z. B. das – bisher fehlende – Gebot der Selbstlosigkeit (erst) zum 15.06.2021 satzungsmäßig verankert, ist die Körperschaft mit ihren gesamten Einkünften des Jahres 2021 (noch) körperschaftsteuerpflichtig.161 Auch ihr Grundbesitz unterliegt in 2021 (noch) der Grundsteuer – sofern nicht Begünstigungen zum Zuge kommen, die vom Gemeinnützigkeitsstatus unabhängig sind. Die Umsatzsteuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 UStG kann sie (bei monatlichen Voranmeldungen) ab Juni 2021 beanspruchen.
Wird andererseits eine bisher den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen entsprechende Satzung in steuerschädlicher Weise geändert, wirkt dies grundsätzlich gleichfalls nur für die Zukunft. Jedoch ist auch in diesem Falle § 60 Abs. 2 AO beachtlich.
Eine derartige Änderung z. B. zum 15.06.2021 bedeutet demgemäß (schon) volle Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerpflicht in 2021, aber (noch) volle Grundsteuerbefreiung in 2021. Die Umsatzsteuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 UStG kommt bis einschließlich Mai 2021 zum Zuge (bei monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen).
In allen Satzungen steuerbegünstigter Körperschaften sind schließlich die zentralen Erfordernisse des Gemeinnützigkeitsrechts, nämlich die Gebote der Selbstlosigkeit162, der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit zu verankern. Außerdem ist die in § 61 AO definierte sog. satzungsmäßige Vermögensbindung in der Satzung festzulegen.
Die nachfolgend zu erörternde gesetzliche Mustersatzung gibt entsprechende Regelungen vor.
2 Mustersatzung gemäß Anlage 1 zu § 60 AO
Nach § 60 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass schon aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind (sog. formelle Satzungsmäßigkeit).163 Die Festschreibung der Zwecke und der Art ihrer Verwirklichung hat die Funktion eines Buchnachweises.164
Unklarheiten im Zusammenhang mit der formellen Satzungsmäßigkeit gehen im Zweifel zu Lasten der Körperschaft.
Deshalb ist bei der Formulierung der Satzung insoweit größte Sorgfalt geboten.
Um Probleme mit der Formulierung von Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen165 frei-gemeinnütziger bzw. öffentlich-rechtlicher Träger möglichst auszuschalten, hatte die Finanzverwaltung schon seit langem eine Mustersatzung formuliert, die alle gemeinnützigkeitsrechtlich bedeutsamen Regelungen beinhaltete.
Seit dem 01.01.2009 muss bei der Abfassung jeder Satzung bzw. jedes Gesellschaftsvertrags eines steuerbegünstigten Krankenhausträgers die (gesetzliche) Mustersatzung gemäß Anl. 1 zu § 60 AO verwendet werden. Diese Mustersatzung hat Gesetzeskraft.166 Die gleiche Verpflichtung ergibt sich grundsätzlich bei jeder Satzungsänderung (ab dem 01.01.2009) bei bestehenden steuerbegünstigten Körperschaften, und zwar auch dann, wenn diese Änderung nur gering bzw. ohne steuerliche Relevanz sein sollte.167 Allerdings braucht eine bestehende Satzung nicht allein zur Anpassung an die Festlegungen in der Mustersatzung geändert zu werden.168
Sollten in (älteren) Satzungen – aus der Zeit bis zum 31.12.1976 – noch Verweise auf Vorschriften des (seit langem nicht mehr anzuwendenden) Steueranpassungsgesetzes bzw. der Gemeinnützigkeits-Verordnung enthalten sein, ist eine Änderung der Satzung allein deswegen (auch) nicht erforderlich; gleiches gilt für den Fall, dass in solchen (älteren) Satzungen das Wort »selbstlos« nicht verwandt wird.169
Die Notwendigkeit der Beachtung der (gesetzlichen) Mustersatzung ist durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008170 geschaffen worden. § 60 AO ist – als Anl. 1171 – eine Mustersatzung beigefügt, welche die Bestimmungen enthält, die aus steuerlichen Gründen notwendigerweise (und unverzichtbar) in der Satzung einer steuerbegünstigten Körperschaft enthalten sein müssen.
Diese steuerliche Mustersatzung trägt dabei nur den (steuerlichen bzw. gemeinnützigkeitsrechtlichen) Mindestanforderungen der Abgabenordnung Rechnung; sie berücksichtigt andere, z. B. vereins-, stiftungs- oder gesellschaftsrechtliche Gesichtspunkte, nicht.172
Nach dem Anwendungserlass zu § 60 AO muss eine Satzung die in der Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten, »soweit sie für die jeweilige Körperschaft im Einzelfall einschlägig sind.«173
Ob damit der Wortlaut der Mustersatzung verbindlich ist, die gesetzliche Mustersatzung also »Wort für Wort« zu übernehmen ist, war früher umstritten.174 Mit – rechtskräftigem – Urteil vom 28.07.2017 (4 K 917/6) hat das FG Hessen jedoch entschieden, dass die Mustersatzung »nicht Wort für Wort« übernommen werden« müsse; es genüge, so das FG, wenn die Satzung unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung die bezeichneten Festlegungen, nämlich die Verpflichtung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung förderungswürdiger Zwecke sowie die Verwendung des Begriffs »selbstlos« enthalte.175
In einer weiteren aktuellen – nicht rechtskräftigen176 – Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: 4 K 594/18) hat das FG Hessen seine o. g. Rechtsprechung weiter präzisiert. Insoweit hat das Gericht festgestellt, dass eine wörtliche Wiedergabe der in § 52 Abs. 2 AO genannten (gemeinnützigen) Zwecke in der Satzung nicht erforderlich sei; lediglich die Art der begehrten Steuerbegünstigung (z. B. »gemeinnützig«) müsse nach Auffassung des Gericht in der Satzung genannt sein; im Falle der Gemeinnützigkeit müsse, so das FG Hessen, durch die Satzung verbindlich zum Ausdruck kommen, dass und wie die Allgemeinheit in Gestalt eines Zweckes, der mit § 52 AO vereinbar ist, gefördert werden soll. In dem Urteilsfall war dies gegeben. Zudem ist das FG Hessen der Auffassung, dass § 60 Abs. 1 S. 2 AO, wonach die Satzung die »Festlegungen« der gesetzlichen Mustersatzung (Anl. 1 zu § 60 AO) enthalten muss, nur auf solche Satzungsbestimmungen anwendbar sei, die nach dem 31.12.2008 geändert werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof in dem Revisionsverfahren diese Rechtsauffassung bestätigt.
Ungeachtet dessen sollte in der Praxis gleichwohl darauf geachtet werden, insbesondere um (spätere) Diskussionen mit der Finanzverwaltung zu vermeiden, den Wortlaut der gesetzlichen Mustersatzung möglichst zu übernehmen bzw. etwaige Abweichungen von der Mustersatzung zuvor mit der zuständigen Finanzbehörde (informell) abzustimmen.
Losgelöst von der (möglichst) wortidentischen Verwendung der Formulierungen der Mustersatzung gemäß Anl. 1 zu § 60 AO sind allerdings – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – der Aufbau und die Reihenfolge der Satzungsbestimmungen änderbar.177
Vom Anwendungserlass zu § 60 AO ausdrücklich als mögliche – nicht: zwingende – Abweichungen vom Wortlaut der Mustersatzung anerkannt werden178