Christo Karastojanow

Teufelszwirn


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da sind wir ganz einer Meinung, tatsächlich eine Zentralgestalt, das bestreitet ja keiner, wir fragen uns nur, wieso wir denn nicht imstande waren, uns rechtzeitig zusammenzusetzen und Einigkeit zu erzielen, um der doch sehr großen Menge von Leuten, die euch euer Brot abkaufen, die Strapazen zu ersparen? Denkt doch mal an die Frauen, meine Herren, insbesondere die schwangeren, die kleinen Kinder letzten Endes, denen ihre Mütter jetzt nicht mal ein Butterbrot schmieren können, das ist doch eine gewaltige Schikane für die breiten Massen, gleich zu solchen Maßnahmen zu greifen … Wie ist das letzten Endes möglich, meine Herren? Bedenkt, der liebe Gott schaut aufmerksam auf uns runter, glaubt nur nicht, dass er diese Herzlosigkeit ungestraft lässt!

      Was sollen wir mit euch an einem Tisch, wir wissen auch so, was zu tun ist, und der liebe Gott ist auf unserer Seite!, erwiderten die Bäcker patzig. Gut, dass ihr es sagt: dass ihr die Organe seid und wir mahlen das Mehl und backen das Brot, dass wir als Bäckersleute im Leben eine Hauptrolle spielen, das habt ihr nun auch begriffen, na fein. Aber was wir von euch wollen, ist nicht, dass ihr euch mit uns an einen Tisch setzt. Wir wollen nur das Eine von euch: dass ihr den verdammten Festpreis wieder abschafft, der uns das Fell über die Ohren zieht, fünf Lewa fürs Graubrot und sechs für ein weißes, das ist eine Schweinerei! Wann hat es das gegeben? Schafft diese mörderischen Preise ab, dann können wir weiterreden, und versucht nicht, uns ins Bockshorn zu jagen. Wir lassen uns nicht schrecken und bleiben hart.

      Aber meine Herren, mokierte sich die Gegenseite, wie könnt ihr etwas als Schweinerei bezeichnen, was die Regierung verfügt hat? Herr im Himmel, kommt zur Besinnung, ehe es zu spät ist, wir haben uns diese Festpreise schließlich nicht ausgedacht!

      Natürlich ist es eine Schweinerei, was sonst!, hielten die Bäcker dagegen. Was ihr da ausgeheckt habt von wegen Graubrot zu fünf und Weißbrot zu sechs Lewa, das ist eine ausgemachte Schweinerei ist das! Wann hat es das gegeben, dass eine Regierung die Preise deckelt. Und das nennt sich Ökonomie!

      Na fein!, rief der Bürgermeister irgendwann entrüstet, wenn das eine Schweinerei ist, dann ist es wohl keine Schweinerei, den Menschen ihr Brot vorzuenthalten?

      Ja sagt mal, ich darf doch sehr bitten!, wurde es nun auch dem Polizeidirektor zu bunt. Bildet euch nicht ein, dass ich den Gebrauch unflätiger Wörter in meiner Gegenwart dulde! Scherze dieser Art unterstreichen nur die Missachtung der Bevölkerung, die allen angeblich so am Herzen liegt! – Während er dies sagte, sah man Todor Peow hinter ihm den Stift zücken und mitschreiben.

      Jaja, am Herzen, von wegen!, blies der Bürgermeister ins selbe Horn. Sie wird nach Herzenslust schikaniert! Das Volk, das ihr befreien wollt, wird von euch ausgehungert!

      Was seid ihr bloß für Menschen, stellte er anschließend die Frage, die einen drohenden Unterton hatte, und fügte an: Die Gärtner sind vom selben Schlag wie ihr. Als die Stadt ihnen die privaten Brunnen versiegelte, damit der Fluss mehr Wasser kriegte, lagen sie uns mit ihrem Geschrei in den Ohren. Na schön, haben wir ihnen das Wasser gelassen, um des lieben Friedens willen, aber da fingen die Fleischer und die Gerber zu heulen an, weil nun der Fluss kein Wasser hatte. Das kommt, weil Gärtner, Fleischer und Gerber genau wie die Bäcker unerhörte Egoisten sind, jeder denkt nur ans Eigene, keinem will es in den Kopf, dass unsere Zeit Opfer verlangt! Von jedem einzelnen!

      Die Streikenden in ihrer Sturheit wurden abwechselnd rot und blass. Sieh an, riefen sie. Wenn Opfer verlangt seien, dann solle doch der Herr Bürgermeister getrost mit gutem Beispiel vorangehen, bei ihnen beiße er jedenfalls auf Granit. Der Polizeidirektor sah, dass den Sturköpfen mit bloßer Überzeugungskraft wohl nicht beizukommen war, brüllte auf sie ein, nestelte gar am Pistolenhalfter, schmiss sie aber zuletzt doch nur raus und schickte gleich ein paar Wachleute hinterher, die Bäckereien zu versiegeln. Auf seine Verantwortung, wie er sagte.

      Als die Bäcker sahen, dass die Wachleute ihre Backstuben versiegelten, bliesen sie die Backen auf und machten schleunigst wieder kehrt, stürmten in die Ratsstube und riefen: Was fällt euch ein! Das setzt der Willkür doch die Krone auf! Da sprach der Polizeidirektor zu ihnen mit eisiger Häme: Geht euch der Affenarsch jetzt auf Grundeis? Ihr elenden Tölpel! Redet hier von Schweinereien, und ich soll an mich halten. Dann streikt mal schön, ihr Amateur-Erpresser! Und wenn ihr meint, dass ihr genug gestreikt habt, könnt ihr wieder anklopfen!

      Von hier begaben sich die beiden Herren auf kürzestem Wege zum Garnisonschef, Oberstleutnant D., und baten ihn um Unterstützung: Es ging um die Genehmigung, die Garnisonsbäckerei für zivile Zwecke zu nutzen. Denn die Garnisonsbäckerei buk fünfzehn-, zwanzigtausend Brote am Tag, was für eine Stadt wie K. vollkommen ausreichte. Oberstleutnant D. hörte sie an mit aller soldatischen Großmut, zu der einer in diesen trüben Tagen fähig war, und als die beiden geendet hatten, legte er flink die Hand vor die Brust und sprach: Meine Herren, was gibt es da viel zu bereden! Ist das eine Frage? Wann immer Sie es wünschen, sind Sie im Schoße der Armee willkommen. Die respektlosen Provokationen der Journaille anlässlich der betrüblichen Vorfälle vom 26. März mögen vergessen sein, dies zum ersten. Zum zweiten freue ich mich, dass wir unsere gemeinsame Front wider das anarchistische, kommunistische und sonstige Räubergesindel erneuern. Hiermit verfüge ich: Die Armee ist Volkes Kind, sie ist eine Volksarmee, so wie das Volk in diesen Tagen gewissermaßen der Armee angehört. Die Bäckerei dieser Armee, meine Herren, steht zu Ihrer Verfügung. Und zwar unentgeltlich, meine Herren. Die Armee wird fürs erste die Kosten übernehmen, später werden wir uns als gute Bulgaren schon einig werden!

      Und es kam, wie die Kommunisten vorausgesagt hatten.

      Bürgermeister und Polizeidirektor tauschten mit Oberstleutnant D. einen majestätischen Händedruck, Todor Peow schrieb alles auf, und der Amtsdiener lief los, um sogleich mit feurigem, freudigem Trommelschlag in ganz K. die Kunde von der patriotischen Geste des Garnisonskommandanten zu verbreiten. Das Volk vernahm sie und stürzte Hals über Kopf zur Kavalleriekaserne, um sich dort brav anzustellen.

      Die Bäcker, vollkommen von den Socken, rannten erneut zum Bürgermeister, um zu fragen, was das nun wieder soll. Sag mal, Bürgermeister, riefen sie und waren ganz blass, jetzt hört sich doch alles auf! Was wir machen, nennst du Schweinerei, und wie sollen wir das jetzt bitte schön verstehen? Erst lässt du unsere Backstuben versiegeln, und nun setzt du uns das Messer an die Brust und lässt uns über die Klinge springen mit dieser verfluchten Militärbäckerei, wie stellt ihr euch vor, dass das jetzt weitergeht mit diesem blöden Streik, den wir gesetzlich durchführen als legales Mittel der politischen Auseinandersetzung, und hinter unserem Rücken wird die Stadt von den Militärs durchgefüttert, und wir sind angeschmiert!

      Bürgermeister und Polizeidirektor jedoch lachten ihnen nur ins Gesicht, und dann schlug der Bürgermeister mit der flachen Hand auf seinen Amtstisch, zeigte ihnen die Faust und sagte, so und so, wenn die Herren Streiktreiber und infamen Erpresser meinten, dass es sich um einen blöden Streik handelte und der Moment der falscheste dafür wäre, dann hätten sie den Nagel auf den Kopf getroffen, und der Polizeidirektor ergänzte düster, wer den Frieden nicht wolle, der müsse das Kriegsbeil ertragen, und jetzt würden sie einmal erleben, wie es sich anfühlt, als Bäcker nicht gebraucht zu werden …

      Und da den Streikenden der blanke Hohn um die Köpfe schlug, fassten sie sich an dieselben und waren außer sich, liefen los und beriefen eine neue Versammlung ein. Bei der war man nun nahe daran, sich gegenseitig die Augen auszukratzen, weil die Anarchosyndikalisten immer noch nicht klein beigeben wollten, stattdessen etwas vom siegreichen Ende palaverten und dass man keinen Millimeter zurückweichen dürfe, und die Armee werde es sowieso nicht lange durchhalten. Denn dies sei ihrer Meinung nach das letzte Aufgebot, alles bloß ein niederträchtiges Manöver, um die Gegner zu verschrecken, und so weiter, und so fort. Das Mehl, riefen sie, haben sie aus Kasal Agatsch und aus Jambol rangekarrt, beim nächsten Mal kriegen sie den blanken Arsch gezeigt, weshalb wir jetzt auf keinen Fall sang- und klanglos aufgeben dürfen, wir müssen dranbleiben! Dafür wurden sie von denen, die anderer Meinung waren, beschimpft: Ihr habt uns reingelegt, hieß es, der Streik muss sofort aufhören, und aufs bittere Ende scheißen wir. Nicht bittere, brüllten die anderen, siegreiche! – Auf das siegreiche scheißen wir ganz genauso. – Hosenscheißer seid ihr! – Ach was, schuld seid doch ihr, dass wir jetzt wie die letzten Idioten dastehen. Wie konnten wir nur auf euer anarchistisches Geblöke und diese dumme Agitation reinfallen! Wo hatten wir unseren Verstand? Euch