I. Tame

Mika liebt …


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den Hebel der Armatur nach unten.

      „Ich freue mich dich zu sehen … Cat!“ George lächelt geradezu diabolisch, während er Kenos Spitznamen haucht. „Was machst du denn hier am Flughafen? Ihr seid doch noch gar nicht so lange hier.“

      „Das geht dich nichts an“, faucht Keno zurück, doch die Fassade seiner Gefühle ist leicht zu durchschauen.

      „Immer noch so frech! Immer noch so vorlaut! Hast du denn gar nichts gelernt durch meine Erziehung?“ George bleibt ruhig und spricht mit cooler getragener Stimme. Keno funkelt ihn böse durch seinen langen Pony an. Sein Atem geht immer noch tief und seine Hände krallen sich im Pulli fest.

      „John weiß alles!“, flucht Keno George geradezu ins Gesicht. „Das wird er dir nie verzeihen!“

      George lacht grinsend auf. „John WIRD mir glauben, vertrau‘ mir! Was soll letztendlich von einem Stück Dreck wie dir schon kommen?! Die Wahrheit? Mach‘ dich nicht lächerlich! John wird an deinen Worten zweifeln – vor allem wenn du ihn jetzt schon wieder alleine lässt.“

      George kann die Zweifel, die er in Keno sät, geradezu riechen. Ach, es ist so einfach! Manchmal viel zu einfach.

      Jetzt geht er einen Schritt auf Keno zu. Dieser weicht unwillkürlich zurück. Schweiß steht auf seiner Stirn. Er schluckt trocken und ein leises Zittern zieht durch seinen Körper.

      „Einmal Sklave, immer Sklave!“, haucht George ihm höhnisch zu. „Gut, dass du Angst hast. Denn wenn du Angst hast, lässt du mich in Ruhe! – Ist doch so, oder??!!“

      Unmerklich wie eine Schlange schiebt sich George immer näher. Schließlich trennt sie kaum noch ein Meter voneinander.

      „Lass mich einfach in Ruhe! Dann passiert dir auch nichts. Hast du dir etwa eingebildet, ich wüsste nicht, wo du wohnst und was du so machst? Ich weiß IMMER wo du bist, Keno! Ich weiß wo du bist, was du tust … und mit wem. Also, halt‘ die Füße still und dein dreckiges Maul geschlossen. Sonst müsste ich vorbeikommen und dich … bestrafen!“ Das letzte Wort spricht er mit einer schmollenden Schnute aus. Dann lächelt er wieder.

      „Gibst du mir zum Abschied einen Kuss?“, fragt er leichthin.

      Keno drückt sich noch fester gegen die Wand, um so viel Abstand wie möglich zu halten. Sein Gesichtsausdruck ist starr wie eine Maske.

      „Dachte ich’s mir doch“, gibt George gleichmütig nach. „Übrigens, um dir die Sache noch leichter zu machen: Ich habe Aufnahmen der Überwachungskameras von damals. Da ist alles drauf. Wie du die Wachleute abknallst und wie du Edward niederschießt. Wehrlos! Hinter seinem Schreibtisch sitzend. Wenn du also meinst, du müsstest über deine – ach so schlimme – Vergangenheit mit den Behörden reden, dann halte dir immer vor Augen, was dann mit dir passiert.“

      „Dass die alle noch leben, musst du ja nicht unbedingt erfahren“, amüsiert sich George in Gedanken.

      Georges Worte treffen Keno wie ein Keulenschlag. „Oh, mein Gott, oh verfickte Scheiße! Ich hab‘ sie alle auf dem Gewissen!“ Sein persönliches Desaster hätte ihn fast überhören lassen, was ihm George aus Richtung Ausgangstüre noch zuruft.

      „Übrigens … schöne Grüße von Mika!!“

      *

      „MIKA?! WAS HAT DER MIT MIKA ZU TUN??!!“, brüllt Keno keine Minute später in sein Handy. Er ist immer noch auf der Toilette, bekommt nicht mit, wer rein- oder rausgeht. Er kann kaum die Umgebung sehen, so verheult sind seine Augen. Er zittert dermaßen, dass er sein Telefon kaum halten kann. Seine Nase läuft und er reißt sich ein Papiertuch aus dem Automaten. Jetzt ist also doch eingetroffen, was Keno immer verhindern wollte. Was er immer befürchtet hat. George hat in irgendeiner Art und Weise Kontakt zu Mika. Und der hat keine Ahnung, mit wem er es zu tun hat.

      „Und wer ist schuld daran??“, brüllt er sich im Kopf selber an. „ICH, ICH, verdammt noch mal. Weil ich ihm nichts erzählt hab‘, ich blödes Arschloch. Ich hab‘ alles falsch gemacht, alles!“

      Keno lehnt sich gegen die kühlen Fliesen und rutscht langsam zu Boden. Endlich dringt Johns Stimme wieder zu ihm durch.

      „Keno! Hör‘ mir zu!! Check ein! Dein Flieger geht gleich. Du musst nach Deutschland und Mika suchen. Vorher weißt du gar nichts! Wahrscheinlich hat er einfach nur gelogen. Glaub‘ ihm doch nicht. Herrgott, Cat, er lügt uns schon unser ganzes Leben lang an!! Bitte …“

      John flippt fast aus, weil er nur noch Kenos Schluchzen hört.

      „Bitte! Rede doch mit mir!“

      Er hört, wie sich Keno aufrappelt und danach den Wasserhahn aufdreht. Kurze Zeit später ist er wieder dran.

      „Ich bin wieder da!“, schnieft er nasal zurück.

      „Cat, geh‘ jetzt! Du darfst deinen Flieger nicht verpassen!“

      „Er wird dir nur Lügen über mich erzählen“, redet Keno tonlos weiter.

      „Ich werde ihm kein Wort glauben, das weißt du doch!“

      „John“, flüstert Keno und deckt sein Handy beim Reden ab. „Ich hab‘ all die Leute umgebracht. Ich hab‘ sie alle erschossen, John.“

      John packt sich entsetzt an die Stirn.

      „Nichts davon ist bewiesen, gar nichts!!“, betont er nachdrücklich.

      „Er hat Aufnahmen davon. Ich weiß, dass da überall Kameras waren. Warum sollte er lügen?“

      „Weil er eine perverse Sau ist, darum!“, kommt prompt John’s Antwort. „So, und jetzt atmest du tief durch und checkst ein. Bitte beruhige dich, sonst denken die Sicherheitsleute noch, du bist ein Irrer mit ‘ner Bombe.

      Cat lacht tatsächlich kurz auf. „Okay, ich melde mich dann!“

      „Ich liebe dich!“

      „Ich liebe dich auch!“

      Keno drückt sein Handy aus und starrt vor sich hin. Doch statt direkt rauszugehen, dreht er sich hastig um, eilt in die nächste Kabine und übergibt sich heftig.

      Die Vorweihnachtszeit ist eine furchtbare Zeit für Mika. Dieser ganze kitschig verklebte Konsum und die im Fernsehen zelebrierte Verlogenheit der Gefühle geben ihm fast den Rest. Keno fehlt ihm dermaßen, dass er den ganzen Tag nur heulen würde, wenn Jana nicht bei ihm wäre. Es fühlt sich anders an als zu der Zeit als er wusste, dass Keno in der Nähe war und sich trotzdem nicht meldete. Schlimmer. Intensiver. Endgültig.

       Gott sei Dank muss er sich nicht mehr selber verletzen; dafür überrennen ihn seine Gefühle in jedem beliebigen Moment. Gut, dass er nicht arbeitet, wo Mika sich ganz schnell verdrücken müsste, um nicht vor versammelter Kundschaft loszuheulen. Verdammt, sogar der so coole, arrogante John fehlt ihm. Wenn ihn sein Liebeskummer besonders heftig erwischt, zieht er einfach Jana in seine Arme und atmet tief ihren Geruch ein, während sie sich gegenseitig sanft wiegen.

       Doch obwohl Mika so krass leidet, hält er an seinem Entschluss fest. Er fühlt sich dermaßen verarscht und nicht für voll genommen; er ist es leid, wie ein Siebenjähriger bevormundet zu werden. Es stinkt ihm, nicht an Kenos ganzem Leben teilhaben zu dürfen. Immer sind da irgendwelche Geheimnisse, die er vor Mika hat – natürlich nur, um ihn zu beschützen. Aber wovor genau? Nein! Das kann er Mika natürlich nicht sagen. John hat wohl am Ende doch Recht behalten. Der wusste genau, dass sich alles einmal in diese Richtung entwickeln würde. Was ein Scheiß!

       Keno hat so oft versucht ihn anzurufen, dass Mika automatisch nicht mehr auf dessen Nummer reagiert. Eigentlich fragt er seine Mailbox überhaupt nicht mehr ab. Wer ihn direkt erreicht hat Glück, wer auf die Box geschaltet wird, hat eben Pech!

       „Ich hab' mich gefragt, ob du nicht Lust auf ein