I. Tame

Mika liebt …


Скачать книгу

Tier. Aber was ist mit mir? Zählen meine Gefühle gar nichts? Doch irgendwie mach‘ ich mir ja auch Sorgen um Mika. Komisch! Ich hätte nie gedacht, dass der kleine Scheißer MIR fehlen würde. – Egal was in mir vorgeht! Cat ist wichtiger. Und er lässt sich von mir noch nicht mal trösten. Er will weg.“ Erneut seufzt John tief, um seinen Kummer rauszulassen. „Er will nach Hause. Das ist für ihn wichtiger, als bei mir zu sein.“

      Automatisch nimmt John einen weiteren Schluck. „Er wird nicht gehen wollen, auch wenn ich ihn wegschicke.“ Eine billige Hoffnung.

      *

      „Ich werd‘ nicht geh’n!! Ganz bestimmt lass‘ ich dich jetzt nicht alleine!“

      Trotzig verschränkt Keno die Arme vor der Brust und lehnt sich in der Miniküche gegen die verblichene Wand.

      „Setz‘ dich!“, befiehlt John, während er in seinem Frühstücks-Kaffee rührt. Genervt lässt Keno sich ihm gegenüber auf den Stuhl fallen.

      „Sieh‘ mich an!“, spricht John ruhig weiter. Seine tiefe Stimme tönt fest und sicher durch den Raum. Keine Spur von seiner inneren Anspannung ist darin zu hören. Stattdessen schraubt sich sein Blick geradezu an Kenos stur blitzenden Augen fest.

      „Du fliegst nach Hause, regelst alles mit dem Kleinen und bleibst gefälligst da, bis ich komme.“

      Keno verzieht verächtlich den Mund. „Ach, und wann soll das dann bitteschön sein? Du kommst doch niemals im Leben wieder nach Deutschland. Du willst hier leben! Deine Arbeit ist hier, deine Familie. Du gehörst hierher!!“

      „Und du gehörst nach Deutschland!“, spricht John seine grausame Erkenntnis gelassen aus.

      Keno bleibt der Mund offen stehen. „Nein … ich“, erwidert er lahm. Doch John legt nur den Kopf schief und zieht provokant die Augenbrauen hoch.

      „Du gehst und bleibst in Deutschland. Ich will dich nicht hier in der Nähe von meinem Dad haben, verstanden?! Die ganze Idee, dass du mich begleitest war von Anfang an ein großer Fehler!“

      Doch Keno kennt John genauso lange wie dieser ihn. Er starrt John begreifend an und schüttelt entsetzt den Kopf.

      „Ich halt das aus ohne Mika, ehrlich!“ Gleichzeitig rauft er sich mit seiner typisch ratlosen Geste die Haare. „Ich liebe Mika nicht mehr als dich, hast DU das verstanden?“ Jetzt verliert seine Stimme an Kraft. „Du kannst mich nicht einfach so wegschicken. Gut ausgedacht, deine plötzliche Einsicht, dass ich George hier nicht begegnen darf und so weiter. Doch du vergisst, dass ich ihm in Deutschland auch beinahe über den Weg gelaufen wäre.“

      John beugt sich vor und legt sanft eine Hand auf Kenos Wange. Im Gegensatz zu seiner zärtlichen Geste, spricht er hart und befehlend weiter.

      „Der Teufel soll mich holen, wenn du jetzt nicht deinen Arsch bewegst und deine Klamotten packst. Dein Ticket liegt am Flughafen. Du fliegst morgen Mittag.“

      Kenos Augen glitzern vor Tränen. Kein Wort schafft es über seine Lippen, während er leicht den Kopf schüttelt und ein tonloses „No“ haucht.

      „Du gehörst nicht mehr hierher!“, spricht John nun in einem liebevolleren Tonfall weiter. „Es tut mir leid, dass ich daran nicht gedacht habe! Es war selbstsüchtig von mir, von dir zu erwarten, dein Höllental noch einmal zu durchschreiten.“

      „Ich seh‘ dich nie wieder“, presst Keno schließlich doch unter Tränen hervor.

      Ein schiefes Grinsen ist Johns Antwort. „Red‘ keinen Scheiss!“

      *

      Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick zum Fenster ihrer Wohnung steigt Keno in das vorgefahrene Taxi.

      Und endlich, endlich laufen John die Tränen über die Wangen. In Gedanken hadert er mit sich und seiner Entscheidung, Keno fortzuschicken.

       „Er geht tatsächlich. Er ist weg. Geh‘ nicht! Komm wieder zurück! Ich hab’s mir anders überlegt. Wir schaffen das schon. Der Kleine will dich doch sowieso nicht mehr. Verdammt, Cat … bleib hier!!“

      Doch so laut John auch im Kopf seine Gedanken hinausschreit … es hilft alles nichts. Gnadenlos langsam fädelt sich das Taxi in den fließenden Verkehr ein. Nach einigen Momenten biegt es ab und seine große Liebe ist weg. Zitternd setzt sich John auf das verschossene Sofa.

      „Dad“, presst er vor Wut durch seine knirschenden Zähne hervor. Wenn sein Arschloch von Vater nicht gewesen wäre. Er und seine Perversionen. Alles hätte eine andere Wendung genommen. Wie glücklich sie waren … damals in Austin. Sie hätten ein perfektes Leben führen können. Sie hätten beide studiert. Cat hätte weiter seine heißgeliebten Sprachen gelernt.

      Inzwischen schluchzt John hemmungslos. Seine ganze verfickte Situation steht ihm bis zum Hals. Sein Leben scheint ein einziger Scherbenhaufen direkt vor seinen Füßen zu sein. Alles die Schuld seines Alten. Seines eigenen Vaters.

      „Du perverse Sau“, keucht er, während sein Magen vor Ekel und Aufregung zuckt. „Dich mach‘ ich fertig, solltest du es wagen, Weihnachten nach Hause zu kommen.“

      *

      Keno hat noch genügend Zeit, um in Ruhe am Flughafen einen Kaffee zu trinken. Er fliegt tatsächlich nach Hause. Nach Hause! Endlich!! Er kann es nicht leugnen. Der Abschied von John war schrecklich, doch jetzt … jetzt schleicht sich ein leises wohliges Gefühl in seine Magengegend. Er will weg, das gibt Keno nun endlich vor sich selber zu.

      „Er wird nachkommen!“, beteuert er sich immer wieder. „John hält sein Wort. Er kommt wieder nach Deutschland. Er lässt mich nicht allein – mich … und Mika.“

      Nach zwei großen Tassen Cappuccino blickt Keno sich suchend nach einer Toilette um. Der Typ von der Snack-Bar zeigt ihm den Weg. Gemütlich schlendert Keno in die angegebene Richtung.

      *

      Selbstsicher eilt George zügig durch die wogende Menschenmenge. Ein Bodyguard räumt ihm den Weg alleine durch seine Erscheinung frei. Der zweite geht direkt hinter ihm. „Das ist schon geil, wenn man so viel Geld hat und sich adäquates Personal leisten kann“, denkt er zufrieden. „Da macht das Heimkehren direkt doppelt Spaß.“

      Mehr zufällig nimmt er aus dem Augenwinkel den Typen in Jeans, schwarzem Rollkragen-Pulli und Lederjacke wahr. Bei gutaussehenden Menschen riskiert George automatisch ein Auge.

      „Das kann doch nicht wahr sein!“ Er bleibt wie vom Blitz getroffen stehen. Seine Bodyguards reagieren sofort. Sie sind wirklich gut! Schützend nehmen jetzt beide in seinem Rücken Aufstellung.

      „Das ist er! Unglaublich! Hier auf dem Flughafen läuft er mir unter tausenden von Menschen direkt vor die Füße! Das muss gewollt sein.“ George beobachtet Keno fasziniert, wie er in drei Metern Entfernung an ihm vorbeischlendert, ohne ihn zu bemerken. „Er sieht so verdammt gut aus“, schnurrt George in Gedanken. Als er sieht, wie Keno die Türe zu den Toiletten aufdrückt, flüstert er seinen Bodyguards etwas zu. Der eine nickt und eilt hinter Keno her. Der andere baut sich breit vor der Türe auf und lässt niemanden mehr hinein. Schließlich winkt ihn der erste herein. „Was ein Glück! Kein Schwein drin, außer dem süßen Sklaven!“ George grinst wie ein Honigkuchenpferd.

      „Na, dann wollen wir mal“, raunt er frohgemut und folgt Keno durch die Schwingtüre.

      Drinnen steht dieser vor den Spiegeln und wäscht sich die Hände; den Blick nach unten gesenkt.

      „Schön, wenn du mal freiwillig devot guckst“, spricht George ihn auf Deutsch an.

      Keno fliegt geradezu herum, stolpert zurück und knallt nach zwei Metern mit dem Rücken gegen einen Papiertücher-Automaten.

      Das Wasser im Waschbecken plätschert unaufhörlich weiter. Keno starrt George an, als wäre er von einem anderen Stern.

      „Du