Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


Скачать книгу

      Und aller Trauer Galle war.

      Wer jemals diese Märe gar

      Vernimmt, erkennt wohl, daß dem Leben

      Der Nam entsprechend ward gegeben:

      Er war, so wie er hieß, ein Mann,

      Und hieß recht wie er war, Tristan.

      Wer aber gerne hätt erkannt,

      Aus welchem Grunde Foitenant

      Verbreiten ließ die Märe,

      Seines Herren Kindlein wäre

      Von der Geburtsstunde Noth

      Mit seiner todten Mutter todt,

      Dem geben wir den Grund wohl an:

      Es ward aus Treue gethan.

      Wegen Morgan that es der Getreue,

      Vor seinem Haße trug er Scheue.

      Er sorgte, wüst er um das Kind,

      So würd er es mit List geschwind

      Oder mit Gewalt verderben

      Und das Land berauben seines Erben.

      Deshalb nahm der treue Mann

      Zum Kinde sich das Waislein an

      Und erzogs zu seinem Sohne,

      Wofür die Welt zum Lohne

      Ihm Gottes Gnade wünschen soll:

      Das verdient' er an der Waise wohl.

      Als das Kind nun war getauft,

      Nach Christenbrauch dem Heil erkauft,

      Da nahm ihr liebes Kindlein hin

      Die tugendreiche Marschallin

      In ihre heimliche Pflege:

      Sie wollt es alle Wege

      Selbst hüten und besorgen

      Den Abend wie den Morgen.

      Mit so süßem Fleiße Tag und Nacht

      Hielt die süße Mutter ihn bewacht,

      Daß sie ihm auch nicht gönnte,

      Daß er nur unsanft könnte

      Den Fuß zu Boden schieben.

      Als sie das mit ihm getrieben

      Bis sein siebtes Jahr war voll,

      Daß er Geberd und Rede wohl

      Verstehen konnt und auch verstand,

      Da kam der Marschall allzuhand

      Und befahl ihn einem weisen Mann.

      Mit diesem sandt er ihn hindann

      In fremdes Land der Sprache wegen;

      Da sollt er sich aufs Lernen legen,

      Das Lesen und das Schreiben

      Bei ihm mit Fleiß betreiben

      Vor jedem andern Unterricht.

      Das war der erste Verzicht,

      Den er auf seine Freiheit that,

      Nun er in den Bannkreiß trat

      Anerzwungner Sorgen,

      Die ihm zuvor verborgen

      Und noch erlaßen waren.

      In seines Aufblühns Jahren,

      Da sein Glück erst sollt erstehn,

      Der Freud er sollt entgegengehn,

      In seines Lebens Beginn,

      Da war sein bestes Leben hin.

      Als er freudig zu erblühn begann,

      Da fiel der Sorge Reif ihn an,

      Der mancher Jugend Schaden thut

      Und sengt' ihm seiner Freuden Bluth.

      Da seine Freiheit begann

      War seine Freiheit hindann.

      Die Bücherweisheit und ihr Zwang

      War seiner Sorgen Anfang,

      Und doch, als er damit begann,

      Kehrt' er seinen Sinn daran

      Und sein Befleißen also sehr,

      Daß er in den Büchern mehr

      Erlernet hatt in kurzer Frist

      Als je ein Kind, von dem ihr wißt.

      Zwischen beiden Lernungen,

      In den Büchern der und der der Zungen,

      Verwandt er seiner Zeit noch viel

      Auf jede Art von Saitenspiel.

      Daran kehrt' er spät und früh

      Seine Emsigkeit und Müh,

      Bis er es herrlich konnte.

      Zu lernen begonnte

      Er heute dieß und morgen das,

      Und konnt ers wohl, noch lernt' ers baß.

      Ferner lernt' er nebenher

      Mit dem Schild und mit dem Sper

      Wohl und behende reiten,

      Das Ross zu beiden Seiten

      Geschickt mit Sporen rühren,

      Es stolz im Sprunge führen,

      Loisieren und Turnieren,

      Mit den Schenkeln sambelieren

      Nach Gebrauch im Ritterspiel;

      So tummelt' er sich oft und viel.

      Wohl schirmen, wacker ringen,

      Schnell laufen, tüchtig springen,

      Dazu schießen den Schaft,

      Darin versucht' er oft die Kraft.

      Wir hören wohl auch von ihm sagen,

      Es lernte birschen und jagen

      Nie ein Mann so wohl als er,

      Es wäre dieser oder der.

      Die man bei Hofe spielen soll,

      Die Spiele konnt er alle wohl.

      Er war auch so am Leibe

      Beschaffen, daß vom Weibe

      Nie ein schönrer Jüngling ward geboren.

      An ihm war Alles auserkoren,

      So der Muth wie die Geberden;

      Doch leider soll durchflochten werden,

      Wie ich es las, dieß Heil mit Schaden:

      Er war mit Kummer stäts beladen.

      Nun er zu vierzehn Jahren kam,

      Der Marschall ihn nach Hause nahm

      Und hieß ihn alle Zeiten

      Fahren und reiten,

      Zu erforschen Leut und Land

      Bis er gründlich erkannt

      Des Landes Sitten habe.

      Das that der werthe Knabe

      So löblich und behende,

      Daß man nicht Höfschern fände

      Wohl in dem ganzen Reiche,

      Noch der sich vergleiche

      Diesem Knaben Tristan.

      So sah die ganze Welt ihn an

      Mit