Mann so wenig als ein Weib.
Und wenn der Zins für jedes Jahr
Nach Irland hingesendet war
Und nun das fünfte Jahr begann,
So musten beide Lande dann
Stäts zur Sonnenwenden
Romwärts solche Boten senden,
Die den Römern behagten,
Die dann den Boten sagten,
Welch Gebot und welchen Rath
Der gewaltige Senat
Auserdacht und festgestellt
Für ein jedes Volk der Welt,
Das den Römern pflichtig war.
Denn da las man ihnen jedes Jahr
Vor und ließ sie wißen,
Wie sie hinfort beflißen
Sollten sein, das Recht zu weisen
Nach Römerlandrecht, Römerweisen.
Sie musten dann auch immer leben
Wie ihnen Lehre ward gegeben.
Dieser Zins ward hingesandt
Aus diesem wie aus jenem Land
Roma der Gebieterin
Bei jedes fünften Jahrs Beginn.
Doch boten sie ihr solche Ehr
Und diese Zinspflicht nicht so sehr
Um Rechtes noch um Gottes willen
Als um Gurmuns Zorn zu stillen.
Laßt uns zurück zur Märe kommen.
Tristan hatte wohl vernommen
Dieses Leid zu Cornewal;
Auch hatt er früher manches Mal
Wohl gehört schon den Bericht
Wie es stand um dieses Zinses Pflicht.
Doch nun vernahm er alle Tage
Aus des Landvolkes Klage
Des Landes Leid und große Schmach,
Wohin er ritt dem Wege nach,
Vor Städten und Castellen.
Und als zu den Gesellen
Nach Tintajöl er jetzo kam,
Seht, da hört' er und vernahm
In Gaßen und auf Straßen
Die Klage schallen solcher Maßen,
Daß es ihm sehr zu Herzen gieng.
Nicht lange währt' es, so empfieng
Der Hof und König Mark die Märe,
Daß Tristan angekommen wäre;
Des waren sie da Alle froh.
Froh, das mein ich aber so,
Das Maß lag in der Dinge Stand.
Denn die Besten, die man fand
Im ganzen Lande Cornewal,
Waren eben dazumal
Alle an den Hof gekommen
Zur Schande, wie ihr habt vernommen.
Die Edeln und die Großen
Giengen da zu looßen
Ihren Kindern, ach, zum Falle.
So fand sie Tristan Alle
Niederknieend zum Gebete,
Denn ein Jeder bat und flehte
Ohne Scham und unverborgen,
Laut weinend in den Sorgen,
Mit inniglichen Schmerzen
Des Leibes und der Herzen,
Daß ihm Gott der milde
Beschirme und beschilde
Seinen Adel und sein Kind.
Wie sie so im Beten sind,
Kommt Tristan hergegangen.
Wie ward er da empfangen?
Das sag ich euch, der Wahrheit nach:
Tristan ward an diesem Tag
Unter alle dem Gesinde
Von keinem Mutterkinde,
Auch Marken nicht, mit Grüßen
Empfangen also süßen,
Als er doch sicher wäre
Ohne dieses Leid, das schwere.
Des nahm nun Tristan wenig wahr;
Doch trat er kecklich vor die Schar,
Der man die Looße zog und las,
Wo Morold und Marke saß,
»Ihr Herren«, sprach er allzumal,
»Wie ihr auch heißt in diesem Saal,
Die hieher zum Looße laufen,
Ihre edeln Kinder zu verkaufen:
Schämt ihr euch nicht der Schande,
Die durch euch geschieht dem Lande?
So mannhaft wie ihr allezeit
In allen Dingen wart und seid,
So solltet ihr euch selbst zugleich
Und dieses Land und euer Reich
Zu Ansehn bringen und zu Ehren
Und eure Ehren immer mehren;
Und wollt eure Freiheit nun,
Wie verzagte Wichte thun,
Euern Feinden vor die Füße legen
Und ihm schnöden Zins erlegen!
Und eure edeln Kindelein,
Die eure Wonne sollten sein,
Euer Lust und euer Leben,
Gebt und habt ihr hingegeben
Zu Schalken und zu Waisen,
Und könnt doch nicht erweisen,
Daß euch Noth dazu bezwinge.
Denn hier brauchts nicht andre Dinge
Als ein Zweikampf und ein Mann;
Andre Noth hats nie gethan.
Doch könnt ihr in dem ganzen Reich
Nicht Einen finden unter euch,
Der wider Einen Mann sein Leben
An die Wage wolle geben
Ob er bleibe oder siege.
Sei es auch, daß er erliege,
So mag doch wohl ein kurzer Tod
Und diese währende Noth
Im Himmel und auf Erden
Nicht gleich gewogen werden.
Geschieht es aber, daß er siegt
Und das Unrecht erliegt,
So ist ihm Ehr hienieden,
Dort Gottes Lohn beschieden.
Soll doch der Vater für sein Kind,
Da beide nur Ein Leben sind,
Das Leben geben. so wills Gott.
Der treibt mit Gottes Willen Spott,
Der