Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


Скачать книгу

ward eur Ingesinde hier.

      Des Weitern schweig ich, wißet ihr

      Doch selber, was ihm widerfuhr

      Mit der schönen Blanscheflur:

      Wie er zur Freundin sie gewann

      Und wie sie bald mit ihm entrann.

      Als sie zu Lande kamen,

      Und sich zur Ehe nahmen,

      Das ist in meinem Haus geschehn:

      Ich habs und mancher Mann gesehn.

      Auch befahl er sie in meine Pflege,

      Und pflag ich ihrer aller Wege

      So gut ich immer konnte.

      Nicht lang darnach begonnte

      Der Ritter einen Heereszug,

      Entbot die Seinen schnell genug

      Und fuhr auch bald von dannen

      Mit Freunden und mit Mannen

      Und ward in einem Kampf erschlagen;

      Ihr hörtet es wohl selber sagen.

      Und als die leide Mär uns kam

      Und die schöne Frau vernahm,

      Wie es ergangen wär im Streit,

      Das war ein tödtliches Leid,

      Das so tief ins Herz ihr schlug –

      Hier steht Tristan, den sie trug;

      Den gebar sie in der bittern Noth;

      Sie selber lag, die Mutter, todt.«

      Darüber fiel den treuen Mann

      So inniglicher Jammer an,

      Es ward an ihm wohl offenbar:

      Saß er doch und weinte gar

      Als ob er kindisch wäre.

      Auch sah man von der Märe

      Den andern Herren allen

      Die Augen überwallen.

      Auch der gute König Mark

      Nahm den Jammer sich so stark

      Und Ruals Bericht zu Herzen,

      Daß seines Herzens Schmerzen

      In Thränen aus den Augen floßen

      Und ihm Wang und Kleid begoßen.

      Tristanden that die Kunde

      Gar weh im Herzensgrunde,

      Geschah ihm gleich kein Leid daran,

      Als daß er an dem treuen Mann

      Den Vater, den er sein geglaubt,

      Sich auf einmal sah geraubt.

      So saß Rual der gute

      Mit traurigem Muthe

      Und sagte dem Gesinde

      Von dem verwaisten Kinde,

      Dem er ein treuer Pfleger war,

      Seit es die Mutter gebar.

      Er sagte, wie's auf sein Geheiß

      Verhohlen ward mit allem Fleiß;

      Wie er das Gerücht verbreiten ließ,

      Die Landgenoßen sagen hieß,

      Es sei mitsamt der Mutter todt;

      Dann wie er seinem Weib gebot

      Wie ich euch früher sagte,

      Daß sie sich heimlich klagte,

      Und eine Weile inne lag,

      Damit sie nach demselben Tag

      Den Leuten möge sagen,

      Sie hab ein Kind getragen;

      Wie sie mit ihm zur Kirche gieng

      Und es die Taufe da empfieng;

      Warum es Tristan ward genannt;

      Wie er es dann hinausgesandt,

      Damit es in der Ferne

      Mit Hand und Mund erlerne

      Die Künste, die ers lehren hieß;

      Dann wie ers in dem Schiffe ließ,

      Wo es ihm diebisch ward genommen,

      Und wie er wär hieher gekommen

      Nach langer Irrfahrt seinetwegen.

      So saß und meldete der Degen

      Haarklein, wies ergangen wär.

      Da weinte Marke, weint' auch Er,

      Die Herren weinten insgemein

      Außer Tristan allein:

      Der konnt es nicht beklagen

      Was er ihn hörte sagen,

      Es kam ihm allzu jählings an.

      Doch was Rual, der gute Mann,

      Dem Gesinde von dem Leide

      Sagte der Gelieben Beide,

      Von Riwalin und Blanscheflur,

      Was ihnen Alles widerfuhr,

      Doch mochte sich dergleichen

      Der Treue nicht vergleichen,

      Die er dem Herrn erwies im Tod –

      Ihr hörtet mit wie großer Noth –

      An dem verwaisten Kinde:

      Das schien dem Ingesinde

      Die große Treue, die ein Mann

      Zu seiner Herschaft je gewann.

      Als diese Rede war geendet,

      Sprach Marke zu dem Gast gewendet:

      »Herr, ist es wahr, daß dieß geschah?«

      Rual der gute legt' ihm da

      Einen Fingerring in seine Hand.

      »Nehmt«, sprach er, »dieß zum Unterpfand,

      Ich sagt' euch keine Lüge.«

      Der getreue und gefüge

      Marke nahms und sah es an:

      Der Jammer, den er da gewann,

      Umfieng sein Herz nur fester.

      »Ach«, sprach er, »süße Schwester,

      Dieß Fingerlein das gab ich dir,

      Und mein Vater gab es mir,

      Als er schon am Tode lag,

      Daß ich der Mär wohl glauben mag.

      Tristan, geh her und küsse mich,

      Und fürwahr, so lang du lebst und ich,

      Will ich dein Erbvater sein.

      Blanscheflur, der Mutter dein,

      Deinem Vater auch, Kanelen,

      Sei Gott ein Hort der Seelen

      Und woll ihnen Beiden geben

      Das ewig währende Leben.

      Nun es so ergangen ist,

      Daß du nur geworden bist

      Von der lieben Schwester mein,

      Läßt Gott im Himmel mich gedeihn,

      Zeitlebens bleib ich deiner froh.«

      Darauf zum Gaste sprach er so:

      »Mein