Tantiemen aufzuspüren. Ich war der BMI schon bei der Ankunft in New York beigetreten, doch wusste nicht, dass man als Komponist und Verleger sogar einen Vorschuss auf die Tantiemen zukünftiger Verkäufe erhielt, hatte man erst einmal einen Erfolg erzielt. Als Marshall dann in meinem Namen bei der BMI anrief, forderte er für mich einen Vorschuss von 3.000 Dollar. Und so überbrachte mir ein Kurier den Scheck innerhalb von einer guten Stunde.
Ich hatte im vorhergehenden Jahr insgesamt nur 4.000 Dollar verdient. Als ich den Briefumschlag öffnete, hielt ich den „dicksten“ Scheck in meiner Hand, den ich bis dato je erhalten, geschweige denn gesehen hatte. Was in aller Welt sollte ich mit dem Geld machen? Ich dachte darüber nach und fällte eine Entscheidung. Ich würde einen Kombi anschaffen!
„Einen Kombi?“, rief Donald verblüfft und runzelte Stirn. „Hey, Mann, meinst du das ernst?“
Ich erklärte ihm den Plan. Mit dem Erfolg von „Watermelon Man“ begann ich über eine eigene Band nachzudenken, mit der ich rausfahren und den Song promoten könnte. Hätte ich aber eine eigene Band, bräuchte ich natürlich einen Wagen, um das Equipment zu den Gigs zu karren und wieder zurück. Das am effizienteste und vernünftigste Vehikel war ein Kombi.
Donald legte eine Hand auf meine Schulter und musterte mich eindringlich: „Herbie, hast du nie daran gedacht, dir einen Sportwagen zuzulegen?“
„Nein“, lautete meine knappe Antwort. Und das entsprach der Wahrheit. Mir war es niemals in den Sinn gekommen, Geld für einen Sportwagen auszugeben, was möglicherweise daran lag, dass ich nie auch nur annähernd so viel besessen hatte. Donald wusste, wie es sich anfühlte, mit einem schönen und teuren Schlitten durch New York zu brausen – auch wenn er nicht ihm, sondern seiner Freundin gehörte.
„Hör mal, es gibt da diesen neuen Wagen namens AC Cobra. Es ist das Straßenmodell eines Rennwagens, der sogar einen Ferrari ausgestochen hat.“ Er berichtete mir alles über den von Ford produzierten Cobra, das heißeste neue Geschoss, über das sich Autoliebhaber unterhielten. Am Broadway befand sich ein Showroom, und dort durfte man sogar eine Probefahrt machen. „Schau ihn dir mal an und überleg, ob du danach immer noch einen Kombi haben willst.“ Ich stimmte zu, mal einen Blick zu riskieren, obwohl der superschnelle Sportwagen nicht meinen Bedürfnissen entsprach.
Kurz darauf besuchte ich das Charles Kreisler Automotive und betrat den Ausstellungsraum. Einige Verkäufer saßen hinter einem großen Tisch, doch sie würdigten mich keines Blickes, als ich hereinkam. Besonders ein Typ schien mich um alles in der Welt ignorieren zu wollen. Ich lehnte mich schließlich über das Möbel und sprach ihn direkt an: „Entschuldigen Sie bitte. Sie haben doch einen Cobra hier.“ Er schaute mich immer noch nicht an, sondern deutete mit einer tippenden Fingerbewegung in Richtung des Autos.
Ich wusste, was er dachte: Dieser arme schwarze Kerl schnüffelt hier rum, doch er kann sich den Wagen überhaupt nicht leisten. Um fair zu bleiben: Ich war gerade erst dreiundzwanzig Jahre alt geworden und dort mit Jeans und Hemd, aber ohne Jackett aufgetaucht. Wahrscheinlich sah ich wie jemand aus, dessen Budget so ein schnittiges, teures Cabrio tatsächlich weit überstieg, doch es gab überhaupt keinen Grund, mich so geringschätzig zu behandeln. Als ich zum Wagen schlenderte, spürte ich regelrechte Hitzewellen.
Ich hatte mir noch nie einen fahrbaren Untersatz zugelegt und wusste somit nicht, auf was man achten musste. So umkreiste ich den Wagen, tippte vorsichtig mit dem Fuß gegen einen Reifen und bückte mich, um die Scheinwerfer zu inspizieren. Doch statt mich zu beruhigen, wurde ich wütender und wütender. Ich schlenderte zurück zum Schreibtisch des Verkäufers und sagte: „Mich interessiert der Cobra.“
Endlich blickte der Mann auf. „Wissen Sie, wie viel der Wagen kostet?“
„Yeah“, schnappte ich zurück. „Er kostet 6.000 Dollar, und ich werde ihn kaufen. Ich bringe Ihnen morgen das Geld in Cash.“ Ich raste innerlich. Mir war es in dem Moment egal, was ich kaufte – ich wollte es dem Kerl nur zeigen.
Am nächsten Tag fuhr ich mit Donald im Jaguar seiner Freundin zu dem Händler und betrat den Laden in einem schicken Sportmantel, mit dabei die 3.000 Dollar für die Anzahlung. Nun wurde ich natürlich von allen sehr zuvorkommend behandelt. Während ich den Papierkram unterschrieb, sah ich den großartigen Saxofonisten Jimmy Heath, der mit einigen mir bekannten Musikern den Broadway entlangspazierte. Als sie sahen, was hier gerade vor sich ging, zeigte sich auf ihren Gesichtern ein breites Grinsen, woraufhin sie rüberkamen, um sich den Schlitten anzusehen. Jimmy machte tatsächlich die erste Fahrt, denn ein Mechaniker fuhr mit ihm eine Runde um den Block, während ich die letzten Unterschriften unter die Verträge setzte – mit einem Lächeln im Gesicht.
Mir war es nur recht, dass Jimmy die erste Runde mit dem Mechaniker drehte, denn ehrlich gesagt hatte ich eine Höllenangst, den Cobra zu fahren.
Am Morgen hatte mich der Verkäufer schon zu einer kurzen Probefahrt mitgenommen, und ich konnte kaum glauben, wie schnell der Wagen war. Ich hatte zudem Bedenken, da die Kupplung wegen des Drehmoments des Motors hart ansprach. Den Papierkram hinter mich gebracht, warf mir Donald dann die Schlüssel des Jaguars zu, und ich gab ihm die des Cobra, damit er ihn für mich in die Bronx fuhr.
Ich hatte dort eine Garage angemietet. Die nächsten zwei Wochen ging ich ständig dorthin, setzte mich in den Wagen und tat so, als würde ich fahren. Ich übte mit der Gangschaltung, drückte mich in den Sitz und fühlt mich schließlich mutig genug für eine Spritztour.
Ich machte mir in der Anfangszeit große Sorgen vor eventuellen Kratzern oder Beulen, doch ironischerweise war es Donald, der den Wagen ungefähr sechs Wochen nach dem Kauf schrottete. Der Unfall war nicht seine Schuld und ich wiederum froh, dass ihm nichts zugestoßen war, doch es kostete eine ganze Stange Geld, ihn wieder zu reparieren.
Wie bereits die anderen Ratschläge Donalds – meine Kompositionen im eigenen Verlag zu publizieren und Mongo Santamaria „Watermelon Man“ vorzuspielen – erwies sich auch der Tipp zur Anschaffung des Cobra letztlich als finanziell lukrativ. Jahre später fand ich nämlich heraus, dass ich der Erste an der Ostküste gewesen war, der sich einen Cobra zugelegt hatte. Zudem war es der sechste der Produktionsreihe. Da die Modelle zwischenzeitlich unglaublich selten sind, hat sich der damalige Preis von exakt 5.825 Dollar um einiges vervielfacht.
Und: Ich besitze ihn immer noch.
Im Frühjahr 1963 hörte ich zum ersten Mal, dass Miles Davis nach mir Ausschau halte.
Miles hatte sein jüngstes Quintett aufgelöst, und ein Gerücht machte die Runde, dass er ein neues formieren wolle. Schon seit Mitte der Vierziger hatte er Platten gemacht und dabei mit einigen der besten Musiker gespielt oder als Leader agiert – Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Thelonious Monk, eine Liste, die sich lange fortsetzen lässt. Mitte der Fünfziger stellte er dann die Formation zusammen, die man als das „große Quintett“ kennt, das mit Musikern wie John Coltrane, dem Pianisten Red Garland, dem Bassisten Paul Chambers und Drummer Philly Joe Jones die Messlatte für den Post-Bebop sehr hoch legte. 1959 veröffentlichte er Kind Of Blue, eines der großartigsten Jazz-Alben aller Zeiten. Für seine musikalische Kunstfertigkeit und die rasiermesserscharfe Coolness, die ihn legendär gemacht hatten, kannte man ihn auch außerhalb der Welt des Jazz.
Ich hatte Miles schon einmal kurz getroffen, ungefähr ein Jahr zuvor. Donald betrachtete mich als seinen Schützling und wollte, dass Miles mich kennenlernte, woraufhin er ein Treffen in Davis’ Haus arrangierte. Als wir auf die Haustür zugingen, dachte ich nur noch: Scheiße! Ich werde Miles Davis treffen! Zweifellos war er mein Lieblingsmusiker, denn ich besaß all seine Platten. Mich verblüfften die Innovationen und die Abenteuerlust, die seine Soli kennzeichneten. Miles stand für alles, was ich im Jazz erreichen wollte, doch mit zweiundzwanzig Jahren konnte ich mir kaum vorstellen, es je so weit zu bringen.
Miles zu treffen, bedeutete für mich einen Nervenkitzel. Doch ihn interessierte anderes als der Austausch irgendwelcher Nettigkeiten. Ungefähr fünf Minuten nach meiner Ankunft schaute er mich an und sagte: „Spiel was.“ Und so setzte ich mich an das kleine im Wohnzimmer stehende