Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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schön, so klug und so fein,

      Daß die Fremden insgemein

      Die Augen auf ihn wandten

      Und sich insgeheim bekannten,

      Daß sie nie so jungen Jahren

      Noch sahn so große Zucht sich paaren.

      Wie ihnen aber auch sein Spiel

      Und sein Benehmen all gefiel,

      Das war doch wider dieß ein Wind:

      Das nahm sie Wunder, daß ein Kind

      So viel der Sprachen hatt errungen:

      Denn es floß ihm von der Zungen

      Wie sie es nie vernommen,

      So weit sie noch gekommen.

      Wie er höfisch war am Hof erzogen,

      Um keine Höflichkeit betrogen,

      Ließ er viel fremde Zabelworte

      Einfließen stäts am rechten Orte:

      Die sprach er wohl, der wust er viel

      Und zierte gern damit sein Spiel.

      Er sang auch wohl zu preisen

      Chansons und schöne Weisen,

      Refräns und Stampenîeen.

      Mit solchen Curtoisîeen

      Trieb er es so lange fort

      Bis die Handelsleute dort

      Zu Rathe wurden unter sich,

      Könnten sie durch einen Schlich

      Ihn behalten und von hinnen bringen,

      Sie möchten Ehr an ihm erringen,

      Dazu auch hohen Gewinn.

      Das zogen sie nicht lange hin:

      Sie geboten ihren Rudrern gleich

      Ihnen Hand zu leisten zu dem Streich,

      Und lösten selbst den Anker schon,

      Daß nichts zur Sprache kam davon.

      Das Schiff stieß ab und fuhr hindann

      So leise, daß es Tristan

      Und Kurvenal nicht ward gewahr

      Bis sie es hatten von dem Fahr

      Eine ganze Meile weit gebracht:

      Die waren auf ihr Spiel bedacht,

      Auf ihr Schachzabel, alsosehr,

      Daß sie an nichts andres mehr

      Hatten als ans Spiel gedacht.

      Als das Spiel nun war vollbracht

      So daß es Tristan gewann,

      Und der sich umzusehn begann,

      Da sah er wohl, woran sie waren.

      So leidig saht ihr nie gebahren

      Ein Mutterkind mit Jammermienen.

      Aufsprang er und stand unter ihnen:

      »Ach edle Kaufherrn«, rief er aus,

      »Wo wollt ihr nur mit mir hinaus?

      Wohin denn, saget, bringt ihr mich?« –

      »Seht, Freund«, sprach Einer säuberlich,

      »Nichts kann euch mehr davor bewahren,

      Ihr müßt mit uns von hinnen fahren.

      Drum bleibet still und wohlgemuth.«

      Da hub Tristan, das arme Blut,

      So jämmerlich zu klagen an,

      Daß Kurvenal sein Freund begann

      Zu weinen mit dem Knaben

      Und sich also zu gehaben,

      Daß all das Kielgesinde

      Von ihm und von dem Kinde

      Unmuth und Kummer gewann.

      Sie setzten Kurvenalen dann

      In ein kleines Schifflein,

      Und legten zu ihm darein

      Ein Ruder und ein kleines Brot

      Zu der Fahrt und für des Hungers Noth,

      Und sagten ihm, er solle

      Fahren, wohin er wolle;

      »Doch Tristan der muß mit uns fort.«

      Sie fuhren hin mit diesem Wort

      Und ließen ihn da schwebend,

      In manchen Sorgen bebend.

      Der Meister schwebte auf der See;

      In mancher Weise war ihm weh:

      Weh um das Ungemach, das da

      Seinem Tristan geschah;

      Weh auch um die eigne Noth.

      Denn er fürchtete den Tod,

      Weil er nicht konnte schiffen:

      Er hatt es nie begriffen.

      Da klagte laut der arme Mann:

      »Ach, lieber Gott, was fang ich an!

      In solche Sorge kam ich nie.

      Nun bin ich ohne Leute hie

      Und versteh auch selber nicht zu fahren.

      Du sollst mich, Gott und Herr, bewahren

      Und mein Gefährte sein von hinnen.

      Was ich nie begann, beginnen

      Will ich auf die Gnade dein:

      Wolle mein Geleiter sein!«

      Hiemit das Ruder griff er an

      Und fuhr auf Gottes Trost hindann

      Und kam in kurzer Stunde

      Der Gotteshülf im Bunde

      Nach Haus und sagte Märe

      Wie es ergangen wäre.

      Der Marschall und sein selig Weib

      Wandten wider ihren Leib

      So jämmerlicher Klage Noth,

      Läg er vor ihren Augen todt,

      Ihnen könnte diese Pein

      Näher nicht gegangen sein.

      So giengen sie Beide

      Im gemeinsamen Leide,

      Und all ihr Ingesinde,

      Nach dem verlornen Kinde

      Weinen an des Meers Gestad.

      Manche Zunge da mit Treue bat,

      Daß Gott dem Kinde gnädig sei.

      Der Klage ward da mancherlei,

      Bald so bald so, die man vernahm

      Und als es an den Abend kam,

      Da sie von dannen schieden,

      Die Klage, erst verschieden,

      Die klang da gar einhellig:

      Sie klagten nun gesellig,

      Sie riefen hier und riefen dort

      Nichts anders als das eine Wort:

      »Bêas Tristan, curtois Tristant,

      Ton Cors, ta vie a Dê comant!«

      »Dein schöner Leib, dein süßes Leben

      Sei Gottes