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Kirche


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des Lebens der ganzen Pfarrei führen. Eine solche Vision ist der Ausweg aus dem richtungslosen Aktivismus, der häufig zu einem Drehen um sich selbst wird, ohne irgendwelche Ergebnisse zu erzielen.

      Aber man muss unterscheiden zwischen Traum und Vision. Eine Vision hat ein konkretes Ziel, sie will umgesetzt werden und ist nicht unbestimmt. Sie ist verankert in der Wirklichkeit und wird damit ganz konkrete Zielvereinbarungen kennen. Träume sind wichtig, denn sie ermöglichen den Aufbruch, aber es ist mehr nötig, damit dieser Traum wirklich werden kann. Deswegen müssen Träume, um ernsthaft ihr visionäres Potenzial entfalten zu können, in der Wirklichkeit verwurzelt sein. Andernfalls werden sie sogar destruktiv – es sind dann Spinnereien, die uns fesseln mögen, aber nicht ins Handeln bringen.

       Leidenschaft – das wesentliche Merkmal visionärer Pastoral

      Oft haben Pfarreien, ja ganze Diözesen eine wirklich schöne Vision. Sie haben Leitbilder niedergelegt und veröffentlicht, die dann auch für die pastorale Planung benutzt werden – aber zuweilen werden sie dennoch nicht umgesetzt. Woran liegt das? Natürlich kann es Hunderte von Gründen geben, weswegen ein Leitbild keine Umsetzung findet. Vor allem liegt es oft daran, dass diese Visionen gar nicht wirklich gemeinsam gewachsen sind – und deswegen die Gemeinschaft der Gläubigen sie sich nicht zu eigen gemacht hat. Es kann auch daran liegen, dass die Leitung nicht glaubwürdig hinter dieser Vision steht. Es kann aber auch daran liegen, dass Strukturen fehlen oder nicht angemessen gestaltet sind, um diese Vision Fleisch werden zu lassen. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass die großen Ziele und Leitbilder nicht in umsetzbare kurzfristige Meilensteine umgemünzt werden. Und natürlich kann es auch daran liegen, dass einige Menschen, gerade auch aus der Leitung der Gemeinschaft, die Vision abtöten. Sofort fallen mir Beispiele ein: Da gibt es jene, die so gesättigt sind, dass sie sich gar nicht mehr auf den Weg machen wollen; es gibt die bekannte Gestalt des Bedenkenträgers, die ewigen Kritiker und auch jene, die das Misslingen vorhersagen. Hier gilt es achtsam zu sein und sich zu überlegen, wie man mit diesen Personen, die es immer und überall gibt, umgeht.

      Aber vielleicht der wichtigste Faktor ist in diesem Zusammenhang einer Vision und eines Leitbildes die Frage nach der Leidenschaft. Ohne Leidenschaft ist es unmöglich, eine Vision und ein Leitbild ins Leben zu bringen. Leidenschaft antwortet auf die Frage nach dem „Warum“! Warum haben wir eine Vision, ein Leitbild? Es ist die Leidenschaft, die uns letztlich eine Vision verfolgen lässt und die dann zur Umsetzung eines Leitbildes antreibt. Ja, Leidenschaft ist so etwas wie das Blut, die Energie und der „spirit“, der eine Vision und eine Sendung durchpulsen muss.

      Ohne Leidenschaft wird der ganze Weg, den wir auf ein Ziel zugehen, ein unglaublicher Kraftakt – und wir verwirklichen vielleicht einfach irgendein Projekt, irgendeinen Traum, der aber nicht unser eigener ist. Leidenschaft ist aber notwendig, denn eine Vision, die in ein Leitbild mündet, ist eine Herzensangelegenheit, und Leidenschaft ist das Herzblut, das man dafür gibt. Zuerst muss die Leidenschaft da sein, dann kann man eine Vision entfalten und sich auf einen Umsetzungsprozess einlassen.

      Solche Leidenschaft ist letztlich eine Leidenschaft für Jesus, eine Leidenschaft für Gott und sein Reich der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit – und also eine Leidenschaft all derer, die ihm folgen. Es geht also immer um das Reich Gottes, das Fleisch wird in der tiefen und ehrlichen Sehnsucht des Volkes nach einem guten und sinnvollen Leben, nach einer Richtung und Orientierung für das alltägliche Leben und zugleich um die tiefen Sehnsüchte, die in jedem Menschen eingewurzelt sind.

       Vision und Leitungsverantwortung

      Wer leitet, ist verantwortlich für die Vision der ihm anvertrauten Gemeinschaft. Er hat dafür zu sorgen, dass es eine Vision gibt, dass sie geteilt wird von möglichst vielen und dass sie ganz und in ihrer Tiefe verstanden wird. Dabei ist und bleibt klar: Es ist nicht allein Aufgabe der Verantwortlichen, eine Vision zu schaffen und die Gruppe zu Wandlungsprozessen herauszufordern. Aber wer Verantwortung trägt, ist vor allem der Ermöglicher dieses Visionsprozesses. Er bringt den Zündfunken, er feuert den Prozess an – aber es ist das Volk, das sich eine Vision zu eigen macht, und nicht der Verantwortliche. Nur dann kann eine Vision ins Leben kommen, nur dann können große Dinge umgesetzt werden. Selbst wenn die Leitung ganz enthusiastisch eine Vision verfolgen will – zuerst muss sie dafür sorgen, dass möglichst ein großer Teil der Leute sich die Vision zu eigen macht.

      Von daher können die Merkmale beschrieben werden, die es braucht, damit Leitungsverantwortung im Blick auf die Vision gut wahrgenommen werden kann: Verantwortliche müssen gute Zuhörer sein, um zu entdecken, was wirklich die Menschen leidenschaftlich bewegt. Sie müssen sehr lernbereit sein, um wirklich die Tragweite der sich abzeichnenden Vision zu entdecken. Sie sind in der Lage, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen, und verfügen über die Fähigkeit, die Ergebnisse der gemeinsamen Suche gut zusammenzufassen.

      Wie kann dann also eine solche Vision, die kraftvoll ist, entstehen? Ein sechsfacher Blick ist notwendig, damit Verantwortliche verantwortlich eine Vision entwickeln helfen:

      Der Blick nach innen: Was fühlen wir selbst, was ist unsere Sehnsucht und unser inneres Bild? Was will in uns geboren werden? Und wie viel Leidenschaft habe ich dafür?

      Der Blick nach hinten: Was haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Ohne das Lernen aus Erfahrungen bleiben Visionen ja purer Idealismus. Der eigene Erfahrungsschatz aber bürgt für Glaubwürdigkeit und ermöglicht, dass eine Vision angenommen und zu eigen wird. Daraus wächst die mögliche Umsetzung.

      Der Blick ins Umfeld: Was ist mit den anderen Mitmenschen? Sind sie bereit und offen für eine Vision? Wer zu weit nach vorne rennt, verliert den Einfluss auf einen gemeinsamen Weg.

      Der Blick nach vorne: Was ist das größere Bild? Was ist das große Ziel? Es geht nicht zuerst um Umsetzungsstrategien und Management.

      Der Blick nach oben: Welchen Weg will Gott mit uns gehen? Gott schenkt mir Gaben und ermöglicht so, dass ich mein Potenzial auslebe – als Geschenk für Gott.

      Der Blick zur Seite: Welche Ressourcen habe ich? Aber vor allem muss klar sein: Die größte Ressource und Kraftquelle ist das Volk Gottes.

       Gemeinsame Visionsentwicklung – die Erfahrung von Bukal Ng Tipan

      Auf diesem Hintergrund haben wir in Bukal Ng Tipan Werkzeuge und Methoden einer gemeinsamen Visionsentwicklung erarbeitet und führen sie in verschiedenen Diözesen Asiens durch. Wir beginnen mit den Diözesen, weil gerade die gemeinsam geteilte Vision einer ganzen Diözese eine Kontinuität pastoralen Arbeitens auch dann ermöglicht, wenn einzelne Pfarrer und Stelleninhaber wechseln. Uns geht es dabei darum, dass eine solche Vision auch immer Praxis wird, Handlung und konkrete Aktion – denn nur so kann sie inspirierend wirken und das Antlitz der Kirche vor Ort erneuern und verwandeln.

      Ein solcher Entwicklungsprozess artikuliert sich in mehreren Schritten, die in gebotener Kürze dargestellt werden sollen.

       Ein geistlicher Prozess

      Der Kirchenentwicklungsprozess einer Diözese beginnt mit einem geistlichen Bewusstwerdungsprozess: Der Bischof nimmt zusammen mit seinen Priestern an geistlichen Tagen teil. Hier geht es darum, ein gemeinsames Bewusstsein über den Iststand des Lebens in der Diözese zu erlangen. Dabei spielen sowohl die Stärken wie die Schwächen, die Verletzungen und die Highlights eine Rolle: Sie werden ausgesprochen und auch in eine Dynamik sakramentaler Versöhnung hineingenommen. Zentrale Frage ist aber das eigene und gemeinsame Bewusstsein über das Kirchenverständnis und das Leitungsverständnis und seine Spiritualität. Es sind wirklich Exerzitien in Gemeinschaft, die eine gemeinsame Sichtweise fördern und ermöglichen wollen. Am Ende dieser Tage können das Presbyterium und der Bischof gemeinsam überlegen, ob sie einen echten Kirchenentwicklungsprozess im Blick auf eine partizipative Kirche anstreben wollen. Erst wenn hier eine gemeinsame Option getroffen wird, kann der eigentliche Weg weitergeführt werden. Es kann auch einige Jahre dauern, bis eine Diözese hier eine gemeinsame Position gefunden