Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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Zwingherrn auszuliefern sinnt,

      Daß es in Knechtschaft schwebe

      Und er in Freiheit lebe.

      Soll Ich euch Rath zu euerm Leben

      Nach Gott und nach den Ehren geben,

      So dünkt michs beßer viel gethan,

      Ihr erwählt euch einen Mann,

      Wo man ihn immer finde

      Unter diesem Landgesinde,

      Der den Kampf nicht braucht zu meiden

      Und dem Glück es freistellt, zu entscheiden,

      Ob er siege oder falle:

      Den Kühnen bittet Alle,

      Um Gotteswillen allermeist,

      Und fleht, daß ihm der heilge Geist

      Glück und Ehre gebe,

      Auf daß er nicht erbebe

      Vor Morold, weil er stark und groß;

      Auf Gottes Macht vertrau er bloß,

      Denn der verließ noch keinen Mann,

      Der auf gerechte Dinge sann.

      So geht zu Rath denn schnelle,

      Berathet euch zur Stelle,

      Wie ihr die Schande von euch kehrt

      Und euch des Einen Manns erwehrt:

      Nehmt von Geburt und Adel

      So großer Schande Tadel.«

      »Ach«, sprachen Alle zu Tristan,

      »Viel anders stehts um diesen Mann,

      Vor dem kann Niemand gedeihn.«

      Tristan sprach: »Laßt die Rede sein.

      Gott zu Lieb besinnt euch noch:

      Seid ihr von Geburt ja doch

      Allen Köngen gleich entsproßen.

      Aller Kaiser Genoßen,

      Und wollt nun eure edeln Kinder,

      Die edel sind wie ihr, nicht minder,

      Verhandeln und verkaufen

      Und zu Eigenschalken taufen.

      Und mögt ihr Keinen eurer Mannen

      Hierzu erherzgen und ermannen,

      Daß er um eure Noth und Klage

      Und des Landes Schmach und Niederlage

      Kühnlich nach dem Rechte

      In Gottes Namen fechte

      Wider diesen Einen Mann,

      Und geruhet ihr alsdann

      Daß ihrs an Gott stellt und an mich,

      Fürwahr, ihr Herren, so will Ich

      Meine Jugend und mein Leben

      Mit Gott auf Abenteuer geben,

      Und euch zu lieb den Kampf bestehn.

      Gott laß ihn euch zu Gut ergehn

      Und helf euch noch zum Rechte.

      Geschieht es im Gefechte,

      Daß es mir am Glück gebricht,

      Das schadet euerm Rechte nicht.

      Find ich in dem Kampf den Tod,

      Damit ist euer Aller Noth

      Weder ab- noch angekehrt,

      Nicht gemindert noch gemehrt,

      Es steht noch wie es jetzo steht;

      Und ists, daß es zum Heil ergeht,

      Das kommt allein von Gotteswegen,

      Und Gott verdankt allein den Segen.

      Denn den ich soll bestehn allein,

      Der ist, so sagt man allgemein,

      So durch Muth und Leibeskraft

      In aller ernsten Ritterschaft

      Ein lange her bewährter Mann:

      Ich aber, dem nur erst heran

      Der Muth wächst und die Kräfte,

      Bin zu des Kampfs Geschäfte

      Noch nicht zu kürbar und so gut

      Als uns Noth wohl jetzo thut;

      Doch weiß ich im Gefechte

      An Gott und an dem Rechte

      Siegreiche Helfer bei mir stehn:

      Die solln mit mir zum Kampfe gehn.

      Auch hab ich willigen Muth,

      Der ist auch zum Kampfe gut:

      Und helfen mir nur diese drei,

      Wie unversucht ich anders sei,

      So hab ich guten Trost dazu,

      Daß mir der Eine Mann nichts thu.«

      »Herr«, sprach die ganze Ritterschaft,

      »Die heilige Gotteskraft,

      Die all die Welt geschaffen hat,

      Die vergelt euch Trost und Rath.

      Und der frohen Hoffnung Wahn,

      Die ihr uns habt aufgethan.

      Herr, laßt euch das Ende sagen:

      Unser Rath hat wenig Frucht getragen.

      Wollt unser Heil es uns gestatten,

      So viel wie wirs versucht schon hatten

      Und so oft als es begonnen ward,

      So blieb es nicht auf heut verspart.

      Wir haben nicht zu Einem Mal

      Allein, wir hier in Cornewal,

      Rath um unsre Noth gepflogen:

      Wir sind auf manchen Tag gezogen

      Und konnten, wie bedrängt wir sind,

      Doch Keinen finden, der sein Kind

      Nicht lieber wollt in Knechtschaft geben

      Als in den Tod das eigne Leben

      Im Kampf mit diesem Teufelsmann.«

      »Wie sprecht ihr also?« sprach Tristan,

      »Der Dinge sind doch viel geschehn:

      Man hat oft Wunder gesehn,

      Wie ungerechte Hochfahrt

      Durch kleine Kraft geniedert ward.

      Das möcht auch jetzt wohl noch geschehn,

      Wagt' es Einer zu bestehn.«

      Das hörte Morold all mit an:

      Da verdroß ihm mächtig, daß Tristan

      So eifrig nach dem Kampfe da

      Verlangte, der so kindisch sah,

      Und trug ihm drum im Herzen Haß.

      Tristan sprach jedoch fürbaß:

      »Ihr Herren alle, redet nun,

      Was ist euch lieb, daß ich soll thun?«

      »Herr«, sprachen Alle insgemein,

      »Möcht es immer also sein,

      Die Hoffnung, die ihr uns gemacht,

      Daß die würde vollbracht,

      So geschäh uns Allen nach Begehr.«