Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin


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den adaptiven Dekompressionsmodellen handelt es sich um Modelle, bei denen die Übersättigungstoleranzen im Verlauf des Tauchgangs an Umgebungsparameter angepasst werden, d. h., sie berücksichtigen unterschiedliche Umgebungsparameter für die Berechung der Dekompressionsvorschriften (Abb 4.14). Bei großer Kälte werden z. B. die Halbwertszeiten der entsprechenden Kompartimente verlängert, was einer reduzierten Durchblutung entspricht. Gleichzeitig werden bei vermehrter Arbeit unter Wasser die Halbwertzeiten der zugehörigen Kompartimente (Muskeln) verkürzt, um eine stärkere Durchblutung des Muskelgewebes zu simulieren.

      Abb. 4.14: Bei adaptiven Dekompressionsmodellen werden neben dem Sättigungsverhalten der Kompartimente Umgebungseinflüsse (äußere Einflüsse wie Wassertemperatur, Arbeitsleitung oder Tauchverhalten) herangezogen, um Halbwertzeiten und Übersättigungstoleranzen zu korrigieren und den Dekompressionsplan anzupassen (t = Zeit, p = Druck)

      Isobare Gegendiffusion

      Zwei verschiedene Inertgase (i. d. R. Helium/Stickstoff) diffundieren durch die gleiche Membran in unterschiedliche Richtungen. Dabei sind die jeweiligen Konzentrationsunterschiede für die einzelnen Gase entscheidend. Diffundieren die Gase mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, so kann der Effekt auftreten, dass das eine Gas sehr schnell in ein Kompartiment diffundiert, das andere bereits gelöste Gas aber nur langsam hinausdiffundiert und es in der Summe zu einer verstärkten Lösung von Gas kommt. Möglicherweise ist dieser Effekt Ursache für schwer erklärbare Dekompressionsschädigungen im Zusammenhang mit Mischgastauchen und den damit verbundenen Gaswechseln.

      Tipps für Tauchlehrer

      1. Die Tauchlehrer der meisten Ausbildungsorganisationen sind sich einig: Die Grenzen sicheren Sporttauchens liegen bei maximal 40 m.

      2. Ein „schlaues“ Tauchprofil führt rasch auf die größte Tiefe und von dort an nur noch aufwärts.

      3. Das Wissen um die Mikroblasen, die bei jedem Aufstieg unvermeidbar entstehen, sollten Jeden Taucher zu entsprechend kontrolliertem Austauchen motivieren.

      4. Ein Sicherheitsstopp für 3 min auf 5 m vermindert die Netto-Aufstiegsgeschwindigkeit in Oberflächennähe wirksam und sollte für jeden Tauchgang eingeplant werden.

      5. Die Verwendung von Tauchcomputern hilft, den Luftvorrat optimal zu nutzen und die Erlebniszeit unter Wasser zu maximieren. Sie verleitet aber allzu oft auch zu sorglosem und unselbstständigem Tauchen.

      6. Tauchcomputer können das Unfallrisiko beim Gerätetauchen vermindern, aber sie können Unfälle nicht verhindern. Die Rechenmodelle berücksichtigen nicht persönliche Risikofaktoren wie Kälte, Anstrengung, Dehydratation, Übergewicht, PFO, Tagesform etc.

      7. Der Tauchlehrer ist in der Verantwortung, den vernünftigen Umgang mit Tauchcomputern zu vermitteln. Wer jedoch nicht in die Lage versetzt wurde, seinen Tauchgang mit Tabelle und Taschenrechner zu planen, sollte auch mit Tauchcomputer nicht tauchen.

      8. Non-limit-Tauchen erhöht die Gefahr der Bildung „stiller“ Blasen in langsamen Geweben. Um das Risiko einer Dekompressionserkrankung zu vermindern, sollte die Urlaubs-/Einsatzplanung tauchfreie Tage vorsehen.

      Weiterführende Literatur ____________________________

      1. Bennet P, Elliot D: The physiology and medicine of diving, 5th edn. Saunders, Philadelphia, 2003

      2. Bühlmann AA, Völlm EB, Nussberger P: Tauchmedizin, 5. Aufl. Springer, Berlin, 2002

      3. Ehm OF, Hahn M, Wenzel J: Tauchen noch Sicherer – Leitfaden der Tauchmedizin für Sporttaucher, Berufstaucher und Ärzte, 8. Aufl. Müller Rüschlikon, Cham, 1999

      4. Lettnin HKJ: International textbook of mixed gas diving, 2nd edn. Best Publishing Company, Flagstaff, 2001

      5. Wienke BE: Basic decompression theory and application. Best Publishing Company, Flagstaff, 1991

      5 Aktuelle Trends aus der Dekompressionsforschung

       A. Salm

      Weltweit bewegen sich Menschen unter Wasser: als Forscher, Soldaten, Arbeiter in Fischfarmen oder Tunnelbauten, Retter, Polizisten und Freizeitsportler. Den größten Anteil machen die Freizeitsportler aus. In diesem Segment tummeln sich auch die so genannten „TEC“-Taucher. Die TEC-Taucher tauchen mit erweitertem Aufwand länger und tiefer und überschreiten somit die etablierten und dokumentierten Grenzen. Mit Begeisterung werden neue Gasmischungen ausprobiert, tiefe Wracks oder Höhlen erkundet. Die Elektronik wird leistungsfähiger, medizinische Diagnosemöglichkeiten verfeinert und die Kommunikation per Internet immer schneller und einfacher. All dies hat auch Auswirkungen auf die moderne Dekompressionsforschung. Im Grenzbereich zwischen halbwegs gesicherten Erkenntnissen und neuen Fragestellungen werden weltweit in den Labors der United States Navy, kanadischen Militärtauchern oder auch französischen Berufstauchern neue Methoden entwickelt, unbekannte Wege beschritten und altes Wissen in Frage gestellt.

      Dieses Kapitel versucht, hiervon einen ganz kleinen aktuellen Ausschnitt allgemein verständlich zu beschreiben. Natürlich bleiben präzise Formulierungen und ein komplexer mathematischer Formelapparat dabei auf der Strecke. Es soll hier aber die Neugier auf die gemeinsamen, globalen Anstrengungen der Techniker und Wissenschaftler geweckt und gleichzeitig neue Impulse für das eigene Tauchen gegeben werden. Für ein vertieftes Studium, zu kontroversen Diskussionen anregend, und über den Tellerrand der traditionellen Tauchausbildung hinausreichend, sind zahlreiche Referenzen gelistet.

      5.1 Prinzipielle Schwächen von Perfusionsalgorithmen bei einem oder zwei Inertgasen

      Perfusionsmodelle stützen sich für Luft/Nitrox sowie Heliox als Atemgase weltweit auf eine sehr große Datenbasis an protokollierten Tauchgängen im Freiwasser und in Druckkammern, sind mathematisch überschaubar und haben seit den Veröffentlichungen von Bühlmann et al. (2002) eine große Verbreitung in Tauchcomputern und den PC-Programmen (Desktop-Deco-Software) erfahren. Der Sicherheitsstandard für Luft/EAN- oder Heliox-Tauchgänge ist dementsprechend groß, die Parameter der zugehörigen Dekompressionsalgorithmen gut abgesichert. Der technische

      Kompaktinformation

      Atemgasbezeichnungen

      ■ Luft: Pressluft, normale Atemluft

      ■ Nitrox: oder auch: EAN (= enriched Air Nitrox): Gemisch mit 1 Inertgas (N2) mit Sauerstoff

      ■ Heliox: Gemisch mit 1 Inertgas (He) mit Sauerstoff

      ■ Trimix: Gemisch mit 2 Inertgasen (N2 und He) mit Sauerstoff

      ■ MOD: Maximum Operating Depth; dieJenige Tauchtiefe, bei der genau der maximal zulässige Sauerstoffteildruck (p02) herrscht

      Taucher, im Besonderen derjenige, der Mischgase mit Helium benutzt, neigt jedoch dazu, da er eben etwas tiefer/länger taucht, jenseits der gesicherten Einhüllenden zu planen und vergisst gerne die Grenzen der Modelle. Diese sind bereits ausführlich dargestellt (z. B. in Brubakk et al. 2003, S. 449 und 463) und betreffen u. a. die folgenden Punkte, die hier nur im Überblick und keineswegs erschöpfend dargestellt sind:

      ■ „Inertgas-Buchhaltung“, jeweils monoexponentiell für ein Kompartiment.

      ■ „Ereignislose“ Dekompression: nur die gelöste Gasphase wird berücksichtigt, keine freie Gasphase (Gasblasen).

      ■ Die Berechnung der Gasaufnahme und -abgabe erfolgt symmetrisch, d. h. mit den identischen Koeffizienten in den Exponentialtermen der Sättigungs-/Entsättigungsgleichungen (s. Abb 4.5).

      ■ Fehlende Berücksichtigung von Druckänderungen, die kurz gegen die schnellsten Halbwertszeiten sind. Durch die erwähnten Exponentialgleichungen wird ein elektronisches RC-Glied (Widerstand und Kondensator) simuliert. Dieses verhält sich wie ein „low pass“: ein Frequenzfilter, der nur die langsamen Frequenzen passieren lässt. Schnelle Vorgänge, wie Jo-Jo-Profile oder auch ApnoeProfile werden wirksam ausgefiltert (Hahn 1995).

      ■ Die Kompartimente sind alle parallel geschaltet (s. Abb 4.4). Die Serienschaltungen