich nicht streiten. Dieser Satz ist ein logischer Grundsatz für das wissenschaftliche Disputieren. Man muß sich zuerst mit dem Gegner über die Voraussetzungen einigen, auf Grund deren der Streit entschieden werden soll. Es hilft z.B. nichts, mit einem Menschen zu disputieren, der unsere Vernunft für unfähig hält, die Wahrheit überhaupt zu erkennen.

      conträr (vom lat. contrarius entgegengesetzt) heißen die Begriffe, welche innerhalb derselben Gattung am weitesten voneinander abliegen, z.B. Anfang und Ende, a und z, schwarz und weiß, groß und klein, alt und jung, während kontradiktorisch diejenigen heißen, deren einer den anderen einfach verneint, z.B. A und Non-A, sterblich und nicht sterblich. Kontradiktorische Gegensätze entstehen nur bei einer zweiteiligen Einteilung, konträre bei einer mehrteiligen. Ein Mensch ist z.B. lebend oder tot, ein lebendiger ist entweder im Kindheits-, Jugend-, Mannes- oder Greisenalter. Auf der Vermischung des konträren und kontradiktorischen Gegensatzes beruht die antithetisch-synthetische Methode Hegels. Siehe R. Haym, Hegel und seine Zeit. Berlin 1857.

      Contrast (franz. contraste) heißt die Gegenüberstellung sich widersprechender Anschauungen und Vorstellungen. Vorstellungspaare mit dem größeren Kontraste befinden sich in höherer Klarheit als solche mit dem geringeren Gegensatze. Jeder Kontrast erregt unsere Aufmerksamkeit, unterbricht die Eintönigkeit und ist mithin ein wichtiges ästhetisches Mittel.

      Contrastgefühle sind nach W. Wundt solche, in denen sich Lust und Unlust so mischt, daß bald diese bald jene vorherrscht. Ein solches ist z.B. das Kitzelgefühl.

      Conversion (lat. conversio v. convertere = umkehren) beißt in der Logik diejenige Umkehrung eines Urteils, bei welcher die Relation verändert wird (Vertauschung von Subjekt und Prädikat, Bedingung und Bedingtem). Im kategorischen Urteil wird durch Konversion das Subjekt zum Prädikat und umgekehrt. Im hypothetischen Urteil wird der bedingende Satz zum bedingten und umgekehrt. Es gibt drei Arten der Konversion: 1. die einfache Umkehrung ohne Quantitätsänderung (conversio simplex); 2. die Umkehrung mit Veränderung der Quantität (conv. per accidens); 3. die Umkehrung mit Veränderung der Qualität, wobei zugleich die Quantität des Urteils sich ändert, Kontraposition (s. d.). Allgemein bejahende Urteile sind nur dann einfach umkehrbar, wenn sie reziprokabel sind, d.h. wenn P dem S ausschließlich zukommt, z.B. Alle Fixsterne sind Sonnen – alle Sonnen sind Fixsterne. Allgemein bejahende Urteile, in welchen sich S und P nicht vollständig decken, sind nur unter Beschränkung der Quantität umkehrbar (conv. per accidens). Beispiel: Alle Eschen sind Bäume – einige Bäume sind Eschen. Allgemein verneinende Urteile sind rein umkehrbar; partikulär bejahende Urteile sind rein umkehrbar; aus partikulär verneinenden Urteilen kann durch Konversion überhaupt nichts gefolgert werden. Vgl. den Gedächtnisvers:

      E, I simpliciter vertendo signa manebunt,

       Ast A cum vertis, signa minora cape!

      Er besagt: Kehrt man E, I einfach um, so bleibt die Quantität des Urteils, kehrt man A um, so ändert sich die Quantität.

      coordiniert heißt beigeordnet (s. Beiordnung).

      Copula, s. Satz.

      copulativ (lat. copulativus v. copula = Verbindung) heißen diejenigen Urteile, welche nur ein Prädikat, aber mehrere Subjekte haben. Beispiel: Sowohl die Germanen als auch die Romanen und Slawen sind Indogermanen. Die negative Form heißt auch remotives Urteil: Weder Herodes noch Pompejus verdienen den Beinamen des Großen. Vgl. conjunctiv.

      cornutus (lat.), der Gehörnte (gr. keratinês) heißt ein Fangschluß des Eubulides (400 v. Chr.). Er besteht in der Frage: »Hast du deine Hörner verloren?« Bei Bejahung schließt sich die Folgerung an: »Also hast du Hörner gehabt«; bei Verneinung: »Also hast du sie noch«. Der Name cornutus wird auch allgemein für einen Fangschluß gebraucht.

      Corollarium (lat. corollarium = Anhang) heißt ein Folgesatz oder Zusatz. Ist z.B. erwiesen, daß drei Winkel eines Dreiecks = 2 R., so folgt daraus das Corollarium, daß nur ein Winkel im Dreieck ein rechter sein kann.

      Corpuskularphilosophie heißt die Atomistik, weil sie Körperchen als letzte Bestandteile der Dinge annimmt. Vgl. Korpuskeln.

      Corpuskeln, siehe Korpuskeln.

      Correspondenz