weiterentwickeln. Dies erfordert Fähigkeiten, die im Rahmen der wissenschaftlichen Qualifizierung zum Hochschullehrer kaum erworben werden können. Mit der Verlagerung von Kompetenzen auf die Leitungsebene geht außerdem ein Transparenzverlust einher, weil die Beratung der Entscheidungen nicht mehr (wie früher) in Kollegialorganen und damit zumindest eingeschränkt öffentlich stattfindet.[185] Transparenz fordert jedoch gerade die Funktion der Selbstverwaltung als Betroffenenpartizipation.
219
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in einem Urteil vom 7.5.2008 die Kompetenzen der gestärkten Hochschulleitung nach Art. 21 Abs. 7–13 des neuen BayHSchG als mit Art. 108 und 138 Abs. 2 BV vereinbar beurteilt.[186] Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit sei nicht erkennbar. Aus Art. 108 BV folge kein Anspruch des einzelnen Wissenschaftlers auf bestimmte Organisationsstrukturen, auf die Verfolgung bestimmter hochschulpolitischer Zielsetzungen o. Ä. Außerdem sehe Art. 3 Abs. 2 und 3 BayHSchG vor, dass Entscheidungen der Hochschulleitung in Fragen der Forschung und Lehre nur eingeschränkt möglich seien und die Wissenschaftsfreiheit nicht beeinträchtigen dürften. Damit lag der Gerichtshof ganz auf der im Brandenburg-Urteil vorgezeichneten Linie des BVerfG.
220
Ob der Gerichtshof bei Würdigung der aktuellen (2008 noch nicht ergangenen) Rechtsprechung des BVerfG zum gleichen Ergebnis gekommen wäre, ist zweifelhaft: Das BVerfG verlangt – wie bereits dargelegt (s.o. Rn. 201–208) –, dass je mehr die Hochschulleitung zu wissenschaftsrelevanten Entscheidungen ermächtigt wird, desto größer die Kontrollrechte des (mit Professorenmehrheit besetzten) Kollegialorgans sein müssen.[187] Problematisch ist insoweit zum einen, dass die Hochschulleitung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BayHSchG die Zielvereinbarungen mit dem Staat schließt, ohne dabei an ein Votum des Senats oder auch nur des Hochschulrats (letzterer ist nach Art. 26 Abs. 5 S. 2 BayHSchG lediglich anzuhören) gebunden zu sein.[188] Zum anderen kann der Präsident nach Art. 21 Abs. 3 BayHSchG nur mit einer Mehrheit von zwei Drittel der zwanzig Hochschulratsmitglieder, von denen nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayHSchG nur sechs Hochschullehrer sein müssen, abgewählt werden.[189]
221
Gegen eine Verfassungswidrigkeit des Organisationsmodells nach dem BayHSchG spricht andererseits, dass der Senat maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Hochschulrats hat (die Bestellung der nicht hochschulangehörigen Mitglieder bedarf nach Art. 26 Abs. 3 S. 1 BayHSchG seiner Bestätigung) und dass er in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für die Forschung beschließt (Art. 25 Abs. 3 Nr. 3 BayHSchG). Das letztere Recht kann im Lichte des Art. 108, 138 Abs. 2 S. 1 BV bzw. Art. 5 Abs. 3 GG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die Hochschulleitung an entsprechende Senatsbeschlüsse im Zweifel gebunden ist. Zu berücksichtigen ist außerdem die Rolle der Erweiterten Hochschulleitung (in dieser haben i.d.R. die ihrerseits nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 BayHSchG aus dem Kreis der Professoren vom mit Professorenmehrheit besetzten Fakultätsrat gewählten Dekane die Mehrheit)[190] bei der Steuerung der Hochschule nach Art. 24 BayHSchG. Die Erweiterte Hochschulleitung stellt insbesondere den Entwicklungsplan der Hochschule auf und berät und unterstützt die Hochschulleitung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.
bb) Hochschulrat
222
Hochschulräte sollen als vermittelnde Instanz zwischen Hochschulen und Staat fungieren.[191] Die mit der Neufassung des BayHSchG 2006 geschaffenen Hochschulräte an den bayerischen Hochschulen nehmen Kompetenzen war, die früher anderen Hochschulorganen (nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayHSchG ist der Hochschulrat ein Hochschulorgan) oder dem Staat oblagen wie z.B. den Beschluss der Grundordnung, die Wahl der Hochschulleitung und die Entwicklungsplanung. Sie setzen sich nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1–4, 26 Abs. 1 BayHSchG aus den gewählten Mitgliedern des jeweiligen Hochschulsenats und zehn der Hochschule nicht angehörenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und beruflicher Praxis zusammen. In der Literatur sind insbesondere die demokratische Legitimation der Hochschulräte sowie die Vereinbarkeit ihrer Kompetenzen mit der Wissenschaftsfreiheit umstritten.[192]
223
Beide Fragen waren 2008 Gegenstand einer Entscheidung des BayVerfGH. Der Gerichtshof hat den Hochschulrat, wie ihn das BayHSchG konstituiert, für verfassungskonform erachtet und den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Hochschulrechts betont.[193] Die Tatsache, dass im Hochschulrat die von der Hochschule entsandten Mitglieder nicht die Mehrheit hätten, sei unproblematisch, weil die Zusammensetzung jedenfalls keine Steuerung der Hochschule durch Externe zulasse.[194] Die externen Ratsmitglieder könnten sich wegen des ausgeglichenen Kräfteverhältnisses nicht gegenüber den Mitgliedern der Hochschule durchzusetzen. Eine Mehrheit der Professoren im Hochschulrat sei verzichtbar, weil der Rat keine Entscheidungen treffe, die im Kernbereich der akademischen Selbstverwaltung anzusiedeln seien, sondern ihm in erster Linie Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- und Entwicklungsaufgaben oblägen.[195]
224
Ob der BayVerfGH diese Entscheidung unter Würdigung der aktuellen BVerfG-Rechtsprechung erneut so treffen würde, ist unsicher. Das BVerfG hat mehrfach deutlich gemacht, dass die Entscheidungen der Hochschulräte (insbesondere, soweit sie die Verteilung von Stellen und Mitteln betreffen) Relevanz für die Wissenschaft haben und dabei nicht danach differenziert, ob der Kern- oder nur der Randbereich der institutionellen Seite des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG betroffen ist.[196]
225
Bemerkenswert ist auch, dass der BayVerfGH die demokratische Legitimation des Hochschulrats mit der Begründung bejaht, der Hochschulrat leite seine Legitimation vom Senat ab, welcher seinerseits „durch hochschulinterne Wahlen demokratisch legitimiert“ sei.[197] Er folgt hier also offenbar der These von den Hochschulmitgliedern als legitimationsfähiges Teilvolk (s.o. Rn. 167–171), freilich ohne sie näher zu problematisieren. An anderer Stelle wird die demokratische Legitimation des Hochschulrats detaillierter begründet:[198] Die Ratsmitglieder, die zugleich dem Senat angehören, seien durch die Hochschulwahlen „sachlich-funktionell“ legitimiert. Die externen Ratsmitglieder verfügten deshalb, weil sie vom Staatsministerium bestellt würden, über eine personell-demokratische Legitimation und seien überdies sachlich-funktionell legitimiert, weil der Senat die Vorschläge für ihre Bestellung bestätigen müsse. Im Übrigen sei der Hochschulrat in seinem Handeln an die Gesetze, insbesondere des BayHSchG gebunden.
cc) Zielvereinbarungen
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Zentrales Steuerungsmittel des New Public Management und damit auch der an ihm orientierten Hochschulreformen sind Zielvereinbarungen.[199] Verschiedene Ebenen in der Hochschulorganisation (Staat und Hochschule, Hochschulleitung und Fakultät, Dekan und Institut) schließen Vereinbarungen,[200] in denen geregelt wird, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums bestimmte Ziele z.B. bei der Entwicklung und Profilbildung der Hochschulen (Art. 15 Abs. 1 S. 1 BayHSchG) erreicht werden oder im Rahmen eines Globalhaushalts zugeteilte Mittel in bestimmter Weise verwendet werden sollen.
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Diese Zielvereinbarungen sind ein durchaus janusköpfiges Reformelement: Einerseits kommt ihr konsensualer Charakter der wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeit und dem Gedanken des Grundrechtsschutzes durch Verfahren entgegen.[201] Andererseits bleiben Zielvereinbarungen notwendig ineffektiv, wenn es den Partnern nicht gelingt, Ziele in angemessener Weise gemeinsam zu bilden und zu formulieren. Die Formulierung in der Regelung des BayHSchG über Zielvereinbarungen (Art. 15 Abs. 1 S. 2) mahnt daher zu Recht: „In der Zielvereinbarung werden insbesondere messbare und überprüfbare Ziele, das Verfahren zur Feststellung des Standes der Umsetzung der Zielvereinbarung und die Folgen bei Nichterreichung von vereinbarten Zielen festgelegt“. Schon der Ablauf des Verfahrens der Zielbildung ist allerdings eher wenig rechtlich strukturiert[202] und birgt die Gefahr von Intransparenzen.[203] Hierdurch können Unsicherheiten auf beiden Seiten