Birgit Fiolka

Hatschepsut. Die schwarze Löwin


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auch der Freund der großen königlichen Gemahlin Hatschepsut sein?“

      Endlich gestattete er sich eines seiner schief geratenen Lächeln, nickte und deutete eine Verbeugung im Sitzen an. Hatschepsut sprang von ihrem Stuhl auf und gab ihrer Dienerin einen Wink ihr zu folgen. Anscheinend hatten seine Worte ihr doch zugesetzt, denn sie wandte sich zum Gehen. Dann überlegte sie es sich anders und sah ihn noch einmal an. „Nun denn, Senenmut, einzig wahrer Freund der großen königlichen Gemahlin. Du hast eine für Kemet heilsame und durchaus ehrbare Wahl getroffen, wenn auch eine gefährliche. Viele Freunde besitze ich wahrlich nicht.“ Ihre Augen schienen zu funkeln und gleichzeitig zu lächeln, als sie weitersprach. Senenmut wunderte sich wie gut sie ihre Gefühle beherrschte, obwohl sie noch so jung war.

      „Und meine Freunde nennen mich Haatsch, wenn sie mit mir allein sind. Hapuseneb wird es dir bestätigen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schwebte Hatschepsut aus seinem Haus und hinterließ einen Hauch von Weihrauch, mit dem die Priester sie an jedem Morgen reinigten.

      Senenmut sah ihr nach und bewunderte ihren Gang, der trotz der Schwangerschaft leichtfüßig und gerade war. Ihre Dienerin spannte einen Sonnenschatten aus Stoff über ihr auf sobald sie sein Haus verließen, doch Hatschepsut schob ihn beiseite, als fühle sie sich gestört. Senenmut erhob sich von seinem Stuhl und rief nach seinem Diener, dem alten Anen, der seit mehr als zwanzig Nilschwemmen in seinen Diensten stand. Sein Rücken war krumm, sein Kopf fast kahl, und flink war er auch nicht mehr ... aber seine Ohren waren wie die eines Knaben. Sie hörten, was sie hören wollten, und waren taub für alles, was sie nicht interessierte. Als der Alte vor ihm stand, das Gewand des obersten Dieners des Hauses schlotterte an seinem eingefallenen Leib, sprach Senenmut ihn ohne Umschweife an. „Hast du gelauscht, Anen?“

      Der Alte verbeugte sich, obwohl es ihm schwerfiel. „Wie immer, Herr.“

      Senenmut nickte – das Alter Anens und der lange Dienst in seinem Haus gewährten ihm große Freiheit im Umgang mit seinem Herrn. „Und was hältst du von ihr?“

      Die Stimme des Alten klang brüchig, aber seine Worte waren scharf wie Dolche. „Sie ist fast noch ein Kind, dem man ein Land in die Wiege gelegt hat. Sie weiß kaum, wie gefährlich das Spiel ist, das sie sich ausgedacht hat.“

      Senenmut nickte und wollte Anen fortschicken, doch dieser hielt seinen Herrn am Arm fest und blinzelte ihn aus seinen wässrig trüben Augen an. „Aber ein Kind wird erwachsen, und Kemets neuer Gottkönig ist nicht so stark, wie der, welchem du gedient hast. Das Land kann eine starke und kluge Königin gut brauchen, wenn es nicht wie damals im Chaos enden will, als die Hyksos über uns herfielen. Außerdem liebt sie ihr Land ebenso, wie ein Fellache seine Scholle.“ Der Alte lächelte herausfordernd und zeigte dabei die letzten bräunlichen Zahnstümpfe, die er noch in seinem Mund hatte.

      Senenmut wusste, weshalb er den Alten nicht fortschickte. Das Alter konnte eine Weisheit und Hellsichtigkeit mit sich bringen, welche kaum durch Schulung zu erlangen war. „Du bist sehr klug, Anen – ich habe es niemals bereut, dich in meinem Haus zu haben.“

      Anen verbeugte sich erneut unter Mühen vor seinem Herrn, dem ernsten Mann mit den scheinbar mürrischen Falten in den Mundwinkeln, und entgegnete: „Und ich habe es niemals bereut, dir gedient zu haben, Herr.“ Senenmut legte dem Alten eine Hand auf die Schulter und schicke ihn fort. Dann ließ er seinen Schreiber kommen und wies ihn an, ein Sendschreiben an Hapuseneb aufzusetzen. Mein Freund, ich fürchte, die Götter haben nicht vergessen, was wir ihnen schuldig sind. Halte dich bereit, denn Amun ist erwacht ...

      Der Nachtfahrt 3 Stunde ist jene, welche die Bas zerschneidet

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       Die königliche Barke im zweiten Jahr der Herrschaft des Thutmosis Aakheperenre

      Hatschepsut saß angetan mit den großen Federn der Gottesgemahlin auf ihrem Thronstuhl unter dem Sonnensegel ihrer Barke, den Blick auf den gemächlich dahinfließenden Hapi gerichtet. Der Nil hatte seinen Tiefstand erreicht, denn es war Payni, der zweite Mond der Erntezeit. An den Ufern des Nil gingen die Fellachen mit Sicheln und Körben umher und schnitten den Emmer, um die Kornkammern Ägyptens zu füllen. Der letzte Jahresumlauf hatte nur eine geringe Nilschwemme gebracht, sodass die Ernten nicht allzu reichlich ausfallen würden. Hatschepsut fragte sich immer öfter, ob die Götter unzufrieden mit ihrem neuen Horussohn waren, und die Nilschwemme deshalb so gering ausgefallen war. Noch waren die Kornkammern gefüllt, doch eine weitere schlechte Nilschwemme würde zu Hunger im Volk führen. Ihr schmerzte der Kopf von ihren stetig kreisenden Gedanken und Sorgen, und Hatschepsut konnte kaum erwarten, ihrem Leben im Palast zu entfliehen. Sobald sie Theben verlassen hätte, würde sie die Zeremoniengewänder ablegen, Ipu das Kohol von ihren Augen wischen lassen und in ein einfaches Leinenkleid schlüpfen. Die Perücke mit den langen Zöpfchen würde sie nicht mehr tragen, bis sie Buhen erreichten. Hatschepsut sehnte sich nach der Gelöstheit einer Reise, die sie von den Sorgen ablenken würden, die sie quälten. Warum quälten diese Sorgen allein sie, und warum konnte Thutmosis so einfach darüber hinwegsehen und Feste für seine Nebenfrau Isis ausrichten? Was Isis auch verlangte, Thutmosis gewährte es ihr! Zwei Leopardenjunge hatte er ihr geschenkt, ein zwergenwüchsiges Dienerpaar, das ebenso beliebt wie selten war, und das Isis auf ihren Festen tanzen und Narrheiten vorführen ließ. Thutmosis verließ nur selten den Palast, und Hatschepsut fragte sich, ob er die Schönheit Kemets je wirklich gesehen hatte. Er war der Herr des schwarzen und roten Landes, aber seine Ohren waren taub für dessen Herzschlag. Sie zwang sich zur Ruhe. Jetzt und hier, wo die Thebaner ihr vom Ufer aus zujubelten, Blüten und kostbaren Lotus ins Wasser warfen, sodass es aussah, als würde ihre Barke in einem Blumenmeer dümpeln, wollte sie reglos auf ihrem Stuhl ausharren, damit die Menschen ihrer Gottesgemahlin huldigen konnten und Kraft für ihre Sorgen aus ihrer Gottesgemahlin schöpfen durften. Hatschepsut war es beinahe zuwider, dass sie ihr zujubelten, da sie doch so wenig für sie tun konnte. Sie konnte sie weder vor Hunger noch vor Krankheiten oder ihrem Pharao schützen, dem es egal war, ob sie jubelten oder weinten.

      „Du bist die Tochter deines Vaters, die Gemahlin des Pharao, und die Gottesgemahlin des Amun“, hatte Ipu nur kopfschüttelnd auf diese für sie vollkommen unsinnigen Einwände ihrer Herrin geantwortet, als Hatschepsut bemerkt hatte, wie unangenehm ihr die Huldigungen der Menschen waren. Wie immer zeichneten sich dabei hektische Flecken auf dem Gesicht der Dienerin ab, da sie so aufgeregt war. Hiernach hatte Hatschepsut der Dienerin nichts mehr von ihren Ängsten und Nöten erzählt. Sie war ihre Vertraute, aber doch eben eine Palastfrau aus altem Adel, deren Familie es nicht für gut hieß, dass eine Frau zu viel über die unschönen Dinge des Lebens nachdachte. Ipu war auch gegen die Reise ins Goldland gewesen, obwohl sie jetzt, da der Zeitpunkt des Aufbruchs gekommen war, es kaum noch erwarten konnte, dass die Barken ablegten. Oftmals verglich Hatschepsut das Gemüt ihrer Dienerin mit dem einer Katze, das träge und selbstgefällig war. Aber Katzen, so wusste Hatschepsut, waren auch neugierig, und deshalb gab sie nicht viel auf die halbherzig vorgetragenen Einwände Ipus. „Du wirst dein Kind wie eine Fellachin auf Ziegeln gebären, umringt von Soldaten. Was hast du dir nur dabei gedacht, Haatsch?“

      Hatschepsut war ihr eine Antwort schuldig geblieben. Die Wahrheit war, dass sie selbst nicht wusste, wie sie bewältigen sollte, was sie sich aufgebürdet hatte. Amun würde sie führen müssen. Immerhin besaß sie den Willen, Kemet zu beschützen und die Menschen, die sie liebte.

      Endlich legten die Barken ab, und Hatschepsuts Prunkbarke mit dem goldenen Lotos im Bug glitt in die Strömung. Als der Weihrauch, den die Priester zur Segnung ihrer Reise verbrannt hatten, verflog, blieb nichts zurück als der ursprüngliche Geruch fruchtbarer Erde. Hatschepsut sog ihn tief in ihre Nase und genoss das neue Gefühl von Freiheit und der Sonne, die auf sie hinunter brannte. Zur Zeit der Ernte floss der Hapi angenehm träge, aber dafür war es heiß, und im Goldland würde Re noch entfesselter brennen. Ipu wies beflissen zwei Dienerinnen an, ihrer Königin mit Straußenwedelfächern Luft zuzufächeln. Vor Hatschepsuts Barke fuhr die von Senenmut, mit erfahrenen Soldaten an Bord, die eingreifen und das Leben der Königin von Ägypten schützen konnten, sollte jemand ihr danach