Peter Peppler

Samui und zurück


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auf ihrem Weg zur Nachtschicht.

      Ein junger Thai mit langem Pferdeschwanz, in einem weissen Hemd mit einem hübschen Flecken auf dem Kragen und einer kurzen, schwarzen Schürze über der Jeans brachte uns lächelnd die Karte und fragte, mit Block und Kugelschreiber in der Hand, was wir gerne zu Trinken hätten. “Für mich ein Singha, bitte”, seufzte Leo in meine Richtung, als wäre sie am verdursten, Er hatte es wohl verstanden, nickte und kritzelte auf seinem Block herum. Ich bestellte eine Flasche Wasser, steckte mir eine Zigarette an und gab auch Leo Feuer.

      Sie hatte schon in der Karte zu blättern begonnen, meine liess ich unberührt auf dem Tisch liegen. Sie schaute auf und fragte: “Na, willst du nichts essen?”. “Doch, ein Steak au Poivre mit einer Kartoffel vom Grill”. “Ach ja, du kennst dich ja aus hier. Das hört sich doch gut an”, meinte sie, “in den letzten drei Tagen habe ich alle möglichen Variationen von Fried Rice und Fried Noodles durchprobiert, jetzt brauche ich mal wieder etwas Europäisches, das nehme ich auch”. Der Junge brachte Gläser, eins davon gefüllt mit Eiswürfeln, ein großes Bier und Wasser, notierte unsere Wünsche, fragte nach der Art der Steakzubereitung und kritzelte noch ‘well done’ für mich und ‘medium’ für Leo auf seinen Block.

      Sie streckte sich auf ihrem Stuhl, rutschte hin und her und versuchte, mit übereinander geschlagenen Beinen eine möglichst bequeme Sitzposition zu finden. So langsam fing sie an, mir zu gefallen. Ihr Gesicht war wirklich hübsch, sie trug khakifarbene Cargohosen, ein knappes, hellblaues, mit silbernen Pailletten besticktes T-Shirt und, wie mir erst jetzt auffiel, keinen BH. “Magst du kein Bier?”, eröffnete sie die Konversation. “Doch, sehr gerne, ich hatte nur bis vorgestern in Bangkok ein paar zuviel davon, das dauert dann so zwei, drei Tage, bis ich überhaupt wieder eins Riechen kann“. “Wie lange warst du in Bangkok?”. “Drei Tage.“ antwortete ich und sie füllte erneut ihr Bierglas.

      Unsere Steaks wurden serviert, reichlich mit Gurken- und Tomantenscheiben und Salat garniert und einer Riesenpellkartoffel in Alufolie. “Hmm, super,” sagte Leo und leckte sich die Lippen, “dann guten Appetit!”. “Danke, ebenfalls, und noch mal Danke für die Einladung“. “Nein, ich bedanke mich für die T-Shirts. Warum habe ich eigentlich nicht gleich eins angezogen, dies ist doch ein besonderer Anlass!”. Das Essen war ausgezeichnet, danach bestellten wir noch zwei Schalen Eiscreme mit Papaya und Kokosnuss und naschten sie, während wir weiter plauderten.

      Leo war extrem neugierig und versuchte ständig, mich auszufragen. Nach dem Grund für die Scheidung von Meou. Ob ich wieder hier in Samui sei, um mir eine neue Frau zu suchen, oder: “Und in Bad Nauheim lebst du wirklich allein? Keine Freundin?” und “Was treibst du so nach Feierabend oder am Wochenende?”. Da meine spärlichen Antworten sie nicht zu einem Themenwechsel veranlassten, sagte ich es ihr direkt: “Ehrlich gesagt, habe ich jetzt absolut keine Lust, darüber zu reden”.

      Sie wurde etwas leiser und ein wenig traurig meinte sie schliesslich: “OK, verstehe schon, ich gehe dir auf die Nerven mit meiner dämlichen Fragerei. Mist, es ist immer das gleiche mit mir, da treffe ich endlich mal einen Typen, der mir auf Anhieb sympathisch ist und vergraule ihn gleich wieder mit meiner penetranten Neugier. Aber so bin ich nun mal, wenn mich etwas interessiert, dann muss ich einfach fragen.”

      “Leo, du gehst mir nicht auf die Nerven, es war das Thema, das mich genervt hat. Nein, das stimmt auch nicht. Es war das Thema, das nicht zu einem so schönen Abend passt. Erzähl mir doch lieber mal etwas über dich“. ”Sehr versöhnlich, danke, lieb von dir, dass du nicht gleich aufgestanden und weggelaufen bist!”. Nach einer kurzen Denkpause lächelte sie wieder. “Was ich in Deutschland mache, wird dich auch nicht gerade vom Hocker hauen, ich bin Zahnarzthelferin. Macht mir aber Spass, ich habe zwei nette Chefs, super Kolleginnen, eine geregelte Arbeitszeit und der Job ist relativ krisensicher. Und was mein Liebesleben betrifft, da sieht es im Moment reichlich traurig aus”. “So genau wollte ich es auch wieder nicht wissen”. “Jetzt weisst du es. Hätte ja sein können, dass es dich interessiert, das ich zur Zeit solo bin“.

      “Leo, erstens bin ich nicht blind, und zweitens bin ich nicht hier, um auf Teufel komm raus Mädels aufzureissen oder, koste, was es wolle, einem Urlaubsabenteuerchen hinterher zu jagen, aus dem Alter bin ich raus, ich will nur meine Ruhe haben. Wenn sich zufällig etwas ergibt, OK, habe ich nichts dagegen, aber es muss die Sache auch wert sein“. “Und was heisst das im Klartext”, fragte sie mit zu Seite geneigtem Kopf, “nein, vergiss die Frage, ich will nicht schon wieder anfangen. Aber ein Bier würde ich gerne noch trinken, willst du nicht auch eins?”. “Nein, danke, wirklich nicht”. In diesem Moment ging der Junge mit einem Tablett vorbei: “Hallo, noch ein Bier bitte. Und einen Grappa“, rief Leo ihm hinterher, was umgehend serviert wurde. Sie grinste, griff nach ihrem Glas, kippte das Zeug hinunter und schüttelte sich. “Gut, dann gebe ich mir jetzt den Rest. Maekong rühre ich nicht mehr an, aber Grappa ist in Ordnung, den gibt’s bei meinem Lieblingsitaliener in Kassel auch immer“, und nahm gleich noch einen Schluck aus der Bierflasche.

      “Wenn du schon so oft hier warst, kennst du doch sicher diesen Naturschutzpark“, fing sie, Gott sei dank, mit einem neuen Gesprächsthema an. “Du meinst Ko Ang Thon?”. “Ja, ich denke schon, Tina und Lena wollen am Dienstag einen Tagesausflug mit dem Boot dahin machen und haben mich gefragt, ob ich mitkommen will. Was gibt’s da zu sehen?”. An den Ang Thon Marine Park erinnerte ich mich sehr gut. Meou hatte mich dazu überredet, mit ihr hinzufahren, nachdem wir uns gerade drei Tage kannten und es wurde ein verdammt anstrengender Tag. Angefangen mit dem frühen Aufstehen um sechs, hastig etwas frühstücken, mit ihrem Motorrad nach Nathon fahren, zweieinhalb Stunden Überfahrt in der prallen Sonne und die ersten zwei Dosen Singha, auf Ang Thon die Klettertour auf den ‘View Point’, Barbecue-Mittagessen im Schatten, Boat Trip durch den Marine Park, in der Nachmitagssonne wieder zurück und, zum Abschluss, feuerrot verbrannt, noch zwei Singha im Biergarten des ‘Lion” in Nathon.

      “Eine phantastische Landschaft gibt’s da zu sehen“, schwelgte ich immer noch halb in der Erinnerung versunken. “Allein die Aussicht vom View Point auf der Hauptinsel über den gesamten Marine Park ist den Ausflug wert. Allerdings musst du auch raufklettern. Und dich nicht durch die Wegweiser irritieren lassen. Unten am Strand steht der erste rote Pfeil mit der Aufschrift ‘View Point 10 minutes’, dann geht’s steil bergauf durch den Dschungel, teilweise ist gar kein Trampelpfad erkennbar, aber immer wieder ein neuer Wegweiser ‘View Point 5 minutes’, du kletterst über Felsbrocken, stolperst über Wurzeln bis zum nächsten und übernächsten Wegweiser ‘View Point 5 minutes’ und wenn du durchhältst, bist mit etwas Glück frühestens nach einer halben Stunde oben auf einer kleinen Holzplattform mit einem lebensgefährlich verrottetem Geländer und kannst den Ausblick geniessen. Echt toll!”.

      Leo schaute mich skeptisch an. “Soll ich das jetzt Ernst nehmen oder machst du Witze?”. “Absolut nicht. So war es jedenfalls vor 20 und auch noch vor zehn Jahren, und wie ich die Thais kenne, wird sich da nicht viel geändert haben. Anyway, mittags gibt’s ein Barbecue unter Palmen, eine Rundfahrt mit dem Boot kreuz und quer zwischen den Inselchen hindurch und um fünf bist du wieder in Nathon City. Und lass dich nicht erwischen, wenn du beim Landgang an irgend einem der kleinen Strände eine besonders schöne große Muschel in deiner Tasche verschwinden lassen willst, so was wird mit 500 US Dollar Strafe belohnt. Ich habe eine zu Hause in meinem Büro liegen, straffrei“.

      “Schön, wie du das erzählst. Ich denke, ich würde schon gerne mit den beiden hinfahren. Komm doch auch mit, dann hätten wir einen erfahrenen Reiseführer“. “Ich mache keine Schwarzarbeit, schon gar nicht im Urlaub“, lachte ich, “nein, ernsthaft, das ist mir zuviel Action, ich gehe lieber hier am Strand spazieren. Fahr doch mit, ist echt schön!”. “Ja, mache ich auch!”, entschloss sie sich, beugte sich etwas zu mir herüber und flüsterte fast: “Tina und Lena sind mit Sicherheit bi“. Ich beugte mich ebenfalls nach vorne, weil ich sie kaum verstanden hatte. “Sie sind was?”, und sie antwortete in normaler Lautstärke: “Bi, bisexuell. Sie unterhalten sich zwar ununterbrochen über irgendwelche geile Typen, aber hast du mal beobachtet, wie sie sich anschauen und ständig berühren und umarmen?”.

      “Das ist schwer zu übersehen, sie machen es ja nicht gerade heimlich. Ich habe nichts dagegen, wieso,