wird vom StB dafür mehr als gut entlohnt. So bekommt Hans Morandell allein im ersten Jahr seiner Tätigkeit 1949 für seine Arbeit 38.216 Kronen, 582.000 Lire, 5.500 Schilling und 180 Dollar vom tschechischen Nachrichtendienst. In den Jahren danach steigt sein Einkommen noch einmal beträchtlich an. 1951 zahlt der StB an Morandell 30.339 Kronen, 3.360.000 Lire, 16.000 Schilling. 1.700 französische Franc und 4.335 Dollar. Bis April 1953 bekommt „Korsičan“ so insgesamt 1.301.590 Kronen.13 Umgerechnet sind das damals 17.354.533 italienische Lire, nach heutigem Wert rund 9.000 Euro. Das klingt nicht nach viel. In Wirklichkeit ist es aber sehr viel Geld. Das Durchschnittsgehalt eines italienischen Arbeiters liegt 1955 bei 43.000 Lire (22,20 Euro) im Monat. Damit wird klar, wie fürstlich die tschechoslowakische Staatssicherheit ihre Zuträger entlohnt.
Diese finanzielle Ausgestaltung erleichtert es Hans Morandell neue Zuträger anzuwerben. Immer wieder macht „Korsičan“ auch Vorschläge von Personen, die der StB anwerben soll. So liefert er genaue Lebensläufe des in Innsbruck wohnhaften Südtirolers Erwin Tomasini, des Nordtirolers Richard Wohlfarter oder des Pragers Gottfried Morawetz, der in Nordtirol im Exil lebt.14 Morandell versucht lange Zeit auch einen Mann anzuwerben, der in Südtirol eine politische Rolle spielt: Carlo Bernardo Zanetti ist der erste Landessekretär der Südtiroler Ablegers der Kommunistischen Partei, des Partito Comunista Italiano (PCI). Aus den Akten geht hervor, wie „Korsičan“ 1949/1950 Zanetti umwirbt und zur Mitarbeit gewinnen will. Am Ende scheitert die Anwerbung aber. Carlo Bernardo Zanetti ist in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet und darin wird auch klar, warum der Kommunist nicht auf das Angebot Morandells einsteigt.15
Bereits beim ersten Treffen mit dem StB in Znojmo macht „Korsičan“ den Vorschlag, beim nächsten Treffen einen engen Freund in die ČSR mitzubringen. Es handelt sich um Cesare Premi, am 29. Februar 1924 in Peri bei Verona geboren, in Bozen wohnhaft und von Beruf Geometer. Premi arbeitet vom September 1947 bis August 1948 in Kaolinfabriken in Karlsbad, zuerst als einfacher Arbeiter und später als Hilfsgeometer. „Korsičan“ erklärt seinem StB-Führungsoffizier, dass Premi sein Studium in Österreich fortsetzen möchte, aber nicht genug Geld dafür habe. Im StB-Dienstbericht über die Unterredung heißt es:
Nachdem ich den Agenten auf die Gefahren aufmerksam gemacht habe, die sich aus der Beteiligung eines Dritten ergeben, erklärte er, er sei überzeugt, dass dieser Kandidat ihn niemals verraten werde, weil er seit seiner Kindheit sein bester Freund ist.16
Der StB willigt ein, dass Cesare Premi mit „Korsičan“ in die ČSR kommt. Obwohl sich Morandell bemüht und Premi mehrmals zusagt, dauert es bis zum Sommer 1949, bis es dazu kommt. Hans Morandell und Cesare Premi reisen vom 11. bis 15. Juni 1949 nach Brünn. Dabei wirbt der StB auch Cesare Premi als Agenten und Kurier an und gibt ihm den Decknamen „Vandal“, auf Deutsch: „Vandale“.17 Obwohl „Korsičan“ sich in den Monaten danach immer wieder beim StB für „Vandal“ einsetzt, ist das Verhältnis von Beginn an angespannt. Das ganze Jahr 1949 versucht der StB über Morandell Kontakt zu Premi aufzunehmen. Dieser will aber nichts davon wissen. Er weigert sich auch, nochmals in die ČSR zu kommen. Cesare Premi arbeitet inzwischen als Geometer für die unter dem Faschismus eingerichtete Körperschaft „Ente Nazionale delle Tre Venezie“ und ist viel in Norditalien unterwegs. Erst im Sommer 1950 wird „Vandal“ dann wirklich tätig, liefert Berichte und erhält dafür auch Geld.
Hans Morandell alias „Korsičan“ hingegen weitet sein Einsatzgebiet sehr schnell auf Italien, die Schweiz und auch Jugoslawien aus. Der StB ist vor allem an Nachrichten aus dem militärischen Bereich interessiert: Truppenstärke, Bewaffnung, Pläne und Beschreibungen der militärischen Anlagen. Man übergibt Morandell einen Fotoapparat der Marke Leica, mit dem er zu den Berichten auch Fotos liefert. Finanziell bestens ausgestattet, beginnt Morandell für den StB in der Welt herumzureisen. So fährt er 1950 für einen Dienstauftrag in die Türkei und nach Griechenland, 1951 nach Norwegen, in den Iran und nach Syrien. 1952 schickt ihn der tschechoslowakische Nachrichtendienst nach Chile. Bei all diesen Reisen liefert „Korsičan“ Berichte über die Länder ab und wirbt Zuträger an. Bereits Anfang 1950 hat Morandell fixe Zuträger in Istanbul, Teheran, Athen und in Wien. Eine weitere Reise im Frühjahr 1951 führt ihn nach Jugoslawien, dabei lässt „Korsičan“ seine politischen Kontakte zu Friedl Volgger spielen. In seinem StB-Akt heißt es:
Der Agent erhielt am 20. Mai 1951 ein Visum für Jugoslawien. Er nutzte dafür die Gelegenheit der Reise seines Bekannten Volgger, des Mitglieds des italienischen Parlaments und Abgeordneten für die deutsche Minderheit in Tirol, nach Jugoslawien. Der Agent ist mit Volgger aus der Zeit bekannt, als er als Sekretär in der SVP arbeitete.18
Morandell besucht auf dieser Reise zusammen mit Friedl Volgger in Laibach Professor Bogdan Novak, der mit Volgger zusammen im KZ Dachau interniert war. Ebenso treffen die beiden das Belgrader Regierungsmitglied Drago Marušič. Die Informationen über die Gespräche landen keine zehn Tage später bei der tschechoslowakischen Staatssicherheit.
Toter Briefkasten in der Taborstraße (Zeichnung aus dem Korsičan-Akt): Dokumente für den StB in Telefonzelle hinterlegt.
Hans Morandell ist zu diesem Zeitpunkt längst hauptberuflich in der Schattenwelt der Geheimdienste angekommen. Offiziell studiert er immer noch, ab Herbst 1950 aber nicht mehr in Innsbruck, sondern in Wien. Der Wechsel gründet auch darin, dass der Weg aus der österreichischen Bundeshauptstadt in die Tschechoslowakei nicht so weit ist. Morandell hat sich zudem längst in Österreich eine Deckidentität zugelegt. Er operiert jetzt unter den Namen „Hans Waldner“ mit Wohnsitzen und Postfächern in Innsbruck, Salzburg und in Wien. Und weil zu häufige Reisen in die ČSR auffallen und der Grenzübertritt nicht ungefährlich ist, baut man ein System von sogenannten „toten Briefkästen“ auf, das Morandell und eine ganze Gruppe weiterer Agenten aus seinem Netzwerk nutzen. Ein toter Briefkasten ist ein öffentlicher Ort, an dem ein Agent unbemerkt Dokumente oder Nachrichten deponieren kann, die dann von einem Geheimdienstmann dort abgeholt werden. In den Prager Akten finden sich Dutzende ungelenke Zeichnungen solcher toter Briefkästen. Sie stellen Übergabeorte in Santiago de Chile, in Mailand oder in Wien dar. In der damals in vier Besatzungssektoren aufgeteilten österreichischen Hauptstadt operieren Hans Morandell und seine Kollegen vor allem im sowjetischen Sektor. Die toten Briefkästen werden im 2. Bezirk rund um den Praterstern eingerichtet, so etwa in einer öffentlichen Telefonzelle in der Taborstraße, im Augarten oder unter einer Bank an der Ausstellungsstraße im Wiener Prater.19 Wie man operativ vorgeht, lässt sich einem Schreiben des StB-Führungsoffiziers vom Sommer 1952 entnehmen, in dem er einem der Agenten genaue Vorgaben macht, wie Hans Morandell zum verabredeten Treffen nach Brünn kommen soll:
Material wird er keines mitnehmen. Das Material legt er in einen Koffer. Diesen Koffer übergibt er am 14. August 1952 in die Gepäckaufbewahrung am Nordwestbahnhof in Wien. Den Gepäckschein verschließt er in ein Kuvert und dieses legt er bis spätestens 21.00 Uhr desselben Tages in die ihm bekannte Telefonzelle. Wenn er bei mir eintrifft, wird das Material bereits hier vorliegen. Es ist ratsamer den Grenzübertritt ohne Material zu vollziehen.20
Diesen Rat befolgt „Korsičan“ aber nicht konsequent. Deshalb wird es schon wenig später zu einem gefährlichen Zwischenfall kommen. Als Hans Morandell seinen Lebensmittelpunkt nach Wien verlegt, übernimmt ein enger Verwandter seine Aufgabe in Innsbruck: Edgar Meininger ist ein Cousin Morandells. Meininger, am 12. Juni 1929 in Bozen geboren, lebt und studiert ebenfalls in Innsbruck. Offiziell angeworben wird der damals 22-jährige Student am 9. April 1951. Es ist Morandell, der seinen Vetter dem StB andient. Edgar Meininger erhält den Decknamen „Pedel“, was auf Slowakisch „Perle“ heißt.21 Wie bei fast allen StB-Informanten wird auch für ihn ein Code ausgemacht, der bei persönlichen Treffen gebraucht wird, sollten sich der Agentenführer und der Agent persönlich nicht kennen. Es ist ein kurzer aus Frage und Antwort festgelegter genauer Dialog, der schön bürokratisch in der Personalakte festgehalten wird. Im Fall von „Pedel“, ist es die Frage: „Ist ihr Onkel nicht bei der Post beschäftigt?“ Die richtige Antwort: „Nein, er ist ein Eisenbahner.“22
Weil