Friedrich Kirchner

Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe


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J. H. Fichte, Ulrici, und Mystikern, wie Perty, Schubert u. a. angenommen. Besonders behaupten die Möglichkeit einer solchen Korrespondenz die Spiritisten. Doch sind die Zeugen dafür meist fragwürdig in objektiver und subjektiver Hinsicht; zum Teil sind sie als Schwindler entlarvt worden wie M. Slade. Die von den Geistern gegebenen sogenannten Offenbarungen sind durchweg höchst platt, ja oft absurd. So wird mit Kant (»Träume eines Geistersehers« 1766) füglich jeder Vernünftige über die Frage im Klaren sein.

      Correlata (Wechselbegriffe) heißen Begriffe, die miteinander so zusammenhängen, daß sie nicht ohne einander gedacht werden können. Solche Wechselbegriffe sind z.B. Ursache und Wirkung, Grund und Folge, Zweck und Mittel, Gott und Welt. Leib und Seele, Stoff und Kraft, Mann und Weib. Siehe Beiordnung.

      Creatianismus (v. creo schaffe) heißt die von der alten Kirche (Ambrosius, Hilarius, Pelagius von Pictavium), später von Petrus Lombardus, Calvin, Calixtus, Musaeus, und von Neueren, z.B. Nasse, vertretene Ansicht, wonach der Leib des Menschen von den Eltern gezeugt, die Seele aber von Gott geschaffen und bei oder kurz vor der Geburt jenem eingehaucht werde. Doch widerspricht die Idee der Tatsache, daß sich die Geschichte der Seele bis in die Keimzelle zurückverfolgen läßt.

      Criminalpsychologie heißt die gerichtliche Psychologie, welche diejenigen Fälle untersucht, in denen aus körperlichen, seelischen oder sittlichen Gründen die Zurechnung (s. d.) ganz oder teilweise ausgeschlossen scheint. Als medizinische Disziplin entstand diese Wissenschaft durch Metzger und Plattner in den zwanziger Jahren des 19. Jahrh. und wurde durch Hoffbauer, Grohmann, Heinroth u. a. fortgebildet. Vgl. Friedrich, System der gerichtl. Psychol. 2. Aufl. Regensburg 1842.

      Crocodilinus sc. syllogismus, s. Krokodilschluß.

      culpós (lat. v. culpa = Schuld) heißt eine strafbare Handlung, die nicht aus böslicher Absicht, sondern aus Fahrlässigkeit hervorgegangen ist. Gegensatz: dolós. Vgl. Zurechnung, Dolus.

      Cultur (lat. cultura) heißt eig. die Pflege, Bearbeitung und Ausbildung einer Sache zu dem Zweck, sie zu irgend einer Verwendung brauchbar zu machen. Im weiteren Sinne ist die Kultur die Bearbeitung der ganzen Natur durch den Menschen und die Ausbildung seiner moralischen, intellektuellen und technischen Anlagen und Fertigkeiten. Sie folgt der Zivilisation als höhere Stufe der Entwicklung eines Volkes nach, hat aber ihre Grenzen darin, daß der Mensch die Naturkräfte wohl entdecken und benutzen kann, aber nicht zu ändern vermag. Gegenüber dem Naturzustande bildet die Kultur trotz aller ihrer Schattenseiten den höheren, wertvolleren Zustand der Menschheit.

      Cynismus (gr. kynismos v. kyôn = Hund) bedeutet eine Auffassung und Führung des Lebens, welche alles, was über den Standpunkt des Bedürfnisses hinausgeht, verachtet. Bequemlichkeit, Luxus, vor allem Anstand, Sitte, Kunst, Wissenschaft und Bildung sind in den Augen eines cynischen Menschen nichts; ja er gefällt sich darin, sie geflissentlich zu verhöhnen. Der Name Cyniker (Kyniker) stammt daher, daß Antisthenes (geb. 444 v. Chr.), der Schüler des Sokrates, das Haupt der Kyniker, ca. 380 seine Schule im Kynosarges, dem Gymnasium für Nichtvollathener, eröffnete, hat aber auch eine besondere Färbung dadurch erlangt, daß man Diogenes v. Sinope (404-323), den Schüler des Antisthenes wegen seiner Gesinnung kyôn (Hund) nannte. Außer diesen beiden gehört der cynischen Schule noch Krates von Theben, dessen Gattin Hipparchia und deren Bruder Metrokles an. Antisthenes war Schüler des Sophisten Gorgias und im höheren Alter Schüler des Sokrates. Er lehrte, daß die Tugend das einzige Gut sei, daß die Lust verderblich wirke, und verlegte die Tugend in die Selbstbeherrschung und Bedürfnislosigkeit. So forderte er Rückkehr zur Einfachheit des Naturzustandes. Diogenes von Sinope übertrieb die Grundsätze seines Lehrers und verwarf mit den Unsitten seiner Zeit auch ihre Sitte und Bildung; so wurde er zu einem selbstgefälligen Sonderling, der sich der Richtung seiner Zeit entgegenstellte, den jedoch der Spott seiner Zeitgenossen nicht abhielt, nach seiner Weise naturgemäß, aber einflußlos zu leben. – Der bessere Kern der cynischen Lehre ist später in die Philosophie der Stoiker übergegangen; doch entwickelte sich daneben aus dem Cynismus ein hochmütiges und schamloses Bettlertum, an dem der Name der Cyniker haftete. Einen solchen Vertreter des Cynismus in seiner Zeit verspottet z.B. Lukianos in seinem Peregrinus Proteus.

      D.

      Daltonismus, siehe Farbenblindheit.

      Daimonion nannte Sokrates (469-399) eine innere Stimme, die ihn in entscheidenden Augenblicken warnte und von der Ausführung einer gefährlichen Absicht abhielt. (Nach Platon Apol. 31 D und 41 D, Xen. Mem. I, 1, 6 warnte das Daimonion peri – tôn adêlôn, hopôs an apobêsoito.)

      Dankbarkeit (Dank, eigtl. das Denken) heißt die Gesinnung eines Menschen, welcher empfangene Wohltaten anerkennt, sich ihrer erinnert und sie nach Kräften erwidert. Die Dankbarkeit ist verhältnismäßig selten zu finden; daher das Sprichwort: »Undank ist der Welt Lohn«. Vergeßlichkeit, Leichtsinn, Gewohnheit, Selbstsucht, – aber auch die Umstände verhindern oft die Dankbarkeit da, wo sie nicht gerade fehlt, sich zu äußern. So wenig die Wohltat erzwingbar ist, so wenig ist es der Dank dafür. Beides verliert durch Zwang allen Wert. Wenn daher, obwohl die Wohltätigkeit an sich eine hohe Tugend ist, derjenige »seinen Lohn dahin hat«, der etwas Gutes tut, um Dank zu ernten, so ist andrerseits Undankbarkeit ein Zeichen von Hohlheit oder Roheit des Gemütes, und Dankbarkeit eine schöne, aber schwere Tugend. Die Wohltaten, die wir anderen erweisen, vergessen wir langsam, die uns erwiesenen schnell. Unedlen, selbstsüchtigen Menschen sind empfangene Wohltaten drückend, weil sie sich nicht zum Dank verpflichtet fühlen möchten; freigebige, großmütige dagegen, die anderen oft Wohltaten erweisen, vergessen auch ihrerseits leicht des Dankes. Wer sich viel über Undank der Menschen beschwert, macht sich dadurch verdächtig, daß er nicht aus Menschlichkeit, sondern aus Eigennutz Wohltaten erwiesen hat.

      Darapti heißt der erste Modus der dritten Schlußfigur, in dem die beiden Vordersätze allgemein bejahen, der Schlußsatz aber nur partikulär bejaht. Er hat die Form: MaP, MaS, SiP; z.B. Alle Cetaceen sind Wassertiere; alle Cetaceen sind Säugetiere; folglich sind mindestens einige Säugetiere Wassertiere.

      Darii ist der dritte Modus der ersten Schlußfigur mit allgemein bejahendem Obersatz und partikulär bejahendem Unter- und Schlußsatz. Er hat die Form: MaP, SiM, SiP; z.B. Alle nur durch 1 und sich selbst teilbare Zahlen sind Primzahlen; einige ungerade Zahlen lassen sich nur durch 1 und sich selbst teilen; also sind einige ungerade Zahlen Primzahlen.

      Darstellung ist die Tätigkeit, durch die man Gedanken zur äußeren Anschauung bringt. In der Kunst z.B. werden bestimmte Ideen des Geistes zur Anschauung gebracht, um dadurch einen der Idee angemessenen Gefühlszustand hervorzurufen. Am besten erreichen dies Ziel die Plastik und Malerei, weniger deutlich die Poesie und Musik. Diese müssen erst mittels der Laute oder Töne diejenigen Gedanken und Gefühle erregen, welche der den Augen dargestellte Gegenstand unmittelbar erregen würde. In der Deutlichkeit und Verständlichkeit der Darstellung übertreffen also die bildenden Künste die redenden, die ihnen andrerseits durch die Fülle des Darstellbaren bei weitem überlegen sind. (Vgl. Lessings Laokoon.)

      Darwinismus ist die von Ch. Darwin (1809-1882) aufgestellte Entwicklungslehre, nach der die Arten der Organismen nicht fertig auf einmal geschaffen wurden, sondern auseinander und nacheinander allmählich auf Grund der wechselnden Existenzbedingungen und der Anpassungsfähigkeit der Organismen entstanden sind. Als die bestimmenden Einflüsse bei der Entstehung der Arten betrachtet Darwin die Vererbung (s. d.), die Variabilität der Individuen, die durch den Kampf ums Dasein (struggle for life) bewirkte natürliche Zuchtwahl oder Auslese (Selection), die Korrelation der Organe und die Folgen des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs der Glieder. (Ch. Darwin, On the origin of species by means of natural selection, London 1859.) Es ist das Verdienst Darwins, das Dogma von der Konstanz der Arten umgestoßen und eine Betrachtungsweise in der Zoologie