Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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eilten ihm zu nahen,

      Obwohl sie Niemand sahen,

      Doch hörten sie von drüben her

      Süß, nach Wunsch und Begehr,

      Eine süße Harfe klingen

      Und zu der Harfe singen

      Einen Mann so süß und hold

      Als ob er sie begrüßen wollt:

      Ein freundlich Abenteuer!

      Sie saßen still am Steuer,

      Dieweil er ihnen harft und sang.

      Die Lust zwar währte schwerlich lang,

      Die erst sein Sang und Klang verhieß,

      Denn was er sie da hören ließ

      Mit Händen oder Munde,

      Das gieng ihm nicht vom Grunde:

      Denn sein Herz war nicht das dritte.

      Es ist bei diesem Spiel nicht Sitte,

      Daß es Einer lange thu,

      Es steh ihm denn das Herz dazu.

      Und spielt auch Einer noch so viel,

      So heißt es doch kein rechtes Spiel,

      Das man so außen hin nur thut

      Ohne Herz und ohne Muth.

      Die Jugend wars wohl dieses Mal,

      Die Tristanden befahl,

      Mit Mund und mit Händen

      Die Töne zu verschwenden;

      Dem Märtrer könnts in seiner Pein,

      Sonst nur Pein und Marter sein.

      Sobald er ab mit Spielen ließ,

      Der andre Kahn ihm näher stieß:

      Sie legten an sein Schifflein bei,

      Neugierig spähend, wer es sei.

      Betroffen nahmen sie es wahr,

      Wie fahl und bleich der Sänger war

      Und wie armselig sein Kleid.

      Sie trugen Leid mit seinem Leid,

      Da er doch mit Mund und Hand

      Die Kunst der Töne verstand,

      Und grüßten ihn, als einen Mann,

      Der guten Gruß verdienen kann,

      Mit Mund und mit Händen,

      Und baten den Elenden,

      Daß er ihnen Märe

      Sagte, Wer er wäre.

      »Das sag ich euch«, sprach Tristan:

      »Ich war ein höfscher Spielmann,

      Und konnte wohl zu meiner Zeit

      Kunst genug und Höfischkeit:

      Sprechen und Schweigen,

      Leiern und Geigen,

      Harfen und Rotten,

      Scherzen und Spotten,

      Das Alles konnt ich also wohl

      Als solchen Volkes Einer soll.

      Damit gewann ich so genug,

      Daß ich über die Schnüre schlug

      Und mehr gewinnen wollte

      Als ich besitzen sollte.

      Ich wollt ein Kaufmann sein: der Rath

      Ists, der mich verrathen hat.

      Einen Kaufmann hatt ich mir gesellt,

      Reich genug an Gut und Geld:

      Wir Zwei beluden einen Kiel

      Mit Allem, was uns wohlgefiel,

      Und fuhren von Hispanien

      Meerüber gen Britanien.

      Uns begegnet' aber auf dem Meer

      In einem Schiff ein Räuberheer:

      Das nahm uns Alles, groß und klein,

      Und erschlug den Kaufgefährten mein,

      Und Alles was lebendig war.

      Nur mich verschonten sie, obzwar

      An dieser Wunde fährlich krank:

      Das sag ich dieser Harfe Dank,

      Denn die gab ihnen Bericht

      (Ich selber auch verhehlt' es nicht),

      Ich sei ein Spielmann eigentlich.

      Mit großer Noth erbettelt' ich

      Von ihnen dieses Schifflein

      Und so viel Speise darein,

      Daß ich bis heute mochte leben.

      So must ich auf dem Meere schweben

      Mit Marter und mit großer Plage

      Wohl vierzig Nächt und vierzig Tage,

      Wohin die Winde mich schlugen

      Und die wilden Wellen trugen,

      Jetzo her und jetzo hin,

      Und kann nicht wißen, wo ich bin,

      Noch weniger, wohin ich soll.

      Nun thut, ihr Herr, an mir so wohl,

      Gott im Himmel wird es lohnen,

      Und helft mir hin, wo Leute wohnen.«

      »Geselle«, sprachen da die Boten,

      » Deiner süßen Stimm und deiner Noten

      Sollst du bei uns genießen,

      Auf dem Meer nicht länger fließen

      Ohne Trost und ohne Rath.

      Was dich auch hergewiesen hat,

      Gott oder Waßer oder Wind,

      Wir bringen dich, wo Leute sind.«

      Das thaten sie: sie führten ihn

      Und den Kahn auch mit sich hin

      Der Stadt zu, wie er sichs erbat,

      Banden das Schifflein ans Gestad

      Und sprachen zu ihm: »Sieh, Spielmann,

      Nimm wahr und sieh die Burg dir an

      Und diese schöne Stadt dabei.

      Weist du, welche Stadt es sei?«

      »Nein, Herr, ich weiß nicht was es ist.«

      »So sagen wir dir denn, du bist

      Zu Develin in Irland.«

      »Des lob ich meinen Heiland,

      Daß ich doch unter Leuten bin.

      Denn Jemand find ich wohl darin,

      Der ein gutes Werk an mir begeht

      Und mir als Arzt zur Seite steht.«

      Die Boten fuhren nun dahin

      Und huben an in Develin

      Von dieses Spielmanns Sachen

      Das Wunder groß zu machen.

      Sie sagten, ihnen wäre

      Gar seltsame Märe

      Widerfahren an dem Mann;

      Nach seinem Aussehn möge man

      Sich nimmer Des zu ihm versehn.

      Sie