dass das Redaktionskomitee ihm den Druck im Voraus bezahlte. Das Redaktionskomitee hatte aber gar nicht das Geld dafür, es hatte nur die Ideen, zuckte darum ratlos die Schultern. Dann treibt es auf!, knurrte Mitirisow ungnädig. Ansonsten erscheint Nummer zwo am Sankt Nimmerleinstag.
Das war sein letztes Wort.
Soso, das wäre aber doch sehr schade, schnaufte zuletzt Noah Markow, als die Sache ihm zugetragen wurde, stand kurz darauf vor Mitirisow, kaufte ihm, der vor Schreck wie gelähmt war, die Druckerei ab und gründete eine große Buchdruck- und Verlagsfirma, welche sich Technische Agentur & Druckerei25 Markow & Cie. zu K. nannte und zu deren Direktor er wiederum den überrumpelten und vollkommen verdatterten alten Mitirisow bestellte.
Alsbald wurde neueste Drucktechnik aus England und Deutschland herbeitransportiert und haufenweise schwere Kisten, in denen sich staunenswerte moderne Schriftgarnituren befanden sowie ein Clichograph, das erste Gerät seiner Art in K. überhaupt, mit dem sich vorzügliche Klischees fertigen ließen: aparte Fingerzeiger, Weinlaubvignetten und die sogenannte Goldne Ähre auf dem Feld26 zum Neujahrsfest, Ornamente mit viel Schnörkeln und Monogrammen, Schmuck für Hochzeitseinladungen und Werbeanzeigen. Die edlen, kupferglänzenden Klischees waren federleicht, weil ihre Holzträger hohl waren, zugleich aber bruchsicher und ewig haltbar. Sie kamen sogleich für die zweite Nummer des Knüppel aus dem Sack zum Einsatz, welche in technischer Hinsicht die kühnsten Träume und Erwartungen des Redaktionskomitees übertraf. Noch vor Einbruch der Dämmerung war die Auflage in aller unfassbaren Höhe von fünfzehntausend Exemplaren komplett verkauft und versandt.
Außerdem liefen in K. die Vorbereitung zur Herausgabe eines neuen, freigeistigen und vollkommen unabhängigen Journals, als Monatsbeilage zur Freien Tribüne gedacht. Synonym sollte es heißen. Mitirisow, der seine gute Laune wiedergefunden hatte, sprang aufgeregt um Noah Markow herum und flüsterte ihm unerhörte verlegerische und buchdruckerische Einfälle ins Ohr; dieser wiederum zog seine Bilanzbücher zu Rate und wollte nichts versprechen, aber auch nichts von den leidenschaftlich vorgetragenen Phantasien des mit Druckerschwärze bekleckerten alten Mannes von vornherein abbiegen, sagte nur: Gut, gut, Herr Mitirisow; einfach so weitermachen, das Übrige findet sich! Bin schon dabei, Herr Markow, rief Herr Mitirisow händereibend, und später im Kaffeehaus Sliwen berichtete er mit vielen Ahs und Ohs, wie unerhört entschlossen Herr Noah Markow die Dinge doch anpacke, und alles aus patriotischer Philantropie.
8
EREIGNISSE VON HISTORISCHER TRAGWEITE
Unser K. wird in Ju. umbenannt – auf Erlass des Königs!
Dreitagefest der Gastlichkeit eröffnet
Dreitägige Kampagne mit vielen Gästen • Großversammlung zum Thema Umbenennung • Historische Quellen sprechen dafür • Offizielle Gäste aus Sofia begrüßen den Frieden in der Region • Brief des Ministerpräsidenten • Die Festivitäten dauern an • MEHR DARÜBER IN UNSERER KOMMENDEN AUSGABE!
Vollständige Hygienisierung von Ju. eingeleitet.
Pijtschew und Gudrehn: wer sind sie? – Moderne Wasserversorgung: Ein alter Traum wird Wirklichkeit!
Neue Bestimmung für Zeppelin-Hangar in Aussicht
Kann unsere Stadt zum Flughafen für Osteuropa werden? Worauf warten wir noch?
Die Ruhe, die in K. – zur tiefen Befriedigung aller – wieder eingekehrt war, hielt den ganzen August an, und auch der September 1923 begann bei trockenem, warmem Wetter beschaulich. Zwecks besserer Zusammenarbeit und Koordinierung bei der Ergreifung sich ins Nachbarland absetzender Räuber- und Terroristenbanden traf eine Garnisonsabordnung aus dem benachbarten türkischen Städtchen zur offiziellen Visite in K. ein. Im blendenden Schein vieler Magnesiumblitze schüttelten die Militärs einander ausgiebig und umständlich die Hände, salutierten immerzu und verursachten viel verwegenes krachledernes Geräusch. Bei den in freundschaftlicher Atmosphäre verlaufenden Gesprächen wurde beiderseits vollständige Übereinstimmung erzielt, Maßnahmen gemeinsamen Handelns wurden abgesteckt und unterzeichnet. Nach Abschluss der offiziellen Gespräche warteten unsere Offiziere vor ihren türkischen Kollegen mit einer Militärparade sowie einer Feuerwehrübung auf, und in der Harmonie gab es ein Bankett. Außerdem war das Volk in diesen Tagen zutiefst bewegt von der in der Freien Tribüne zum Ausdruck gebrachten, in jeder Hinsicht ergreifenden Dankbarkeit der Eltern jenes armen jungen Mannes, Nikifor Kowatschew, der im Juli in Eski Machle eines gewaltsamen Todes gestorben war. Sie hatten an den Direktionsrat der Spedition Balkanzug27 geschrieben, dass ihr toter Sohn in der Kanzlei der verehrten Compagnie diverse Waren in Koffern zur Aufbewahrung hinterlassen habe. Über den Verbleib der Ware wissen wir nicht, wo sie sich momentan gerade befindet, schrieben sie. Doch siehe da, der überaus gewissenhafte Kommissionär I. Todorow, sowie er von Nikifors tragischem Ende erfahren hatte, teilte ihnen telegraphisch nach Gabrowo mit, in seiner Firma seien die und die Gegenstände gelagert und stünden zur Abholung bereit. So dass die Ware in bestem Zustand übergeben wurde. Ganz K. staunte und zollte Beifall, bravo, hieß es von allen Seiten, wir hielten diesen Todorow für nun ja, aber nein!
Auch der Schutzmann Rustschow, Gandi, wurde wegen seines selbstlosen Verhaltens im Umgang mit dem verunfallten Papadopulos öffentlich belobigt und mit einer Geldprämie bedankt. Und schließlich wurde – eingedenk der gelungenen Befriedung extremistischer Umtriebe – mit persönlicher finanzieller Unterstützung von Major Leonkow, einem untadeligen Offizier neuen Typus, ein literarischer Almanach In memoriam erstellt und bei der Agentur Markow & Cie. gedruckt – gewidmet einem der Toten vom 26. März, Gedichte und Aufsätze beinhaltend, denen jedes Rachegelüst abging, im Gegenteil, die Werke waren erfüllt von frommer Andacht ob der unerforschlichen Wege des Schicksals und eines allzu vergänglichen Menschenlebens. Anfangs waren die Druckkosten noch nicht beisammen, doch verschiedene ehrenwerte Millionäre beglichen die Fehlsumme, indem sie für den edlen Zweck verschieden hohe Beträge von den Prämien abzweigten, die die Stadtverwaltung den Herren für ihren beispielhaft an den Tag gelegten Heroismus bei der Verfolgung der Räuber im Landkreis angewiesen hatte.
Der junge Mann verdiente diesen Almanach im Übrigen durchaus. Ein kluger, bescheidener Junge, Bestschüler, mit allzeit vorbildlichem Benehmen, engelsgleich; der Herrgott allein mochte wissen, was ihn am 26. März dazu getrieben hatte, sich der aufgewiegelten Anarchistenmeute zuzugesellen, wie es dazu kommen konnte, dass er sich ihrer Schnapsideen annahm und sie in seinem klugen Kopf bewegte. Purer Zufall, wie manche meinten.
Die Befriedung der Lage hatte einige weitere, für das wirtschaftliche Aufblühen und den sozialen Fortschritt in K. wie auch seine moralische Gesundung gedeihliche Folgen. Da war zunächst die Ankunft zweier namhafter Ingenieure aus Burgas, der Herren Pijtschew und Gudrehn, von denen letzterer Deutscher war, die ihre Dienste und Fertigkeiten in Bezug auf das Flussdilemma anboten. Ihr Plan sah vor, die alten, morschen Deiche abzutragen und an ihrer Stelle neue zu errichten, die, nach ihren Worten, den Ansprüchen des modernen Wasserbaus genügten. Außerdem, so sagten sie, bedürfen die gegenwärtig zwei stinkenden Flussarme der unverzüglichen Korrektur und ihre Ufer einer Befestigung aus Stein und Zement. Das würde der weiteren Hygienisierung der Stadt und ihrer sanitären Verträglichkeit nur bekommen. Die Freie Tribüne widmete dem glänzenden Projekt sogleich eine Extraausgabe mit eingehender Beschreibung. Die Ratsversammlung nahm den Vorschlag dankend an und verkündete bald darauf im Amtsblatt die Bedingungen der öffentlichen Ausschreibung betreffs der nötigen Lieferungen Holz, Bau- und sonstiger Materialien sowie anfallender Transportleistungen.
Auch die Arbeitsdienstpflicht28 erfuhr neue Belebung. Die unverzügliche Erstellung neuer Arbeitslosenregister wurde in die Wege geleitet, damit die betreffenden Personen neben den von den Ingenieuren gedungenen Lohnkräften zum Deichbau und zur Uferbefestigung herangezogen werden konnten; hierbei ließ sich gewiss der eine oder andere Lew verdienen.
Aufsehenerregend