André Schaberick

Der Tod ist mein Freund


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sehr unhöflich gewesen. Schließlich waren sie ein liebenswertes Volk.

      „Danke, dass ihr mir das verraten habt. Ohne euch wäre ich nie darauf gekommen. Bis gerade war ich völlig orientierungslos, aber nun weiß ich, dass ich bei euch bin.“

      „Ja, du bist in unserem Land gelandet, das ist doch sehr angenehm.“

      Samuel verneigte sich vor dem Volk und blickte anschließend in den Himmel, der wie auch schon beim letzten Sprung bedrohlich hell wurde. Hell und immer heller, bis er schließlich nicht mehr in den Himmel blicken konnte. Sein gleißendes Licht blendete seine Augen so heftig, dass er wie schon beim letzten Mal seine Hände schützend über die Augen halten musste.

      Als es wieder abflaute und ihn nicht mehr blendete, nahm er die Hände wieder herab, öffnete die Augen und blickte in das Antlitz einer Krankenschwester im Plastikanzug.

       Was ist geschehen? Und warum schon wieder diese Krankenschwester?

      „Hey, wo kommst du her? Gerade stand noch der Häuptling vor mir. Wo ist er hin?“

      „Alles gut, ruh dich aus, du hast eine anstrengende Zeit hinter dir.“

      Die Krankenschwester streichelte ihm die Stirn, weil sie glaubte, er sei völlig durcheinander. Sie wusste natürlich nichts davon, dass sich Samuel bis vor ein paar Sekunden noch in einer völlig fremden Welt befand.

      „Du hast hohes Fieber. Die Viren versuchen, ganze Arbeit zu leisten, aber dein Körper ist stark. Er wehrt sich gegen die Eindringlinge. Wir alle hoffen, dass du genug Kraft hast, die Viren zu besiegen.“

      Samuel musste lachen.

      Was weißt du denn schon? Du hast doch gar keine Ahnung, wo ich gerade war. Vom Land der kleinen Kerle weißt du überhaupt nichts. Und was soll das mit der Kraft bedeuten? Ich habe gerade einen Fiesling vernichtet. Er hat sich vor meinen Augen aufgelöst. Ich habe ihn eliminiert! Da brauche ich keine Krankenschwester im Plastikanzug, die mir gute Ratschläge gibt oder mir nett zuredet. Ich bin der Held, nicht du. Ich bin der Retter der kleinen Kerle, und du hast keine Ahnung. Ohne mich würden sie vielleicht gar nicht mehr leben.

      Das fade Gesicht der Krankenschwester holte ihn ganz schnell wieder zurück in seine wahre Welt. Sie passte überhaupt nicht in die Geschichte, die er soeben erlebt hatte.

      Der Traum verblasste, die Tatsachen seiner Krankheit traten wieder in den Vordergrund. Fieber, nasse Hände, verschwitzte Füße, Gliederschmerzen, Mattigkeit. Schmerzen überall, ein Kopf, der sich anfühlte, wie eine Bombe, die gleich explodieren wollte. Er wollte in dieser üblen Welt nicht länger leben. In seiner Traumwelt war es wesentlich schöner gewesen. Dort gab es keine Schmerzen, kein Virus und auch keine Krankheit. Ab und zu tauchte ein Fiesling auf, den es zu vernichten galt, aber derartig kleine Probleme ließen sich ganz schnell aus der Welt schaffen. Konnte er nicht einfach in seine Traumwelt zurückkehren und dort bleiben? Er wollte nicht zurück ins Krankenhaus. Wer hatte eigentlich festgelegt, dass das hier die Realität war? Vielleicht war die wirkliche Realität seine Traumwelt.

      Samuels nächster Blick ging in Richtung seiner Zauberkekse...

      Ich kann fliegen

      Der Himmel zeigte sich heute in wunderschönen, verspielten Farbverläufen. Es waren Mischungen aus tiefblau, orange, rot und diversen Brauntönen. Nahezu alle warmen Farben waren vertreten. Unterstrichen wurde das Farbenspiel durch die bizarren Gebilde der Wolken. Es schien, als hätten sich Künstler an ihm ausgetobt.

      Ein Schwarm großer Vögel zog vorbei und bildete eine Wolke, die von Sekunde zu Sekunde ihre Form veränderte. Sie kreischten und schrien wild durcheinander, wechselten die Richtung, verdichteten sich, lösten sich wieder voneinander und flogen die schönsten Formationen. Vermutlich hatten sie großen Spaß beim Fliegen. Man konnte es ihnen förmlich ansehen.

      Doch leider stellte sich gerade heraus, dass es nicht der Spaß war, der sie antrieb. Sie bildeten diese scheinbar schönen Formationen aus purer Angst. Die Manöver dienten lediglich dem Selbstschutz und der Verwirrung ihrer Angreifer.

      Ein ziemlich großes Tier folgte ihnen. Es konnte ebenso gut fliegen, wie seine potenzielle Beute, die es verfolgte. Es war kein Vogel, es sah eher aus, wie ein Drache. Es hatte einen langen Schwanz, lange Fangzähne, spitze, lange Krallen und konnte unglaublich gut in der Luft manövrieren. Es schnappte schreiend nach den Vögeln, konnte aber keinen erwischen. Sie waren einfach zu flink. Das Drachentier flog Saltos, überschlug sich in der Luft, rollte sich zusammen, dass es dünn wie ein Pfeil wurde, um im selben Moment die Flügel wieder aufzuspannen und eine scharfe Kurve zu fliegen. So wurde es unberechenbar. Doch alle Flugkünste nützten ihm nichts, wenn es sich mit den wesentlich kleineren und wendigeren Vögeln messen wollte. Sie waren nahezu unerreichbar. Völlig erschöpft landete das große Tier auf dem Fußboden, torkelte ein paar unkontrollierte Schritte und fiel schließlich erschöpft um. Die Kraft hatte es komplett verlassen.

      Neugierig ging Samuel auf das Tier zu. Er hoffte, dass es nicht vor Erschöpfung einen Herzschlag bekommen hatte, denn es bewegte sich nicht mehr. Vorsichtig stupste er es mit der Fußspitze am Schwanz an. Es war ziemlich groß, er schätzte seine Länge auf fünf große Schritte. Es hätte ihn ganz schnell mit dem Schwanz erschlagen können, aber in seinem schlechten Zustand machte Samuel sich keine wirklichen Sorgen. Selbst ein etwas heftigerer Schubs gegen dessen Hintern lockte keine Reaktion hervor.

      „Hey, du komisches Ding. Lebst du noch? Was ist los?“

      Samuel näherte sich nun dem Kopfende. Dabei hielt er einen gebührenden Abstand ein, sodass es nicht doch nach ihm schnappen konnte. Aber es gab nur ein stöhnendes Geräusch von sich. Mehr tat sich nicht. Doch, es atmete schwer und spuckte schaumigen Speichel aus.

      Am Kopf angekommen nahm er all seinen Mut zusammen und berührte es sanft mit seiner Hand. Er streichelte es über seine Hörner, oder wie man diese hornähnlichen Ausstülpungen auf dem Kopf auch immer nennen mochte. Es gab ein wohliges Grunzen von sich und schloss die Augen. Erst jetzt sah Samuel, dass es vier Augen hatte, zwei, die nach vorn gerichtet waren, und zwei am Hinterkopf. Eine seltsame Spezies lag dort vor ihm. Plötzlich tat es etwas, mit dem Samuel nie gerechnet hätte: Es reckte seinen Kopf in Richtung seiner Hand, so, als wollte es gestreichelt werden.

      Er tat dem Tier den Gefallen. Samuel ließ seine Hand vorsichtig über dessen Nase wandern und beobachtete genau, wie es reagierte. Schließlich wäre es auch möglich gewesen, dass es ihm die Hand abbeißen und ihn gerade austricksen wollte.

      „Was bist du für ein seltsames Geschöpf? Bist du ein Drache?“

      Das Streicheln schien dem Tier zu gefallen. Dann streichelte er es am Hals. Dieser war ziemlich lang, da hatte er einiges zu tun. Er setzte nun auch seine zweite Hand ein. Mit den beiden Augen am Hinterkopf beobachtete es ihn ständig, aber es schien nicht misstrauisch zu sein. Samuel war auf diese Weise noch nie von einem Tier beobachtet worden. Es war ein seltsames Gefühl.

      „Das gefällt dir, stimmt`s? Du bist wie eine Katze, schnurrst, genießt das Kraulen, aber vorsichtig sollte man trotzdem sein.“

      Plötzlich ereilte Samuel ein gewaltiger Schreck, denn das Tier drehte sich auf seinen Rücken, spreizte die Vorder-beine und räkelte sich auf dem Boden. Bei einer Katze hätte er sofort gewusst, was sie wollte, aber bei einem Tier, das wie ein Drache aussah, war er sich nicht sicher. Das wohlige Grunzen, das das Tier von sich gab, nahm ihm schließlich die Furcht. Er machte sich jetzt über den Hals, die Brust und den Bauch her. Und je mehr Fläche er streichelte, desto entspannter schien das Tier zu werden.

      Samuel hörte eine Stimme, glaubte aber nicht, dass sie von dem Tier kam. Es konnte doch nicht sprechen.

      „Schschschtreiiiichel michchchch“, hörte er, doch zweifelte er sofort an seiner Wahrnehmung und schüttelte seinen Kopf.

      „Hast du mit mir gesprochen?“

      Samuel musste über seine eigenen Worte lachen. Warum redete er mit einem Tier? Es konnte ihn doch gar nicht verstehen.

      „Jaaaaaa“,