Jürgen Goldstein

Hans Blumenberg


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zeichnet, ist daher als philosophischer Widerstand gegen eine vornehmlich am Ideal der Naturwissenschaften orientierten Wissenskultur zu begreifen. Der von Blumenberg gepflegte Personalstil, der oft als eine literarisierende Sprache wahrgenommen wird, wehrt sich gegen die Entsubjektivierung der Theorie durch strikte Methodik und strenge Wissenschaft. Blumenberg setzt seinen Individualitäts- und Originalitätsanspruch gegen die Fiktion einer von allem Subjektiven gereinigten Theorie. Seine Texte sind bis in die Überschriften hinein oft auf Anhieb als Texte dieses Autors auszumachen. Man sollte also die Stilblüten seiner stets um Unverkennbarkeit bemühten Diktion nicht allein als eine literarische Ambition werten, die sich der Philosoph zusätzlich zum Gedachten geleistet hat. Wer meinte, man könne, solle oder müsse doch Blumenbergs literarisierende Denkweise bis auf die in ihr enthaltenen ›Argumente‹ und ›Thesen‹ entkleiden können, übersieht, dass bereits die Form dieses Denkens als Sprache im Personalstil Ausdruck einer philosophischen Positionierung ist. Daher geht in der sprachlich spröden Form der Handbuchartikel, die sich einzelnen Aspekten der Philosophie Blumenbergs widmen oder Werke paraphrasieren, Wesentliches verloren. Was Blumenberg denkt, ist von der Weise, wie er es denkt, nur um den Preis der kruden Reduzierung zu trennen. Etwas von ihm ausführlich Erzähltes kann eben nicht formelhaft zusammengefasst werden, ist doch – dem ursprünglichen Methodenbegriff zufolge – das Erzählen keine beliebig verkürzbare Denkform, einem Gegenstand zu folgen.

      Schließlich dient der Originalitätsanspruch seiner Texte dazu, das Funktionärsverständnis moderner Fortschrittslogik und -methodik zu unterlaufen. Niemand kann Blumenbergs Philosophie fortsetzen, weiterschreiben, seinen Stil ohne epigonale Peinlichkeit kopieren oder kultivieren. Damit bleibt dieses Werk situiert, geschichtlich und biographisch verortbar, individuell und unverkennbar. Das trifft freilich auch auf andere Philosophien zu, es ist kein Alleinstellungsmerkmal. Aber Blumenberg hat dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. Es wäre undenkbar, dass er einen Aufsatz im Rahmen eines Autorenkollektivs verfasst und seinen Eigenstil in einem dafür notwendigen Maß zurückgenommen hätte, um gemeinsame Thesen zu präsentieren. Lexikonartikel mit der ihnen eigenen Verpflichtung auf stilistische Zurückhaltung stellen bei Blumenberg eine Ausnahme dar.179

      Die Betonung der Personalität mag zu Anhängerschaften verleiten, denen Blumenberg sich durch Unnahbarkeit und Rückzug aus der Öffentlichkeit vorauseilend entzogen hat. Überhaupt gilt es, angesichts der starken personalen Färbung seiner Philosophie, ein drohendes Missverständnis abzuwehren: Das Philosophieren im Personalstil verteidigt eine Theorieform gegen die Entsubjektivierung der modernen wissenschaftlichen Methode, aber das heißt nicht, dass es folglich um die philosophierende Person zu gehen habe. Wer diesen Irrtum vermeidet, hat viel für die Lektüre der Werke Blumenbergs gewonnen.

      Auch den Gegenstandsbereich philosophischer Erkenntnis will Blumenberg nicht vorschnell methodisch begrenzt wissen. Geradezu provokativ weitet er das Feld der Gegenstände philosophischen Denkens, wenn er Gedichte in seine Reflexionen einbezieht, Glossen zu Anekdoten schreibt, Briefe und Tagebücher zu gleichwertigen Quellen neben den Hauptwerken der herangezogenen Autoren erhebt. Darin liegt das Überraschungsmoment für den Leser begründet: Hier schreibt einer über Themen, die im Erwartungsraster des ›Wissenschaftsbetriebs‹ im Allgemeinen und der Philosophie im Besonderen nicht vorkommen: etwa über die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach, über Anekdoten und überhaupt über Figuren der Geistesgeschichte, die der Disziplin der Philosophie fernstehen. Wer fügt schon einem philosophischen Buch Kapitel über Sigmund Freud, James Joyce oder Adolf Hitler ein, ohne Psychologe, Anglist oder Historiker zu sein? Wer schreibt schon über Technik, ohne sich als Ingenieur oder Technikhistoriker ausweisen zu können? Wenige.

      Blumenberg ist der Preis zu hoch, den das Ideal einer Wissenschaft zu zahlen bereit sein muss, um den Erkenntnisgewinn als gemeinsam getragene Fortschrittsgeschichte zu entwerfen: »Der Anspruch der ›reinen‹ und autonomen Selbstverfügung der Vernunft über ihren Grund und Anfang erwies sich als gebunden an die konsequente Destruktion des tragenden Bodens der geschichtlichen Existenz des Menschen, der eben gerade darin ›menschlich‹ ist, daß er nicht ›ex nihilo‹ leben kann.«180 Da er nicht ›aus dem Nichts‹ leben kann, ist der konkrete Mensch als Individuum stets lebensweltlich eingebunden und in eine geschichtliche Situation eingebettet. Dieses Leben aber bedarf angesichts seiner Endlichkeit und seiner Zeitknappheit der philosophischen Orientierung im Hier und Jetzt. Der unendliche Wissenschaftsfortschritt habe eine »blinde Automatik«181 hervorgebracht, für die nichts gleichgültig sei, aber alles beliebig zu werden drohe. Das philosophische Denken soll gegen die Engführungen moderner Methodisierung geschützt und »fundamentaler im Ansatz und umfassender in der Zielsetzung«182 gehalten werden. Daher betreibt Blumenberg Philosophie als ein spezialisierter Generalist. Wenngleich er das Philosophieren für so begründungsunbedürftig hält wie ein Gedicht, er also Theorie um der Theorie willen zu betreiben sucht, handelt es sich im Rahmen einer diskreten Anthropologie doch um eine Philosophie in pragmatischer Absicht. Freilich nicht im Sinne einer vorzuentwerfenden Praxis, wohl aber als Form der Selbsterhaltung und Selbstbehauptung des Menschen in seiner jeweiligen Daseinssituation. Kann die Philosophie, fragt er in der Habilitationsschrift, »sich je von dem Selbstverständnis unseres Daseins so ablösen und sich in dem Universum wissenschaftlicher Gegenständlichkeit genügen, ohne ihren Ursprung und damit den Boden ihres Sinnes preiszugeben«?183

      Mit der Relativierung des modernen Anspruchs an die strikte Methodik ist der Willkür nicht Tür und Tor geöffnet, aber dem Anspruch, auch die Philosophie habe ›strenge Wissenschaft‹ zu sein, widersprochen. Zwar gebe es für die Philosophie einen Sinn von Wissenschaftlichkeit, der so originär philosophisch sei, dass er gar nicht verleugnet werden könne, aber es gelte doch, sich gegen »die Unterwerfung der Philosophie unter das Ideal der wissenschaftlichen Methoden, Erkenntnischaraktere, der Exaktheit und Strenge«184 zu verwahren. Die Abkehr von dem zeitgenössisch durch Husserl erneuerten Anspruch, auch Philosophie habe strenge Wissenschaft zu sein, ist eine der bedeutendsten, tiefgreifendsten, formprägendsten Richtungsentscheidungen im Denken Blumenbergs. Im Kern ist das von Descartes vorgestellte und von Husserl verteidigte Ideal der strengen Wissenschaft für Blumenberg Inbegriff einer abgesicherten ontologischen Distanz. Es sei offensichtlich, »daß die Idee strenger Wissenschaftlichkeit von ihrer Herkunft am Beginn der Neuzeit her unabdingbar gebunden ist an die Auffassung des Seienden als mögliche pure Gegenständlichkeit, als das aus einer Distanz heraus und über eine Distanz hinweg ›klar und deutlich‹ Erfaßbare«.185 Die von Blumenberg dagegen kultivierte Umständlichkeit seiner Bücher und die vermissbare Stringenz der Argumentation in Hinblick auf ein systematisches Ziel resultieren in der Zurückweisung der kategorischen Verpflichtung auf strenge Wissenschaft. Der Erwartung, Theorie habe ›Ergebnisse‹ als Schlusspunkt methodisch geleiteten Forschens zu erbringen, setzt Blumenberg seine mäandernden Texte entgegen, die zwar lehrreich, aber kaum resümierbar sind. In seinen späten Jahren wird er geradezu provokativ Nachdenklichkeiten kultivieren, von Ergebnis und Ziel ist da längst nicht mehr die Rede.

      Damit sucht Blumenberg daran zu erinnern, Philosophie sei zwar in einem unaufgebbar grundsätzlichen Sinn, aber nicht in einer spezifisch modernen Weise Wissenschaft. Das Selbstverständnis der modernen Wissenschaft ist ein geschichtlich bedingtes, historisch gewachsenes und unter eigenen Erkenntnisnöten stehendes. Auch wenn man ihm Gültigkeit attestiert, verleiht man ihm damit noch keine zeitlose Notwendigkeit. Damit wird der Stellenwert der Wissenschaft für das moderne Leben nicht infrage gestellt. Selbst dann, wenn Blumenberg die moderne Wissenschaft mit ihrem Methodenideal gegen die Philosophie überscharf abzusetzen unternimmt, spricht er den zwei Wegen doch auch eine Berechtigung zu: »Aus dieser Antinomie zwischen Philosophie und Wissenschaft ist nicht herauszukommen: das Erkenntnisideal der Philosophie widersetzt sich der Methodisierung, die Wissenschaft als der unendliche Anspruch eines endlichen Wesens erzwingt sie«, aber »diese Trennung war notwendig und legitim«.186 Seine eigene Art zu philosophieren folgt aber dem Ziel, »die Fraglosigkeit aufzubrechen, mit der die Formel ›Philosophie als Wissenschaft‹ hingenommen wird«.187 Was Philosophie ist, hat sie selbst zu bestimmen und sich nicht durch eine Wissenschaftsauffassung vorgeben zu lassen, die sich in ihrer aktuellen Herausbildung kontingenter Bedingungen verdankt. Philosophie »konstituiert erst in ihrem Selbstvollzug, was sie ist und zu sein hat, und mit diesem zugleich, ob Wissenschaft zu