solcher Vollkommenheit
In Wißen und Betragen
In des halben Jahres Tagen,
Daß von ihrer Seligkeit
Das Land erfüllt war weit und breit,
Und ihr Vater daran
Sich höchlich zu erfreun begann;
Auch die Mutter freut' es inniglich.
Nun fügt' es unterweilen sich,
Wenn ihr Vater fröhlich war,
Oder fremder Ritter Schar
Zu Hofe vor dem König saß,
Daß Isot in den Pallas
Vor ihrem Vater ward gesandt.
Was da der Schönen war bekannt
Von schöner Kunst und Höfischkeit,
Damit kürzte sie die Zeit
Ihm und dem ganzen Kreiß der Leute:
Denn womit sie ihren Vater freute,
Des freuten sie sich all zugleich.
Hoch und Nieder, Arm und Reich
Hatten an ihr beide
Eine selge Augenweide,
Der Ohren wie der Herzen Lust:
Außer- und innerhalb der Brust
War ihre Lust Isolde.
Die reine, die holde,
Sie schrieb und las, sie sang und spielte:
Der Andern Freude nur erzielte
Sie mit den Melodieen.
Sie fiedelt' ihre Stampenieen,
Ihre Leich' und fremden Nötelein,
Die nicht fremder konnten sein,
In französischer Weise
Sanz und St. Denis zu Preise;
Der Leiche wuste sie gar viel.
Ihr Leier- und ihr Harfenspiel
Schlug sie zu beiden Seiten hin
Mit den Händen blank wie Hermelin,
Daß alle Welt sie priese:
In Lut und in Thamise
Schlugen Frauenhände nie
Die Saiten süßer als sie.
La duze Isot la bele
Sang ihre Pastorele,
Ihr Rotruwansch, Rundate,
Schanzun, Refloit, Folate
Wohl und wohl und allzu wohl,
Denn viel der Herzen wurden voll
Mit sehnlichem Trachten:
Viel Trachten ward und Schmachten
Von ihrem Spiel hervorgebracht,
Und Gedanken wunderviel gedacht,
Wie ihr wohl wißet, daß geschieht,
Wo man ein solches Wunder sieht
Von Schönheit und von Höfischkeit
Wie an Isold der schönen Maid.
Wen soll ich ihr vergleichen,
Der schönen, wonnereichen,
Als der Sirenen eine,
Die mit dem Wundersteine
Die Kiele ziehen zu sich?
So zog Isolde, dünket mich,
Viel Herzen und Gedanken an,
Die sich sicher schon, o Wahn!
Deuchten gegen Liebesschlingen.
Auch sind wohl in Vergleich zu bringen
Kiel' ohne Anker auf der Flut,
Und der Männer loser Muth.
Selten wißen die Beiden
Sich des Wegs zu bescheiden,
Schweben so oft auf fremdem Meer:
Die Woge wirft sie hin und her
Mit Wanken und mit Schwanken.
Der Männer irrende Gedanken,
Sie möchten minnen ohne Ziel,
Wie ein ankerloser Kiel
Reist ohne Ziel der Reise.
Isot, die höfsche, weise,
Die junge süße Königin,
Zog also die Gedanken hin
Aus manches Herzens Schiffe,
Wie der Magnet zum Riffe
Die Barke bei Syrenensang.
Ihr Singen in die Herzen drang
Laut und offen durch das Ohr
Und heimlich durch der Augen Thor.
Jener offene Gesang,
Mit dem sie allerwärts bezwang,
Das war ihr süßes Singen,
Ihr sanftes Saitenklingen,
Das laut zu offnen Thoren
Durchs Königreich der Ohren
Nieder in die Herzen klang;
So war der heimliche Gesang
Ihre wunderbare Schöne,
Die mit bethörendem Getöne
Heimlich und verborgen sich
Durch der Augen Fenster schlich
In manches edeln Herzens Schrein
Und stellt' ihr Zaubernetz hinein,
Das die Gedanken zuhand
Fieng und mit Stricken band
Des Sehnens und sehnlicher Noth.
So ward die schöne Magd Isot
Seit sie in Tristans Lehre war
Gefördert in dem halben Jahr:
Rein und schön war nun ihr Muth
Und ihr Gebahren süß und gut.
Sie konnte fertig schönes Spiel,
Sie konnte Fertigkeiten viel,
Briefe und Schanzonen dichten,
Die Gedichte sauber schlichten,
Sie konnte schreiben und lesen.
Nun war auch Tristan genesen
Seines Übels ganz und gar,
Daß seine Farbe wieder klar
Und lauter ward sein Angesicht.
Da ließ von ihm die Sorge nicht,
Daß Einer aus dem Heere
Erkennte wer er wäre;
Und lag ihm stäts im Sinne,
Wie er es nun beginne,
Daß er Urlaub nähme
Und aus den Sorgen käme.
Er dachte, würden sie es innen,
Ihm möchten beide Königinnen
Schwerlich jemals Urlaub geben,
Und wuste also, daß sein Leben
Stäts in der Ungewissheit