I. Tame

Mika liebt …


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gemütliches Haus, sein Auto, die kleine übersichtliche Stadt, in der er wohnt. Ja, sogar das zeitweise echt beschissene Wetter vermisst er. Und seine Perle Rosaria, samt ihrer Kochkunst. Und natürlich seine Treffen mit Edwina, ihre gemeinsamen Hilfsprojekte für die armen Schweine, die sonst niemanden haben, der ihnen aus ähnlichen Situationen hilft, in denen Keno sich ebenfalls befand. Beim Gedanken an Edwinas Tee-Orgien schleicht sich ein wehmütiges Lächeln auf sein Gesicht.

       Und Mika! Ach, Mika! Keno seufzt tief. An ihn denkt er so ziemlich jede Sekunde an jedem weiteren ätzenden Tag in diesem Land, das ihm so fremd geworden ist. Mika hat ihn abserviert. Das kann Keno einfach nicht glauben. „Ich müsste nur Gelegenheit haben, ihn persönlich zu sehen. Dann biege ich schon alles wieder hin“, redet er sich selbst gut zu. „Aber dass Mika meine Anrufe total ignoriert …“ Ein Ziehen in der Magengegend bestätigt Keno in seinem unguten Gefühl. Diesmal hat er Mika zu viel zugemutet. „Ich will ihn doch nur beschützen“, rechtfertigt er sich vor sich selbst. „Aber wie soll er verstehen, was in deinem Kopf vorgeht, wenn er keine Fakten kennt?“, hält ihm eine zweite Stimme entgegen. „Er ist vielleicht gar nicht so hilflos wie du denkst. Und wahrscheinlich hat er sich schon den nächsten geilen Typen gesucht oder er fickt die nächste läufige Bitch.“

      Keno ballt seine Hände zu Fäusten. „Ich muss ihn einfach seh'n. Ich muss, ich muss!“ Und wieder steigen ihm Tränen in die Augen. „Er darf aber nicht hierhin kommen! Unter keinen Umständen! Johns Familie wohnt lediglich 20 Minuten entfernt. Bis jetzt ist George noch nicht aufgetaucht, doch das wird nur eine Frage der Zeit sein.“

      Ein inneres Zittern durchzieht Kenos Körper bei dem Gedanken daran, seinem Peiniger zufällig über den Weg zu laufen. John hat ihm versichert, dass er sich darum kümmern würde, doch Keno kann nicht glauben, dass ein einziges Gespräch die Lösung für alles bedeuten soll.

       Am nächsten Morgen sitzen sich John und Keno in der winzigen Küche ihrer kleinen Übergangswohnung am Tisch gegenüber. Gemütlich ist es hier nicht gerade. Auf die Schnelle hatten sie nichts Besseres in der Nähe der Uniklinik finden können, um Darleen jederzeit besuchen zu können. Keno sieht aus wie der wandelnde Tod. Blass, struppige Haare, Dreitagebart und dunkle Ringe unter den Augen. Er gähnt herzhaft und trinkt einen Schluck schwarzen Kaffee. John sieht ihn nachdenklich an.

       „Du siehst vielleicht scheiße aus“, stellt er trocken fest. Keno kämmt sich mit beiden Händen durch seine filzige Mähne.

       „Kann dir doch egal sein.“, ranzt er müde zurück.

       „Willst du dir nicht mal die Haare schneiden lassen?“, bohrt John weiter nach. „Du siehst aus wie ein Heavy-Metal-Rocker aus der Hölle.“

       „Ich fühl' mich auch wie in der Hölle.“, murmelt Keno in seinen Kaffeebecher. John seufzt laut auf.

       „Da sind wir also wieder beim Thema. Warum kannst du dir nicht vorstellen, mit mir hier zu leben? Also, natürlich nicht in dieser Bude, Gott bewahre. – Nichts wird dir hier passieren, das schwör‘ ich dir ... reiß' dich ein bisschen zusammen, Mann! Du hängst nur hier in dieser verschlissenen Ferienwohnung rum. Das kann ja nicht gesund sein!“

       „Du hast doch keine Ahnung!“, fährt Keno ihn ruppig an. „Wenn mich auch nur einer von diesen ... perversen Arschlöchern sieht, dann ...“

       „Was dann?!“, hakt John nach, als Keno mitten im Satz inne hält und hart die Lippen aufeinander presst.

       „Die machen keine halben Sachen! Und ich weiß nicht, wie die ganze Scheiße damals ausging. Vielleicht hab' ich den Chef um die Ecke gebracht, was weiß ich. Dein Dad wird's genauer wissen. Aber verzeih' mir, wenn ich allein bei dem Gedanken an ihn einen Kotzkrampf kriege.“

      John nickt nachdenklich. „Ich glaube dir alles, was du mir erzählt hast. Das weißt du ganz genau.“, versucht John ihn zu beruhigen. Aber ...“, er sieht Keno flehentlich an, „Darleen ... ich kann sie nicht allein lassen. Das geht jetzt einfach noch nicht. Nur noch zwei Tage bis zu den Weihnachtsfeiertagen und auch noch Silvester. Wenn ich jetzt gehe, kann ich ihr direkt ein Messer in den Bauch stoßen. Das verstehst du doch, oder?“ Keno erwidert eine Weile stumm Johns verzweifelten Blick.

      Der streckt seine Hand aus und greift über den Tisch.

      „Bitte!“, redet er leise auf Keno ein, während er über dessen Handrücken streichelt. „Es geht ihr doch schon viel besser. Bald kommt sie wieder nach Hause. Doch bis dahin …“ Er seufzt. „Hältst du noch durch?“, fragt er vorsichtig nach.

       „Klar!“, stößt Keno mit rauer Stimme hervor. „Ich lass‘ mir auch die Haare schneiden. Aber Weihnachten kannst du vergessen. Da bleib‘ ich hier, wenn du einen auf Familie machst.“

       „Ach, Cat ...“, setzt John an. „Wahrscheinlich ist der Alte gar nicht dabei. Dann kannst du doch mitkommen, oder?“

      Keno schüttelt eigensinnig den Kopf.

       „Eher friert die Hölle zu, als dass ich mich im Haus deines Vaters an einen Tisch setze und esse, selbst wenn er nicht dabei sein sollte.“

      Verdammt!“ George sitzt an dem kleinen Biedermeier-Schreibtisch in der Suite und starrt einen imaginären Punkt an der Wand an. Er kann es nicht mehr länger ignorieren. Seine lebensunfähige Tochter bricht völlig zusammen. Weihnachten naht und seine Frau nervt ihn jeden Tag mit Nachrichten auf seiner Mailbox. „Wann kommst du endlich?“, „Darleen braucht dich.“, „John ist wieder da! Komm endlich!“. Zugegeben! Die letzte Information hatte ihn nicht überrascht. Nicht umsonst beauftragt George eine teure Detektei! Doch es hilft ihm momentan nicht wirklich! So ein Mist!

      George schreibt nebenbei seiner Sekretärin eine Mail, damit sie ihm den nächsten Flug buchen kann. Er will die Auseinandersetzung mit seinem Sohn nicht mehr länger aufschieben. Sonst redet der am Ende noch mit Mary – und seine Frau will George nun wirklich nicht in dieses Thema einweihen. Vor allem weil er plant, sich im nächsten Jahr von Mary scheiden zu lassen. Aber auf die sanfte Tour! Das muss Schritt für Schritt gehen.

      „Wenn alles gut läuft, bin ich Silvester wieder hier“, sinniert er vor sich hin. „Gut, dass Mika noch eine Weile bleibt. Dann ist Jana Weihnachten nicht alleine.“ Ein Grinsen zieht über sein Gesicht. Die vergangenen Tage waren … unterhaltsam. Auch wenn Mika ihm gegenüber sehr zurückhaltend ist. Das wird schon noch. Momentan ist George damit zufrieden, die beiden zu beobachten. Jana mutiert zur rolligen Katze und der Junge betet sie an. Das Zusammenspiel der beiden geilt ihn dermaßen auf, dass er mehrmals kommt – und zwar heftig – während er sich beim Spannen befriedigt. Multiple Orgasmen! Aach, herrlich!

      Besonders hart wird George, wenn er Mika zwischendurch schlägt. Der Junge nimmt alles, was er ihm gibt. „Beug dich vor!“ – dünner Rohrstock auf den Hintern. „Knie dich hin!“ – mehrschwänzige Peitsche für den Rücken. „Leck sie!“ – mit dem Gürtel auf den Hintern und die Oberschenkel. Eigentlich wollte George noch ein paar Spielzeuge kaufen, doch das kann er jetzt erst mal vergessen. Schade!

      Inzwischen hat ihn die Antwort seiner Sekretärin erreicht. Heute Abend geht ein Flieger nach Houston. Prima! Dann kann er sich heute Nachmittag noch mit Maddie treffen. Nachdem sie sich in Europa eingerichtet hat, treffen sie sich ab und zu. Maddie hat ihr Geschäftskonzept geändert. Kein Zwang, keine Geiselnahmen mehr. Für sie arbeiten nur noch freiwillige Jungs und Mädchen. Eine hämische Idee schleicht sich in George’s Gedanken. „Wäre das nicht ein toller Job für Mika? Er käme super bei Maddies Kundschaft an!“ Da ist sich George sicher. Und Mika könnte richtig viel Geld machen. Die Bezahlung ist eines der herausragenden Merkmale in Maddies Geschäft. Denn wer viel zahlt, kann auch Besonderes verlangen. Darauf hat sie sich spezialisiert.

      „Sie kann sich ihn ja mal ansehen“, schließt George seine Überlegung ab. Sorgfältig fährt er sein Laptop herunter und erhebt sich seufzend. Zeit, seinem Engel seine kurzfristige Abreise zu beichten.

      *