ob ich so was auch könnte oder wollte, dann ist da doch eine ganz schön große Hemmschwelle. Aber ich bin nun mal eben unheimlich neugierig, wie du gemerkt hast“. “Dann nutze doch die Gelegenheit und probier’s aus, unverbindlicher als in einem Urlaub, nach dem man sich sowieso nie mehr sieht, kannst du es doch gar nicht haben”, schlug ich ihr vor. “Ach, also ich weiss nicht..., würdest du mit zwei Schwulen einen Trinken gehen?”. “Wenn ich überhaupt in ‘ne Kneipe gehen würde, warum denn nicht? Sie werden dich schon nicht vergewaltigen“, ermutigte ich sie noch einmal und sie fragte schelmisch: “Kann es sein, das deine Phantasie jetzt mit dir durchgeht?”.
Leo orderte noch ein Singha und einen Grappa bei dem Jungen, der gerade bei den Gästen zwei Tische weiter abkassiert hatte. Ausser unserem war nur noch ein Tisch besetzt, ich fühlte langsam die Müdigkeit in meinem Kopf und träumte mit offenen Augen, vor denen die Lichter von Pha Ngan größer und größer zu werden schienen. “Peter, wo bist du?”, trällerte Leo, drückte kurz meine Hand, die ruhig auf dem Tisch lag und griff nach ihren Zigaretten. Eine vereiste Flasche Singha und ein Grappaglas standen bereits vor ihr. “Keine Ahnung“, sinnierte ich, vor mich hin lächelnd, “irgendwo zwischen Vergangenheit und Gegenwart“. So ganz wollte sie mir das Lächeln nicht abkaufen und meinte zweifelnd: “Du, ich habe das Gefühl, du bist manchmal sehr traurig. Keine Angst, ich frage nicht, warum”.
Nach einem Schluck Bier aus der Flasche, ihr leeres Glas war unappetitlich gelblich braun von getrocknetem Schaum, hatte sie wieder etwas ganz anderes im Kopf. “Was hältst du eigentlich von unserem Captain Bavaria, ich habe zufällig vom Bungalow aus gesehen, wie ihr euch am Pool unterhalten habt“. Fast wäre mir rausgerutscht ‘dass du etwas zufällig siehst, halte ich schlicht für unmöglich’, aber glücklicherweise nur fast. “Ist eben ein Macho, aber man kann auch ganz vernünftig mit ihm reden, er ist schon in Ordnung, denke ich. Er hat mich nach ein paar Tipps gefragt zum Thema ‘Wie finde ich eine süße kleine Thai und exportiere sie nach Deutschland?’”. “Das sieht ihm ähnlich!”, lachte sie, “vor drei Tagen waren wir doch abends mit den Jungs in Chaweng im Green Mango, einer Riesen-Disco. Ständig versuchte er sich an mich ranzumachen und an mir rumzugrabschen, aber sobald so eine ’süße kleine Thai’ in Sichtweite war, und das war ja fast dauernd der Fall, bekam er Stielaugen und was weiss ich nicht noch alles”.
Da musste ich aber endlich einmal herzhaft lachen. “Reg dich doch nicht so auf, du bist noch zwei Wochen hier, und Männer gibt es mehr als genug, du bist doch nicht auf Joss angewiesen“. “Und du hast mir gesagt, ich bin nicht dein Typ”, schmollte sie, worauf ich korrigierte: “Nicht so ganz, habe ich gesagt“. “Ja, ich weiss“, winkte sie ab, “aber du gefällst mir irgendwie“, und ich glaubte ihr die Singha und den Grappa anzumerken. Eine blödere Antwort als: “Nach fünf Bier gefalle ich mir auch!” fiel mir nicht ein, aber Leo lachte wieder.
“Leo, ich bin müde, und ich war heute viel zu lange in der Sonne, komm, trink dein Bier aus und lass uns nach Hause gehen“. Sie nickte widerspruchslos und trank den Rest aus der Flasche. “Ja, noch eins wäre vermutlich zuviel“. Sie wühlte in ihrer Tasche, brachte ein paar 500 Baht Scheine zum Vorschein und winkte damit dem Jungen, der auch sofort mit der Rechnung auf einem Teller am Tisch stand. Ich war zu müde, auch nur einen Blick auf den Zettel zu werfen, Leo bezahlte und brachte tatsächlich noch ein Lächeln und ein freundliches ‘Kop kun kah’ heraus.
Beide unsere Taschen geschultert, verliessen wir das Chang Noi und spazierten langsam zurück zum Smile House. Leo schwankte leicht, griff nach meiner Hand und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. “Und“, fragte sie wider Erwarten munter, als wir nach links auf den Weg zu ihrem Bungalow einbogen: “was machst du morgen?”. “Urlaub“. “Ha ha ha, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen,” flachste sie und vermied oder vergaß es glücklicherweise, für morgen irgend etwas mit mir zu planen.
Ich begleitete sie die drei Stufen hoch über ihre Veranda bis vor die Tür. Den Schlüssel hatte sie schon aus der Tasche gefingert, schloss umständlich die Tür auf und schaute mir erwartungsvoll in die Augen. “Kommst du noch ein bisschen rein zu mir?”. “Nein, Leo, ich bin wirklich müde, ich möchte jetzt einfach nur noch schlafen. Aber danke, es war ein schöner Abend“. Einen Anflug von Enttäuschung überspielte sie mit einem blitzschnellen, kaum spürbaren Kuss auf meinen Mund und sagte nur noch: “Ja, war schön. Dann..., bis morgen?”. “Ja, natürlich, gute Nacht, schlaf gut“. “Du auch, gute Nacht.”
Ich hörte, wie sie von innen die Tür verschloss und fühlte mich erleichtert. Sie ist ja ein liebes Mädchen, aber so was von hartnäckig neugierig, dachte ich auf dem Weg quer über den Rasen zu meinem S4, zog Hemd und Jeans aus, stellte mir ein Glas Wasser neben mein Bett und legte mich ausgestreckt auf den Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Hundemüde, wie ich war, dachte ich bestimmt noch eine halbe Stunde nach, worüber wir eigentlich den ganzen Abend geredet hatten.
Dritter Tag - Marie
Sonntag, 24. Februar
Nass geschwitzt wachte ich um kurz nach sieben auf und wusste genau, etwas nicht sehr Angenehmes geträumt zu haben. Ebenso angestrengt wie vergeblich versuchte ich, mich an auch nur an irgend etwas zu erinnern, während ich eine Saiphon rauchte und die Kaffeemaschine gurgelte. Ich saß auf der Bettkante und wurde auch nach der zweiten Tasse Kaffee noch nicht richtig wach. Nach dem Duschen ging es mir etwas besser und ich beschloss, gleich zu frühstücken, bevor Leo oder der Harley Club im Restaurant eintrudelte. Kurz vor acht saß ich vor einem doppelten Cheeseburger und der Bangkok Post an einem Tisch in der hintersten Ecke des Restaurants und liess es mir schmecken. Dazu noch zwei Tassen Kaffee und ich war um kurz nach halb neun wieder zurück im S4, gerade noch rechtzeitig, um durch die halb geöffnete Tür zu sehen, wie auf der gegenüber liegenden Seite Leo in Slip und T-Shirt aus ihrem Bungalow trat und sich gähnend umschaute. Eine halbe Stunde saß ich vor meinem Laptop, checkte meine emails und übertrug die Fotos von von der Kamera.
In Jeans, Camelhemd und der Kameratasche über der Schulter spazierte ich wieder am Pool entlang zur Bar und bestellte einen Kaffee. Im Restaurant saß der Harley Club an seinem gewohnten Platz, einem aus drei zusammen geschobenen quadratischen Vier-Platz-Tischen generierten Achtertisch. Mit meiner Kaffeetasse in der Hand ging ich gerade durch das Restaurant auf sie zu, als auch von der Straßenseite her Lena und Tina herein tänzelten und wir uns am Tisch trafen. Die Mädels setzten sich und bestellten ihr Frühstück bei Katai, die mir zum Tisch gefolgt war. Währendessen begrüßte mich Captain Bavaria laut und breit grinsend mit ‘Hi Peter’’. Ich nahm mir einen Stuhl gegenüber von Joss, stellte die Tasse auf den Tisch und setzte mich auf die Stuhlkante, wie jemand, der damit ausdrücken will ‘Ich bleibe nur mal kurz’, was ich ja auch wollte.
“Na, so ganz allein? Leo ist gerade wieder weggegangen”, feixte Joss. “Ja, und?”, lächelte ich ihn an, wohl wissend, worauf er hinaus wollte, “sie hat dir doch garantiert von gestern Abend erzählt, nachdem du sie danach gefragt hast, versteht sich“. “Kein Wort hat sie gesagt, nur gefragt, ob du schon hier warst. Und müde sah sie aus. Ich dachte nur so, ihr kommt heute morgen zusammen hierher“, gab er demonstrativ enttäuscht zurück. “Kann es sein, dass du mich da schon wieder falsch einschätzt?”, fragte ich ihn, trank schmunzelnd meinen Kaffee aus und stand auf, “und jetzt mache ich erst mal einen Strandspaziergang. Bis nachher, spätestens zur Harley Hour“, grüßte ich in die ganze Runde, nahm meine Tasche und zog ab.
Gemütlich schlenderte ich am Strand entlang, bückte mich gelegentlich nach einem dieser kleinen, runden Dinger, die am Big Buddha für teure Baht als Talisman verkauft werden. Es waren die letzten, weil massivsten Überbleibsel von den Gehäusen der Meerschnecken, in Jahren oder Jahrzehnten abgeschliffen vom Hin- und Hertreiben auf dem Meeresgrund und schliesslich angespült am Strand. Hier und da blieb ich stehen und schaute einfach auf die leichten Wellen, hinüber nach Pha Ngan oder über die Bophut Beach und dachte an bessere, sprich glückliche