Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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sah sie wohl das Gift daran.

      »Ach, armer Spielmann«, hub sie an.

      »Von Gifte bist du also wund.«

      »Ich weiß nicht«, sprach des Kranken Mund:

      »Ich kann nicht wißen, was es sei;

      Doch da mir alle Arzenei

      Nicht helfen mag, daß ich entrinne,

      So weiß ich nicht was ich beginne

      Als daß ich mich Gott ergebe

      Und so lang ich möge, lebe.

      Wer aber Gnad an mir begeht,

      Da es so ängstlich um mich steht,

      Dem lohne Gott. Hülf ist mir Noth:

      Ich bin lebendgen Leibes todt.«

      Die Weise sprach ihm wieder zu:

      »Sag an, Spielmann, wie heißest du?«

      »Frau, ich heiße Tantris.«

      »Tantris, so wiße für gewiss,

      Daß meine Hand dich heilen soll.

      Sei fröhlich und gehab dich wohl,

      Ich selbst bin deine Ärztin.«

      »Dank dir, süße Königin:

      Deine Zunge grüne immer,

      Dein Herz ersterbe nimmer,

      Deine Weisheit möge ewig leben,

      Den Hülflosen Hülfe geben;

      Dein Name mög auf Erden

      Allzeit gefeiert werden.«

      »Tantris«, sprach zu ihm Isot,

      »Wärs dir möglich in der Noth,

      Da du so sehr entkräftet bist,

      Wie kein Wunder an dir ist,

      So hört ich gerne Harfenspiel;

      Des kannst du, hör ich sagen, viel.«

      »Nein, Herrin, sprechet also nicht:

      Wie sehr mir auch die Kraft gebricht,

      Doch thu und kann ich Alles wohl,

      Womit ich euch gefallen soll.«

      Nach seiner Harfe ward gesandt,

      Auch besandte man zuhand

      Die junge Königin Isot,

      Der Minne Siegel frisch und roth,

      Mit dem seitdem versiegelt

      Sein Herz ward und verriegelt

      Vor der Welt insgemein,

      Nur vor ihr nicht ganz allein.

      Als die Königin gekommen war,

      Da nahm sie fleißiglich wahr

      Wie Tristan saß am Harfenspiel.

      Da harft' er auch noch beßer viel

      Als er je zuvor gethan,

      Denn ihm verhieß ein lieber Wahn

      Seines Unheils baldges Ende.

      Er sang und harfte so behende,

      Nicht wie ein lebloser Mann.

      Er fieng es lebenskräftig an

      Und wie der Wohlgemuthe thut,

      Und macht' es vor den Zwein so gut

      Mit Händen und mit Munde,

      Daß er in kurzer Stunde

      Ihre Huld so völliglich gewann,

      Daß ihm ward, worauf er sann.

      Doch, wurden sie des Spieles froh

      Hier sowohl als anderswo,

      So blieb die leidge Wunde doch,

      Die so unerträglich roch,

      Daß vor der Widerwärtigkeit

      Niemand aushielt lange Zeit.

      Wieder sprach die Königin:

      »Tantris, kommt es erst dahin,

      Daß es also mit dir steht,

      Daß der Geruch an dir vergeht,

      Und Jemand bei dir bleiben kann,

      So befehl ich dir an

      Isolden hier, die junge Maid.

      Sie hat viel Müh verwandt und Zeit

      Auf Bücher und auf Saitenspiel,

      Und kann von beiden ziemlich viel.

      Gemäß der Zeit und kurzen Frist

      Die sie dabei gewesen ist:

      Hast du nun größre Meisterschaft

      In Kunst oder Wißenschaft

      Als ihr Meister oder ich,

      Die lehre sie, so freust du mich.

      Dafür will ich dir Leben

      Und Leib zu Lohne geben,

      Daß sie gesund und blühend sei'n:

      Das kann ich geben und verleihn,

      Beides steht in meiner Hand.«

      »Ja, ist es also bewandt«,

      Sprach der sieche Spielmann,

      »Daß ich mich also fristen kann,

      Und durch mein Spiel genesen soll,

      Ob Gott will, so genes ich wohl.

      Herrin, selge Königin,

      Wenn euch also der Sinn

      Steht, wie ihr mir habt gesagt,

      Und eurer Tochter, der Magd,

      So getrau ich wohl noch zu genesen.

      Der Bücher hab ich gelesen

      In solcher Maß und also viel,

      Daß ich mir getrauen will,

      Ich dien euch wohl zu Dank an ihr.

      Dazu so weiß ich auch an mir,

      Daß meines Alters kaum ein Mann

      Mehr edler Saitenspiele kann.

      Was sonst noch euer Wunsch geruht,

      So wie ihr mirs zu wißen thut

      Ist es alsobald gethan,

      Mich hindre denn die Unmacht dran.«

      Da beschied man ihm ein Kämmerlein

      Und schuf ihm alle Tage drein

      All das Gemach und all die Pflege,

      Die er nur wünschen mocht allwege.

      Nun sah er erst sich kommen

      Zu Statten und zu Frommen

      Die Klugheit, die er nach dem Streite

      Bewies, als er den Schild zur Seite

      Hieng und barg die Wunde,

      Daß sie nicht erkunde

      Das Volk der Iren allzumal,

      Bevor es schied von Cornewal:

      So konnten sie daheim mit Nichten,

      Daß er verwundet ward, berichten.

      Denn hätte man zu jener Zeit

      Erfahren, wie er schied vom Streit,

      So