Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


Скачать книгу

eh sie hingekommen,

      Aus der Ferne vernommen

      Also süßen Harfenklang

      Und zu der Harfe solchen Klang,

      Gott möcht ihn gerne hören

      In seinen Himmelschören;

      Und sagten: »In dem Schifflein saß

      Ein armer Märtrer leichenblaß,

      Ein todwunder Spielmann:

      Geht hin, ihr seht es ihm wohl an,

      Er stirbt morgen oder heute noch,

      Und in der Marter hat er doch

      Sich so frischen Muth bewahrt,

      Wenn ihr durch alle Reiche fahrt,

      Ihr findet doch wohl nicht den zweiten,

      Der so viel Widerwärtigkeiten

      Erträgt mit so gelaßnem Sinn.«

      Nun, die Bürger eilten hin

      Und trieben mit Tristanden viel

      Gespräches, wie es eben fiel,

      Und fragten ihn die Kreuz und Quer:

      Und wie die Boten vorher

      Und mit denselben Reden

      Beschied er einen Jeden.

      Auf ihre Bitte harft' er ihnen,

      Und fliß sich Jeglichem zu dienen

      Und zu thun, was man ihn hieß;

      Mit gutem Willen that er dieß,

      Und wie ers mocht erzielen

      Mit Singen oder Spielen,

      Ihre Gunst sich zu gewinnen,

      Das war sein Trachten und sein Sinnen.

      Und als der arme Spielmann

      Über seine Kraft begann

      In sein Harfen und sein Singen

      Süßigkeit zu bringen,

      Da must er sie erbarmen.

      Da ließen sie den Armen

      Aus seinem Schifflein tragen

      Und einem Arzte sagen,

      Daß er ihn zu sich nähme

      Und was ihm wohlbekäme,

      Damit sollt' er ihn letzen:

      Sie wollten ihm ersetzen

      Die Kosten, und die Müh bezahlen.

      Nun dieß geschah auch allzumalen;

      Doch als er ihn heimbrachte

      Und da zu heilen dachte

      Und Alles auf ihn wandte

      Was er nur wust und kannte,

      Da wollt es all nicht frommen.

      Diese Kunde ward vernommen

      In der ganzen Stadt zu Develin;

      Man sah sie scharenweise ziehn

      Und sein Ungemach beklagen.

      Nun geschahs in diesen Tagen,

      Daß ein Pfaffe zu ihm kam

      Und seine große Kunst vernahm

      Im Spielen und im Singen;

      Er selbst war in den Dingen

      Nicht so ohne Meisterschaft:

      Denn er versuchte seine Kraft

      An jeglichem Saitenspiel

      Und konnt auch fremder Sprachen viel.

      An Kunst und höfischem Fug

      Hatt er seiner Zeit genug

      Verwandt und allen feinen Sinn.

      Er war Isold, der Königin,

      Meister und ihr Ingesind

      Und hatte sie schon früh als Kind

      Gewitzigt nach Begehren

      In allen guten Lehren,

      Und manche fremde Wißenschaft

      Hatt ihr sein Unterricht verschafft.

      Auch lehrt' er ihre holde

      Tochter Isolde,

      Die erwünschteste Magd,

      Von der die Welt viel Wunder sagt

      Und von der auch diese Mären sind.

      Sie war ihr einziges Kind:

      Drum hatte sie von Anbeginn

      Auf sie verwendet Fleiß und Sinn,

      Daß sie mit Hand und Munde

      Erlerne gute Kunde;

      Die hatt er auch in seiner Pflege

      Und gab ihr Unterricht allwege

      In Büchern und im Saitenspiel.

      Als der an Tristan so viel Fug

      und höfsche Kunst ersah,

      Sein Ungemach erbarmt' ihn da

      Von ganzem Herzen inniglich.

      Da säumt' er auch nicht länger sich,

      Er gieng die Königin an

      Und sagt' ihr, wie ein Spielmann

      Bei einem Arzt verkehre,

      Der recht ein Märtrer wäre

      Und lebendgen Leibes todt

      Und doch so heiter in der Noth

      Und in allen Künsten auserkoren

      Wie je ein Mann vom Weib geboren.

      »Doch«, sprach er, »edle Königin,

      Brächt ichs mit Bitten doch dahin,

      Daß wir darauf gedächten,

      Wie wir dahin ihn brächten,

      Wohin ihr schicklich kämet

      Und das Wunder vernähmet,

      Daß ein sterbender Mann

      Noch so lieblich spielen kann

      Und süße Lieder singen,

      Und nichts doch will gelingen

      Was man zu seinem Heil ersinnt,

      Denn er ist des Todes Kind.

      Der Arzt, in dessen Haus er lag

      Und der sein pflag bis diesen Tag,

      Der hat ihn aufgegeben,

      Denn er fristet ihm das Leben

      Nicht mit allem Fleiß und Sinn.«

      »Sieh«, sprach die weise Königin,

      »Ich will den Kämmerlingen sagen

      (Kann er anders es vertragen,

      Wenn Hände ihn berühren

      Und von der Stelle führen),

      Daß man ihn zu uns bringe,

      Ob bei dem Stand der Dinge

      Vielleicht noch Hülfe fromme,

      Daß er zu Kräften komme.«

      Dieß ward gethan und dieß geschah.

      Als da die Königin ersah,

      Wie es um sein Übel stand,

      Und