Rosmarie Bernasconi und Peter Maibach

Sieben Berge


Скачать книгу

Carltonbar, zog mich Martina lachend in unsere Lieblingsbar.

      «Aber wirklich nur ganz kurz, ich muss früh ins Bett, sonst schimpft die Chefin», lachte ich.

      Ganz nüchtern waren wir beide nicht mehr. Ich hakte mich bei ihr unter, und so betraten wir die Bar. Ich stand noch unter der Türe, und ich sah ihn schon von weitem. Mein Herz klopfte wie wild, als ich ihn auf der Bühne sah. Das war ein unbeschreibliches Gefühl.

      Ich verliebte mich Hals über Kopf in den wohlgeformten, hübschen, gross gewachsenen blonden Sänger der Grizzlyboys, ein Traum von einem Mann.

      Ich betrachtete Sophie wehmütig von der Seite, sagte aber nichts. Es gab mir einen Stich ins Herz, als sie so schwärmerisch von ihrem Neuen erzählte. «Und dann, was ist geschehen?», wollte ich wissen.

      «Tja, Jakob, um ehrlich zu sein, war ich froh, als sich Martina frühzeitig verabschiedete und ich mich an den Sänger heranmachen konnte.» Sophie lachte laut, als sie an diesen Moment zurückdachte. «Ich sprach ihn an, nein, ich himmelte ihn an wie ein doofes Groupie. Seine Chancen, mir auszuweichen, waren minim.»

      «Dir auszuweichen ist tatsächlich eine Kunst», versuchte ich, lustig zu sein. Sophie erzählte weiter:

      «Ich bin Max», stellte er sich vor und sah mich mit seinen grünen Augen herausfordernd an.

      Wir unterhielten uns angeregt. Das heisst, er redete und ich hörte ihm verliebt zu.

      «Wir spielen noch zwei Wochen hier in der Carltonbar und reisen nach St. Moritz weiter. Später haben wir Auftritte in London.» Seine Stimme faszinierte mich, und eigentlich hörte ich gar nicht richtig zu, ich war einfach nur verknallt. Noch am selben Abend nahm ich ihn mit nach Hause. Wir liebten uns wild und hemmungslos. Keiner wusste, wie es am anderen Tag weitergehen würde. Mir war es egal, und was am anderen Morgen sein würde, interessierte mich herzlich wenig. Der Morgen würde noch früh genug kommen. Prompt kam ich zu spät ins Büro, Martina sah mich augenzwinkernd an und schwieg bedeutungsvoll. Was sie dachte, schimmerte in ihren Augen. Den Tag verbrachte ich mehr schlecht als recht. Die Nacht war kurz gewesen, umso länger schien nun die Zeit, bis Max am Abend wieder auf mich warten würde.

      Nach zwei Wochen zog Max mit den Grizzlyboys weiter. Ich war ein geknicktes Pflänzlein, denn ich wusste nicht, wie es mit Max und mir weitergehen würde.

      «Ich melde mich bei dir», sagte er zum Abschied, das war alles. Ausser seinem Namen wusste ich wenig über ihn.

      Sophie hielt inne und betrachtete mich von der Seite. Ich zog weitere Köstlichkeiten aus dem Lunchpaket und reichte ihr einen knackigen, roten Apfel. Sie biss herzhaft hinein und erzählte kauend weiter:

      Max zog also nach St. Moritz. Es waren gerade mal drei Tage vergangen, ich hielt es nicht mehr aus und fuhr am Wochenende mit dem Zug nach St. Moritz. Ich fand rasch heraus, in welcher Bar er spielte. Max empfing mich zwar mit offenen Armen, aber er war etwas überrascht. Das Wochenende erlebte ich zwischen Bar und Bett, und am Sonntagabend sagte er zum Abschied wieder: «Ich melde mich bei dir.»

      In den folgenden Tagen versuchte ich Max zu erreichen, er jedoch war wie vom Erdboden verschwunden. Für Martina war ich wohl eher eine Belastung als eine Hilfe. Ich träumte oft vor mich hin und musste mich zusammenreissen, um den Kunden keine falschen Reisedokumente auszustellen.

      Drei Wochen später rief mich Max im Büro an. Ich fiel aus allen Wolken, sein Anruf verwunderte mich, denn mit diesem Telefongespräch hatte ich nicht mehr gerechnet.

      Meine Knie waren weich wie Butter, und ich war unfähig, auch nur ein vernünftiges Wort zu reden. Er bot mir spontan ein Engagement als Sängerin an. Ihre bisherige Sängerin, ein nervöses, überdrehtes Mädchen, war ihnen ohne Grund davon gelaufen. So jedenfalls erzählte es mir Max, und ich glaubte ihm.

      Wieso hätte ich ihm nicht glauben sollen? Nur schon die Vorstellung, Sängerin bei den Grizzlyboys zu sein, brachte mich zum Schmunzeln, aber auch zum Stottern.

      «Ich und vor Publikum singen? Jakob, du weisst, ich habe oft und gerne gesungen, aber eine Gesangskarriere wäre mir nie im Traum eingefallen, zumal mir der Job im Reisebüro Maruc Travel wirklich gut gefiel.»

      Ich musste lächeln und bemerkte freundschaftlich: «Du, Sophie, und Sängerin?» Es war zu komisch, wir mussten beide lachen. «Ja, das habe ich ihm damals auch gesagt, dass Singen nicht meine Spezialität sei.»

      Ich spottete: «Also, so abwegig ist es nicht, gesungen hast du tatsächlich viel, wenn auch nicht immer richtig», neckte ich sie.

      «Ja, ja, du hast ja so Recht», gab Sophie scherzhaft zurück.

      Sophie fuhr fort:

      Max flehte am Telefon: «Sophie, komm nach London, wir brauchen dich.»

      «Wieso gerade ich und wieso jetzt? Ich singe nicht gut genug, um auf der Bühne aufzutreten», sagte ich ihm am Telefon.

      «Das ist doch kein Problem für dich, du bist jung, hübsch und unternehmungslustig, das wirst du bestimmt schaffen. Wir haben etwas Zeit zum Üben», schmeichelte er mir. Ich sagte zu.

      Ich stand da, mit meinen zitternden Knien, und wusste gar nicht, wie mir geschah.

      Sophie bemerkte mein Staunen. Sie sprach leise weiter, ihr Blick war in weite Ferne gerückt: «Ich sag’s dir ehrlich, Jakob, ich war Feuer und Flamme. Trotzdem spürte ich eine Art Lampenfieber in mir. Keine Ahnung, wohin das alles führen sollte. Es war mir egal, Hauptsache, ich sah Max wieder und war mit ihm zusammen. Ich war nach wie vor hoffnungslos vernarrt, naiv, und nach wie vor glaubte ich, dass aus uns ein Paar werden könnte.»

      «Aber du warst doch noch gar nicht lange bei Maruc Travel?», wandte ich ein.

      Genau, das war mein grösstes Problem. Ich musste Martina beichten, dass ich schon weiter musste, nach London ziehen würde. Du hättest Martina sehen sollen, als ich es ihr sagte. Sie sah mich mit einem mitleidigen Lächeln an und meinte ungläubig:

      «Das ist aber nicht dein Ernst?» Sie verstand die Welt nicht mehr.

      «Frau Anderegg, hast du es dir gut überlegt?», äusserte sie sich. Ich sah ihr die Enttäuschung an.

      «Max ist ein Windhund, und wegen so einem verlässt du Zürich und einen guten Job Hals über Kopf!»

      Ich schüttelte nur den Kopf und verstand Martina nicht.

      «Wie du meinst, du musst wissen, was für dich gut ist.» Mehr sagte sie nicht dazu.

      Ich teilte die Ansicht von Martina, blieb aber still, schaute Sophie verwundert an: «Und dann bist du am anderen Tag nach London geflogen?»

      Nein, natürlich nicht gleich. Es dauerte noch eine Woche, bis ich nach London flog. In dieser Zeit hatten die Grizzlyboys Spielpause, dies erzählte mir Max jedenfalls am Telefon. Es waren verrückte Tage. Ich organisierte innerhalb dieser Wochen mein Leben neu. Die Wohnung behielt ich sicherheitshalber. Wie lange dieses Abenteuer dauern würde, konnte ich nicht wissen.

      Meine Gedanken kreisten um Max. Keinen blassen Dunst, was mich in London erwartete. Hätte ich auf Martina gehört, wäre mir einiges erspart geblieben. Aber eben, ich konnte nicht anders.

      Die Stimmung im Reisebüro wurde unerträglich, immer wieder forderte mich Martina auf, mich darauf zu besinnen, was ich tat. Ich war so verliebt und so blind, dass ich Max überall hin gefolgt wäre, sogar nach Australien, in den Dschungel, unter die Brücke, nach Honolulu oder wo auch immer. Und dass es nun London sein würde, nein, Jakob, das war das Letzte, an das ich gedacht hätte. Und erst noch als Sängerin.

      Sophie lachte laut. Sie schien sich mit einem Male befreit zu fühlen, froh zu sein, ihr Herz ausschütten zu können. Sie legte den Kopf an meine Schulter. Das tat sie oft, wenn wir so vertraut zusammensassen. Wir waren wirklich gute Freunde, das spürten wir beide in solchen Momenten. Ich genoss es, dass die alte Vertrautheit zwischen uns nicht verloren gegangen war. Sophie nahm den Kopf wieder von meiner Schulter, setzte sich gerade hin. Die Sonne