der Kommunistischen Partei, die natürlich auch da waren, abseits saßen und vornehm schwiegen, sich nur schadenfroh übers Kinn strichen.
Die da aber so eifrig gegen die Anarchisten wetterten, gingen, als sie sahen, dass die Kommunisten im Saal waren, auch gleich die Kommunisten an. Da schau!, riefen sie boshaft, die Kommunisten sind auch wieder da! Ihr seid ja beizeiten schlau gewesen! Viel zu schlau für unseren Geschmack! Woher habt ihr das mit der Garnisonsbäckerei gewusst, wenn man fragen darf?
Das konnte man sich doch wohl an fünf Fingern abzählen!, schnaubten die Kommunisten. Nur ein Blinder hat das nicht kommen sehen!
Passt nur auf, dass ihr nicht gleich blind werdet!, riefen die Bäcker aufgebracht. Wieso haben wir es nicht kommen sehen? Ihr habt es kommen sehen, wir aber nicht!
Ja, dann beißt euch mal schön selber in den Arsch!, erklärten die Kommunisten.
Da sprangen die Bäcker einer nach dem anderen auf und kündigten an, sie würden gleich morgen wieder backen, damit der Schwachsinn ein Ende hat und so weiter, worauf sie wütend ausspuckten und die Versammlung verließen, denn die konnte ihnen gestohlen bleiben.
In der Nacht ging dann die Bäckerei von Einem in Flammen auf.
Er war einer der Bäcker, die den Versammlungssaal wutentbrannt verlassen hatten. Die also den Streik brechen und ihr Brot zum von der Regierung vorgegebenen Preis verkaufen wollten – den Anarchisten zum Trotz. Doch siehe da, seine Bäckerei ging in Flammen auf und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Zwar kam Herrn Baruch Eshkenasis wackere Feuerwehrmannschaft schon fünf Minuten nach Ausrufung des Feueralarms mit rumpelnden Rädern und bimmelnden Glöckchen angerast. Fünf Minuten, das war nicht schlecht, aber zu spät, um noch etwas ausrichten zu können. Stumm umstanden die Leute das Feuer, die Gesichter wie geröstet von der Höllenhitze, weswegen sie die Köpfe halb abwandten, um sich die Nasen nicht zu verkokeln, zwinkernd sahen sie zu, wie der hölzerne Bau, wilde Funkengarben in den Himmel spuckend, mit wütendem Tosen, Krachen und düsterem Rumoren zügig herunterbrannte, barst und in sich zusammenstürzte …
Und als der Morgen graute, gab es am Ort des Geschehens keine Bäckerei mehr, nur der gemauerte Ofen ragte aus der Asche und den rauchenden Trümmern. Abseits stand der betroffene Backstubenbesitzer, verräuchert und schwarz wie die Nacht, vollkommen hilflos, und hörte sich mit großen Augen an, wie die von der Stadtverwaltung ihm schadenfroh auseinandersetzten, dass man leider gar nichts machen könne, habe er sich doch, obgleich durchaus geschädigt und betroffen, zum Zeitpunkt des Brandes im Streik befunden.
Vielleicht ein dummer Zufall, vielleicht eine Naturkatastrophe, oder es waren Räuber oder Terroristen beteiligt, alles möglich – so beschieden es ihm die Stadtverwalter. Nur machen könne man gar nichts.
So war die Lage, und jedenfalls wagte es nun kein Bäcker mehr, seinen Laden zu öffnen – die Drohung hatte gewirkt.
Nun aber geschah es, dass Noah Markow die Runde machte von einem mutlosen Bäcker zum nächsten, mit jedem unter vier Augen sprach und ihn zu überreden suchte, ihm sein Anwesen zu verkaufen … Anfangs sträubten sich die Bäcker – grantig und außerdem eingeschüchtert, wie sie waren. Noah Markow aber ließ nicht locker und sich immer wieder sehen, erhöhte behutsam sein Angebot, und man weiß nicht, was er ihnen einflüsterte, jedenfalls gaben die Bäcker peu à peu, einer nach dem anderen, nach. Bis zum Abend hatten bereits viere kapituliert (die, die der Brand und das ganze Drumherum am meisten entnervt hatte), und am Mittwoch Mittag überschrieben ihm weitere zwei ihr Geschäft.
Noah Markow seinerseits fand ohne Mühe interessierte Pächter, die die Arbeit in den erworbenen Bäckereien zu übernehmen und das Brot zu den neuen Festpreisen anzubieten – so seine strikte Verfügung – bereit waren.
Zur Hälfte waren es Flüchtlinge – manche aus der Gegend um Gjumurdshina19, nämlich aus Schaptschi, Atkjoi und Karakurdsheli – andere wieder aus Enidshe Wardar20 und den dortigen Dörfern. Finster dreinblickende, einsame Leute, die den Eindruck machten, als wären sie ausgeraubt worden. Enttäuscht und verunsichert am neuen Ort, wohin es sie verschlagen hatte in dieser verrückten Welt (nämlich aufgrund eines Vertrages, den Ministerpräsident Alexander Stambolijski persönlich im kalten November 1919 in Neuilly-sur-Seine vor den Toren von Paris unterschrieben hatte – worauf man ihm anbot, den Füller als Andenken zu behalten, während er in seiner ohnmächtigen Wut ihn am liebsten zerbrochen hätte, was er selbstverständlich nicht tat: »Schönes Andenken!«, schnaufte er statt dessen und warf den Füller auf den in angemessenem Schwarz bezogenen Tisch), sich begnügend mit dem Wenigen, was man ihnen in Bulgarien bot – ein mickriges Grundstück, ein bisschen schlechtes Baumaterial –, lebten sie deprimiert und trostlos dahin, auf die Gelegenheit eines günstigen kleinen Handels oder einer Aushilfe wartend, ein bisschen Hab und Gut und so weiter anzusparen, während die Sehnsucht nach den verlassenen Heimatgehöften jenseits des Sakars und der Rhodopen Tag und Nacht unter ihren gerunzelten dichten Brauen schmorte.
6
Und weiter ging es folgendermaßen: Noch am Dienstag bestieg Dantschew sein Automobil und kam ein weiters Mal von Burgas nach K. gefahren, um sich wütend zu erkundigen, was denn nun wieder los sei. Polizeidirektor und Bürgermeister eilten schwitzend und konfus herbei, während er erbost im Zimmer auf und ab ging; ihr Anblick erboste ihn nur noch mehr. Knöpft euch wenigstens ordentlich zu! brüllte er sie an, und sie blinzelten ergeben. Mit euch rede ich, ihr Blödiane!, rief Dantschew. Wie lange soll ich alle diese Skandale noch dulden? Was geht hier vor? Wer verbirgt sich hinter der Gruppe Schwarzer März? Wer sind diese unbekannten Subjekte? Was haben die dauernden Schießereien im Stadtpark am nahezu hellichten Tag zu besagen? Und wie kommen eure Bäcker darauf zu streiken, zu allem Überfluss? Wie konntet ihr das zulassen? … Der Idee mit der Garnisonsbäckerei zollte Dantschew ein Lob – prima Einfall! –, doch sprach er zugleich die Warnung aus, sollten sich die Bäcker ein zweites Mal hinter dem Rücken der Macht verschwören und zu streiken anfangen, dass er die Stadtoberen persönlich einlochen werde, zwei Tage bei Wasser ohne Brot, um sie hinterher zu fragen, ob sie es noch einmal wagen würden, das einfache Volk hungern zu lassen! Leute wie die an der Spitze von K. seien der Grund dafür, wenn Bulgarien vor dem Abgrund stehe, lästerte er, und es sei doch sehr beklagenswert, dass die Regierung bislang keine fähigeren Kader habe, auf die sie sich verlassen kann.
Schließlich winkte er ab und teilte verdrossen mit, nun habe auch noch Minister Dimo Kasassow eine Reise nach K. anberaumt. Seht mal zu, dass ihr eine ordentliche Figur macht! … – sprachs und fuhr wieder ab, finster und furchterweckend, wie man es von ihm gewohnt war. Während die Zurückbleibenden einmal tief durchatmeten und dann aufgescheucht hin- und herliefen, um den neuen hohen Gast angemessen zu empfangen.
Am meisten erfreut von der Nachricht war der Vorsteher des Post- und Telegraphenamtes Iwanow. Welch ein Glücksfall, meine Herren!, rief er aus. Das ist der Moment, wo sich ein neuer Klappenschrank für die Stadt abstauben ließe. Was der alte für ein Klapperschrank ist, wissen wir doch: ein Wrack und zu gar nichts mehr nutze!
Was diesen Fernsprechvermittlungsschrank anging, so hatte er Recht. Das Amt verfügte alles in allem über einhundert Nummern – private und öffentliche zusammengenommen. Dutzende Händler, Advokaten und andere Geschäftsleute in K. winselten tagtäglich um einen Anschluss. Heutzutage wollte beinahe jeder ein Telephon haben! Es war folglich überfällig, dass die Post- und Telegraphendirektion wenigstens noch weitere hundert Nummern lockermachte. Und Dimo Kasassow als ihr Minister konnte die entsprechende Verfügung treffen. Man musste nur die rechten Worte finden, es ihm zu erklären …
Gute Idee!, erwiderte der Bürgermeister. Wir führen ihn an Ort und Stelle, damit er sich von dem Missstand überzeugen kann – und dann soll er die Stirn haben abzulehnen!
Und er wies Iwanow an, im Vestibül des Postamtes die eben erschienene Schautafel Bulgarien hat sich erneuert mit den Porträts der neuen Minister aufzuhängen. Gute Idee!, fand nun seinerseits Iwanow und eilte hocherfreut zur Buchhandelsagentur Br. Kr. Pulew.
Der Bürgermeister berauschte sich unversehens an seinem Einfall und schickte Leute aus, die selbiges Plakat in großer Stückzahl erwerben und an sämtliche Inhaber von Gaststätten und Restaurants,