doch nur in einem Desaster enden, an dem höchstwahrscheinlich er wieder einmal schuld wäre.
Einzig das Schuldgefühl, das er seit Jahren mit sich herumtrug, ließ ihn sich bei Taylor für die Fahrt bedanken und aus dessen Auto aussteigen, bevor er das Hotel betrat. Wenn er sich nicht immer noch derart schuldig am Aus der Band fühlen würde, wäre er jetzt nicht hier, würde sich den Kopf zerbrechen und hätte auch nicht eine Hand, die sich anfühlte, als hätte er damit gegen eine Steinwand geschlagen.
Falls er den morgigen Auftritt nicht vergeigen wollte, sollte er seine Hand vermutlich kühlen, um noch in der Lage zu sein, Gitarre zu spielen.
Also betrat er erst sein Zimmer, griff dort nach dem Weinkühler und verließ gleich darauf wieder das Zimmer, um sich ein bisschen Eis aus der Eismaschine zu holen, die am Ende des Flurs stand.
„Veranstalten Sie eine Party, zu der ich nicht eingeladen wurde, Dean aus Oregon?“
Dean hob beim Klang der belustigten Stimme den Kopf und schaute über die Schulter. Nur ungefähr zwei Meter von seiner gebückten Position vor der Eismaschine entfernt stand die Frau, die er gestern Abend auf der Terrasse kennengelernt hatte, im Türrahmen zu ihrem Hotelzimmer und schaute ihm interessiert zu.
Sloane aus Boston.
Es war lange her, dass er ein so entspanntes und witziges Gespräch mit einer Frau geführt hatte. Noch viel länger war es her, dass er einer so wortgewandten, charmanten und schönen Frau gegenübergestanden hatte.
Nach seinem letzten Entzug vor acht Jahren war er einige Zeit komplett abstinent gewesen und hatte sich darauf konzentriert, sein Leben auf die richtige Spur zu bekommen. Kein Alkohol, keine Drogen und keine Frauen. Irgendwann war es schon so normal gewesen, Frauen und Dates zu meiden, dass er sich wie ein hoffnungsloser Anfänger benommen hatte, als er wieder damit begann, mit Frauen auszugehen.
Keines seiner Dates war von großem Erfolg gekrönt gewesen, was vermutlich auch damit zusammenhing, dass er früher nur mit Frauen ausgegangen war, um sie ins Bett zu bekommen. Er war nie auf der Suche nach der großen Liebe oder einer Beziehung gewesen, sondern nach Sex. Als Erwachsener mit einem geregelten Leben war er jedoch über den Punkt hinaus gewesen, durch die Gegend zu vögeln. Er hatte mehr gewollt und hatte einige hoffnungslose Dates hinter sich gebracht. Natürlich hatte er auch Sex mit seinen Dates gehabt. Nicht mit allen, aber mit genügend Frauen, um sagen zu können, dass ihm irgendetwas gefehlt hatte, wenn er mit ihnen schlief.
Was auch immer es war – ohne dieses Etwas hatte es sich beinahe schal angefühlt, mit den Frauen zu schlafen, mit denen er ausgegangen war.
Sein letztes Date war eine Grundschullehrerin namens Samantha gewesen, mit der er sich ein paarmal zum Essen verabredet hatte. Sie war niedlich, freundlich und absolut nicht sein Fall gewesen, denn das andauernde Geplapper über dieses und jenes hatte schnell angefangen, Dean zu nerven. Wenn man nichts zu sagen hatte, war es manchmal einfach besser, zu schweigen. Bevor es zwischen ihnen wirklich ernst werden konnte und bevor er in den Genuss hätte kommen können, ihre Unterwäsche aus nächster Nähe zu betrachten, hatte er die gute, alte Ausrede gebraucht, dass er sich in nächster Zeit auf seinen Job konzentrieren wollte. Damit war die Sache erledigt gewesen.
Anschließend hatte er keinen großen Drang verspürt, sich auf weitere Dates einzulassen.
Als er jedoch gestern Abend auf der Terrasse gestanden und sich mit Sloane unterhalten hatte, war zum ersten Mal seit über einem Jahr der Gedanke in ihm hochgekommen, wie es wäre, wenn er sich wieder mit Frauen traf. Wie es wohl wäre, sich mit einer Frau wie ihr zu treffen, die ihn zum Lächeln brachte und ihn sich fragen ließ, ob sich ihre dunkelblonden Locken unter seinen Fingern so weich anfühlen würden, wie sie aussahen.
Der Anblick ihres herzförmigen Gesichts, ihrer großen grünen Augen und ihres sanft geschwungenen Mundes war nach einem echten Scheißtag wie dem heutigen eine verdammt schöne Abwechslung.
„Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Sloane aus Boston“, entgegnete er leichthin und erhob sich mit seinem Weinkühler voller Eis, während er sich zu ihr umdrehte. „Eine Party steht für heute nicht auf meinem Plan.“
„Gut, dann muss ich ja auch nicht beleidigt sein, dass ich nicht eingeladen wurde“, antwortete sie vergnügt und lehnte sich gegen den Türrahmen, als wäre es völlig normal, mit einer Pyjamahose und einem winzigen Shirt bekleidet in einem Hotelflur zu stehen, dabei barfuß zu sein und sich mit einem Fremden zu unterhalten.
Dean wollte sie nicht allzu offensichtlich anstarren, dennoch konnte er gar nicht anders, als seinen Blick über sie gleiten zu lassen, wobei ihm nicht nur ihre dunkelrot lackierten Zehennägel auffielen, sondern auch die Tatsache, dass sie offenbar keinen BH unter ihrem Shirt trug.
Räuspernd versuchte er, sie und sich selbst davon abzulenken, worauf sein Blick gefallen war. Dean hielt es für angemessener, ihr in die Augen zu schauen, als er besorgt nachfragte: „Habe ich Sie gestört?“
„Nein, das haben Sie nicht“, beruhigte sie ihn und verschränkte die Arme vor der Brust, was nur dazu führte, dass ihre Brüste nach oben geschoben wurden. Verlockende Rundungen pressten sich gegen den dünnen Saum ihres Shirts, und Dean kam sich wie ein Triebtäter vor. „Ich schaue mir gerade eine Folge Designated Survivor an, was an und für sich schon eine ziemliche Zeitverschwendung ist, schließlich kenne ich bereits alle Folgen.“ Sie nickte in Richtung Eismaschine. „Aber tatsächlich sind Sie der einzige Hotelgast, der seit gestern diese Eismaschine bedient. Und da ich das Geräusch nicht kannte, wollte ich nachschauen, was es zu bedeuten hatte.“
Dean musste sich anstrengen, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte, und wollte gerade eine Entgegnung von sich geben, als ihr Blick auf seine rechte Hand fiel. Augenblicklich verschwand das amüsierte Lächeln von ihrem Gesicht.
„Scheiße, Sie sind ja verletzt.“
„Nicht der Rede wert“, wehrte er ab und konnte nur stumm zusehen, wie sie die wenigen Schritte zu ihm überwand und seine Hand in ihre nahm, um sie zu begutachten.
Ganz automatisch hielt er den Atem an und starrte auf ihren Scheitel, während sie sich über seine Hand beugte und diese in ihrer eigenen hielt. Vorsichtig strich sie über seine aufgeschürfte Haut und streichelte sanft über seinen Handrücken. Nichts hatte sich jemals besser angefühlt.
Diese simple Berührung brachte Dean völlig aus dem Konzept.
Durch seinen Kopf hallte sein eigener Herzschlag schwer und laut wie ein Bass, und seine Kehle wurde trocken, sobald er ihren lieblichen Duft in sich aufnahm. Dazu kamen ihre weichen Hände, die ganz anders als seine eigenen waren. Durch seine Arbeit und durch jahrelanges Spielen auf der Gitarre waren seine Finger rau und hart geworden, aber ihre Hände waren weich und zart und fühlten sich einfach fantastisch an.
Es war lange her, dass eine Frau seine Hand in ihrer gehalten und sich besorgt um ihn gezeigt hatte.
Von unten sah sie zu ihm auf und zwinkerte. „Soll ich fragen, was passiert ist?“
„Lieber nicht.“ Dean schnitt eine leichte Grimasse und fragte sich, ob er seine Hand wegziehen sollte.
Das ließ Sloane jedoch nicht zu, weil sie seine Hand fest in ihrer hielt. „Die Wunde sollte gesäubert und desinfiziert werden.“
So schlimm war es nun auch wieder nicht, fand Dean, der in seinem bisherigen Leben schon sehr viel ernstere Verletzungen nach einer Prügelei davongetragen und diese nicht versorgt hatte.
„Das ist nicht nötig“, murmelte er daher. „Ich werde sie ein wenig kühlen. Das wird reichen.“
Sloane schüttelte diktatorisch den Kopf. „Wenn Sie nicht möchten, dass Ihre Hand morgen auf die dreifache Größe angeschwollen ist, sollten Sie auf mich hören.“ Und als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, zog sie ihn hinter sich her. „Kommen Sie mit. Ich habe alles hier, was wir brauchen, um Ihre Hand zu versorgen.“
Bevor Dean wusste, wie ihm geschah, befand er sich in ihrem Hotelzimmer und kam sich wie ein Eindringling vor, als er den offenen Koffer, den laufenden Fernseher und den Teller