Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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      Sie wusten auch, sein böses Heil

      Ward ihm in ihrem Dienst zu Theil:

      So mehr bedauerten sie ihn.

      Nun, Tristan fuhr noch rastlos hin,

      Ja schier über seine Macht

      So den Tag als die Nacht

      Den geraden Weg gen Irland,

      Wohin ihn seines Steurers Hand

      Gar wohl geleiten konnte.

      Als nun das Schiff begonnte

      Dem Ziele sich zu nahen,

      Daß sie das Land ersahen,

      Den Steurer bat da Tristan,

      Daß er auf die Hauptstadt an

      Lenke, gegen Develin,

      Wo die weise Königin

      Isot, wie er wohl wuste,

      Ihre Wohnung haben muste.

      Des Endes wandt er da den Kiel,

      Und kam so nahe bald dem Ziel,

      Daß er sie deutlich vor sich sah.

      »Seht, Herr!« sprach er zu Tristan da,

      »Ich seh die Stadt: was rathet ihr?«

      Da sprach Tristan: »So sollen wir

      Hier ankern und verbleiben,

      Den Abend hier vertreiben

      Und auch ein Theil der Nacht hier sein.«

      Da warfen sie den Anker ein

      Und ruhten sich den Abend dort.

      In der Nacht jedoch hieß er sie fort

      Fahren, auf die Hauptstadt an.

      Als auch das nun war gethan

      Und sie so nahe kamen,

      Daß sie den Standort nahmen

      Kaum von der Stadt halbmeilenweit,

      Da begehrte Tristan ein Kleid,

      Das allerärmlichste Gewand,

      Das sich in der Barke fand.

      Das eilte Tristan umzuthun

      Und ließ sich aus der Barke nun

      In das Schifflein bringen ganz allein

      Und ließ sich auch die Harfe drein

      Und so viel Speise geben,

      Daß er davon zu leben

      Drei Tage hätte oder mehr.

      Nun war nach seinem Begehr

      Dieß geschehen allzumal.

      Da berief er seinen Curvenal

      Und die Schiffer all mit ihm,

      Und sprach: »Freund Curvenal, nun nimm

      Das Schiff und all das Volk in Hut;

      Mir zu Lieb verpfleg es gut

      Immerdar wie sich gebührt,

      Und wenn euch Gott nach Hause führt

      Sei ihnen solcher Lohn bereit,

      Daß sie unsre Heimlichkeit

      Getreulich mit uns tragen

      Und Niemand hiervon sagen.

      Kehrt nun ohne Säumen heim.

      Grüße meinen Oheim

      Und thu ihm kund, daß ich noch lebe:

      Ich fänd auch wohl, so Gott es gebe,

      Noch ferner Leben und Gedeihn:

      Er soll' um mich nicht traurig sein.

      Sag ihm auch, daß ich fürwahr

      Heimkäme noch in diesem Jahr,

      So ich Genesung fände:

      Wenn mir das Heil erstände,

      Das macht' ich ihm alsbald bekannt.

      Dem Hofe sag und all dem Land,

      Ich hätt auf unsrer Fahrt den Tod

      Gefunden über dieser Noth.

      Mein Gesind, das ich noch habe dort,

      Laß nicht aus meinem Dienste fort:

      Sieh, daß sie meiner warten

      Bis sie die Zeit erharrten,

      Von der ich früher sagte.

      Doch wenn es Gott behagte,

      Daß dieses Jahr verliefe

      Und mein Heil noch immer schliefe,

      So dürft ihr mein euch wohl begeben:

      Befehlt den Geist dem ewgen Leben

      Und sucht das eigne Wohl zu wahren.

      Mit meinen Leuten magst du fahren

      Heim gen Parmenîe wieder;

      Da laß dich dann bei Rual nieder.

      Meinem lieben Vater sag von mir,

      Er solle deiner Treue dir

      Durch seine Treue lohnen,

      Dich bei ihm laßen wohnen

      Und ehren, wie er ehren kann.

      Sag auch dem getreuen Mann,

      Einer Bitte noch zuletzt

      Mög er mich gewähren jetzt:

      Die bisher in meinem Dienst sich mühten,

      Denen möcht er Müh und Zeit vergüten,

      Einem Jeden wie es billig sei.

      »Nun lieben Leute«, fügt' er bei,

      »Hiemit will ich euch Gott ergeben;

      Fahrt eures Wegs und laßt mich schweben.

      Ich muß auf diesen Pfaden

      Erharren Gottes Gnaden;

      So habt auch ihr Zeit, daß ihr fahrt

      Und Leib und Leben bewahrt:

      Sieh, es nahet schier dem Tage.«

      So zogen sie mit mancher Klage

      Und mit großem Jammer hin;

      Mit vielen Thränen ließ man ihn

      Schweben auf der wilden See.

      Ihnen that kein Scheiden je so weh.

      Ein jeglicher getreue Mann,

      Der je getreuen Freund gewann

      Und weiß, wie man den meinen soll

      In Treuen, der betrübt sich wohl

      Über Curvenals Beschwerde.

      Wie schwer ihm aber werde

      Und wie betrübt sein Herz und Sinn,

      So fuhr er doch des Weges hin.

      Tristan verblieb alleine dort

      Auf dem Meere schwebend fort und fort

      In Jammer und in Sorgen

      Bis an den lichten Morgen,

      Wo endlich Die von Develin

      Das steuerlose Schifflein ziehn

      Sahn, ein Spiel der Wellen.

      Sie sandten zwei Gesellen,

      Daß sie das Schifflein fiengen.

      Die