Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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Frauen sich mit Mären tragen,

      Gilt Alles vor Isolden nicht.

      Wer Isolden schaut ins Angesicht,

      Der fühlt geläutert Herz und Muth

      Wie die Glut dem Golde thut:

      Ihm wird erst werth das Leben.

      Beschämt wird Keine neben

      Isolden und vernichtet,

      Wie Mancher falsch berichtet:

      Ihre Schöne verschönt,

      Mit ihren Tugenden krönt

      Sie den Namen aller Frauen;

      Man soll nicht neidisch nach ihr schauen.

      XII. Brautwerbung.

      Was da Tristan gesagt

      Hatte von der schönen Magd,

      Der wonnigen auf Irenland,

      Wie er es selber empfand –

      Wer da in dem Kreise saß

      Und in sein Herz die Worte las,

      Dem versüßt' es sein Gemüthe

      Wie des Maien Thau die Blüthe:

      Sie gewannen Alle frohen Muth.

      Tristan, der Jüngling wohlgemuth,

      Begann nun wieder aufzuleben:

      Das Leben war ihm neu gegeben,

      Er war ein neugeborner Mann.

      Er fieng erst zu genießen an,

      Man sah ihn freudig immerdar.

      Der Hof und auch der König war

      Zu seinem Willen bereit,

      Bis sich der verworfne Neid,

      Der geschäftig immer sinnt

      Wie er neue Tücke spinnt,

      An den Herrn begann zu üben

      Und Vielen zu trüben

      Den Muth und auch die Sitten,

      Daß sie es ungern litten

      Wie der Hof ihn ehrte

      Und seine Ehre mehrte

      Zugleich mit Land und Leuten.

      Sie begannen zu missdeuten

      Sein Glück in allen Dingen,

      Ihn ins Geschrei zu bringen,

      Als ob er Zauber triebe.

      Wie er dem Land zu Liebe

      Morolden, ihren Feind, bezwang,

      Wie dann in Irland ihm gelang,

      Das Alles, gab man zu verstehen,

      Sei durch Zauber geschehen.

      »Seht selber«, hieß es, »all sein Wesen:

      Wie mocht er jemals genesen

      Vor dem starken Morold?

      Wie betrog er Isold,

      Jene weise Königin,

      Seine Todfeindin,

      Daß sie in den Büchern las

      Bis er durch ihre Hand genas?

      Seht das Wunder, schauet an,

      Der Betrüger, wie er kann

      Sehende Augen blenden

      Und Alles glücklich enden

      Was er nur zu enden hat!«

      Am Ende giengen sie zu Rath

      Als König Markes Räthe,

      Daß sie ihm früh und späte

      Mit Bitten anlagen,

      Daß er in alten Tagen

      Noch ein Weib sich nähme,

      Von der er Erben bekäme,

      Eine Tochter oder einen Sohn.

      Marke sprach: »Gott hatt uns schon

      Guten Erben gegeben:

      Laße Gott ihn lange leben,

      Tristan: so lang der leben soll,

      So lange kommt, das wißt ihr wohl,

      Nimmer Frau noch Königin

      An diesen Hof: das ist mein Sinn.«

      Hiemit ward noch des Haßes mehr

      Und mehr des Neides denn vorher,

      Den sie zu Tristan trugen,

      Daß bald die Flammen schlugen

      Hervor aus Manchem lichterloh.

      Sie mochten es nicht länger so

      Bergen in der Heimlichkeit

      Und boten ihm zu mancher Zeit

      Solche Worte und Geberden,

      Daß ihm bangte vor Gefährden,

      Denn er muste stäts besorgen,

      Daß sie heut oder morgen

      Den Rath zusammen trügen,

      Wie sie ihn mordlich schlügen.

      Da bat er seinen Oheim sehr,

      Daß er der Landesherrn Begehr

      Endlich nur vollbrächte

      Und Gott zu Lieb bedächte

      Seine Angst und seine Noth:

      Er wiße nicht, wann es sein Tod

      Noch und sein Ende wäre.«

      Da sprach auf solche Märe

      Sein Oheim: »Neffe Tristan,

      Schweig, ich denke nicht daran:

      Zum Erben will ich dich allein.

      Du sollst auch ohne Sorgen sein

      Um deinen Tod und um dein Leben:

      Ich will dir guten Frieden geben.

      All ihr Neiden, all ihr Haß,

      Lieber Gott, was schadet das?

      Haßen und Neiden

      Muß der Biedre leiden.

      Es erhöht des Mannes Werth,

      Wenn der Haß sich auf ihn kehrt.

      Werth und Neid, die beiden sind

      Wie die Mutter und ihr Kind,

      Denn der Werth gebiert allzeit

      Und führt mit sich Haß und Neid.

      Wen fallt der Haß auch lieber an

      Als einen würdigen Mann?

      »Leb immer und erstrebe, daß

      Du Einen Tag seist ohne Haß,

      Du erstrebst doch nimmer, daß

      Du leben mögest ohne Haß.

      »Doch willst du, daß dir wohl geschieht

      Von Bösen, so sing ihr Lied

      Und sei du auch ein Bösewicht,

      So haßen sie dich fürder nicht.

      Tristan, was man dir auch thu,

      Richte du dich nur dazu,

      Daß du hohen Muthes seist,