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Kirche


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dasselbe zu hören, dieselben Erfahrungen zu teilen, zu lernen, wie man andere gut kennenlernt, besonders auch die, mit denen man gerufen ist, später zusammenzuarbeiten. Das Theologische Zentrum von Poitiers, das für die Bildung zuständig ist, öffnet die meisten seiner Kurse für alle.

      Natürlich soll Formation, soll Ausbildung so genau wie möglich, so ernsthaft wie nur möglich sein. Trotzdem zielen wir aber nicht in erster Linie auf gelehrtes Wissen ab, sondern wir versuchen, so etwas wie eine Kunst im Leben des Glaubens zu entwickeln. Das impliziert eine Kohärenz des Glaubens, die nicht bloße Abfolge der Lehre von Gott ist, sondern ein organisches Ganzes. Das impliziert aber auch, dass wir uns mit der Intelligenz der Welt, in der wir leben, auseinandersetzen müssen, die Mentalitäten verstehen und die Entwicklungen in der Gesellschaft analysieren können. Glaube hat ja ganz klar auch mit dem Denken zu tun, aber vor allem und in erster Linie mit dem Leben.

      Und schließlich muss die Formation uns im Evangelium verwurzeln, muss das verbinden, was wir nur allzu oft trennen: Theologie, Pastoral und geistliches Leben. Das sind nicht drei entgegengesetzte Diskurse, sondern drei Realitäten, die sich gegenseitig befruchten.

      Konkret zusammengefasst: Wir zielen darauf ab, so etwas wie eine „Formation der Nähe“ zu verwirklichen. Wir gehen, meistens in kleineren Gruppen, dorthin, wo die Menschen leben. Mit ihnen schlagen wir das Evangelium auf, denken über die Haltung Jesu im jeweiligen Evangelium nach und darüber, wie uns das für unser heutiges Leben inspirieren kann. Wir versuchen, so etwas wie einen „freien Raum“ anzubieten – eine zeitliche Rückzugsmöglichkeit in einer Welt, die häufig von Aufgaben und Verpflichtungen überlastet ist.

      In diesem Kontext bemühen wir uns auch darum, die Dokumente des Konzils möglichst vielen bekannt zu machen und gemeinsam über die Rezeption des Konzils nachzudenken.

      Sicher ist diese Art der Formation sehr einfach: ein Abend im Monat auf die Dauer von einem oder zwei Jahren. Aber ich kann das ernsthafte Engagement jeder und jedes Einzelnen bezeugen und die Früchte, die sie bringen. Viele erzählen uns von ihrer Freude, dass sie ihre Glaubenserfahrung jetzt ins Wort bringen können, dass sie ins Innerste des Glaubens vorstoßen können. Sie sprechen von Befreiung, oft im Blick auf Kindheitserfahrungen und alte Erinnerungen an den Katechismus. Für die, die diese Ausbildung oder Schulung leiten, ist die Rede von der Befreiung wesentlich, denn sie entspricht der ersten Erfahrung der Hebräer, für die Gott vor allem der ist, der sie aus Ägypten befreit hat.

      1 Aus dem Französischen von Gabriele Viecens, Dipl.-Übersetzerin.

      2 Vgl. auch Eric Boone, Aus- und Weiterbildung in den örtlichen Gemeinden, in: Christian Hennecke, Dieter Tewes, Gabriele Viecens (Hg.), Kirche geht … Die Dynamik lokaler Kirchenentwicklungen, Würzburg 2013, 67–73.

       Estela Padilla

       „Ohne Vision verkümmert das Volk“ (Spr 29,18)1

       Wege zu einer gemeinsamen Visionsentwicklung

      Was ist eigentlich eine Vision? Und warum ist es so wesentlich, mit einer Vision auf dem Weg zu sein? Und schließlich: Warum reicht es nicht aus, dass jemand eine Vision hat, die er dann versucht umzusetzen? Warum braucht es vielmehr eine Vision, die in ihrem Werden und in ihrer Umsetzung von möglichst vielen geteilt wird? Das sind die Fragen, die ich zunächst klären möchte, um dann in einem zweiten Teil die konkreten Schritte der gemeinsamen Visionsentwicklung darzustellen, wie wir sie auf den Philippinen an vielen Orten gestalten und durchführen.

       Die Bedeutung einer „gemeinsam geteilten Vision“ (shared vision)

      Es gibt natürlich verschiedene Versuche zu beschreiben, was eine Vision ist. Zwei Aspekte möchte ich unterstreichen: Zum einen ist eine Vision ein bewusstes Träumen darüber, wie man sich eine Zukunft vorstellt, die das eigene Leben wertvoller und sinnvoller macht. Zum anderen geht es um ein inneres Bild dieser sozusagen „erträumten“ Zukunft. So kann man eine Vision vielleicht vergleichen mit einem Werbeplakat in einem Reisebüro: Das Bild zeigt die paradiesische Landschaft, das Meer, die Berge eines Reiselandes – und will damit einladen, genau dorthin zu kommen. Eine Vision will also Sehnsucht und Energie wecken, um auf ein gewünschtes Ziel zuzugehen.

      Und genau deswegen ist eine Vision auch so wichtig. Ohne sie, so sagt das Buch der Sprichwörter (29,18), verkümmert eine Gemeinschaft. Sie verliert die Orientierung, sie dämmert vor sich hin – sie ist in einem Kreislauf ewiger Wiederholung und hat deswegen keine Energie für ein weitergehendes Ziel. Man kann sagen: Wenn man nicht mehr weiß, wohin man geht, wo das Ziel ist, dann ist es eigentlich egal, welchen Weg man nimmt. Mich beeindruckt deswegen der Satz der bekannten Amerikanerin Helen Keller, die selbst blind war. Als man sie fragte, was für sie schlimmer wäre, als blind zu sein, antwortete sie: „Was schlimmer ist, als blind zu sein? Sehen zu können, aber keine Vision zu haben“.

      Aber es reicht nicht, eine Vision zu haben. Es geht um mehr: Wir brauchen eine Vision, die von möglichst vielen Menschen geteilt wird. Das ist gar nicht so selbstverständlich. Einmal hörte ich einen Bischof sagen: „Das Bistum hat eine gemeinsame Vision, denn ich bringe meinen Leuten immer wieder und unaufhörlich meine Vision bei.“ Aber genau das ist nicht gemeint! Eine gemeinsam geteilte Vision ist eben keine mitgeteilte Vision, die man dann nur noch zu übernehmen braucht. Es geht um etwas anderes: Diese Vision will von allen geteilt werden, und dieses Teilen geht nur, wenn sie auch in allen und mit allen entsteht. Man sieht ja genau, dass es nicht funktioniert, wenn ein Pfarrer oder ein Bischof einfach seine Vision umsetzen will. Die Vision muss in den Menschen verwurzelt sein, und das geht nur, wenn sie die Vision der Leute ist – und sie sie gemeinsam entdecken und sich zu eigen machen können.

      Das gilt in besonderer Weise für die Kirche. Sie ist ja das Volk Gottes. Und eine Vision, die von den Menschen, von den Getauften her entsteht, aus ihrer alltäglichen kirchlichen Praxis heraus, gewissermaßen als von unten wachsende Ekklesiologie, wird sehr viel mehr den konkreten sozialen Kontext berücksichtigen und konkrete Antworten auf die konkreten Herausforderungen suchen (wie z. B. die Auswirkungen von Globalisierung, Pluralismus, Migration etc.).

      Und das ist in der Tat unsere Erfahrung: Nichts kann Menschen so stark verbinden und ihnen Energie geben wie eine wirklich geteilte Vision. Sie macht es möglich, dass große Dinge umgesetzt werden können. Denn die Vision ist dann die Energie hinter jeder Anstrengung und die zielgerichtete Kraft, die durch alle Anstrengungen hindurch wirkt. Das gelingt, weil die Menschen spüren: Es ist unser gemeinsames Ziel, wir sind wirklich die Protagonisten und „Eigner“ dieser Vision – und so gelingt ein Miteinander und eine Zusammenarbeit im Blick auf die Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels: Menschen fassen Mut für gemeinsame Initiativen, sie werden kreativ und versuchen neue Wege des Denkens. Sie lassen sich auf Experimente ein und sind auch bereit, Risiken auf sich zu nehmen. Mit einer gemeinsamen Vision werden alle Aktivitäten stimmig, die auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet sind – denn sie gründen in derselben Vision.

      Durch die geteilte Vision wächst ein gemeinsamer Fokus, und so entstehen Optionen und Prioritäten, die gemeinsam angegangen werden. Wenn man das große Zielbild versteht, dann gewinnen eben auch die eigenen Bemühungen einen größeren Sinn.