Michael Voss

Barbara & Betti


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oder zerlegte um sie vor Plünderung zu schützen.

      Heute fallen diese Entdeckungen unter den Namen „Scheunenfund“. Ich vermutete, dass ich hier etwas ganz Besonderes gefunden habe.

      Meine Gedanken kreisten nur noch um zwei alte Karren der speziellen Art. Die Fahrgestelle, wo sind sie geblieben? Ich hob noch einige Planen auf, immer dasselbe, Blechteile. Im Lageplan verzeichnete ich „Schrott“. Völlig aufgelöst, versperrte ich die eine und anschließend die andere Türe. Ich blickte in den Hof und sehe vor meiner Eingangstüre einen Korb stehen. Sie hat mich nicht vergessen. Im Korb finde ich ein richtig leckeres Essen. Schnitzel, Bier und gutes Landbrot. Ich verziehe mich in den Salon und beschließe, den restlichen Tag um das Anwesen zu wandern. Aber zuerst mal einen ausgedehnten Mittagsschlaf absolviere. Es geht mir super, in Gedanken baue ich die Fahrzeuge bereits zusammen. Ich sehe mich schon über die Alleen Mecklenburgs gondeln, mit einem Brotzeitkorb und Barbara an meiner Seite, vielleicht mit einem großen Strohhut und einem lang wehenden weißen Schal. Kräftiges Klopfen reißt mich aus meinen Träumen. „Herr … meine Tochter lässt ihnen ausrichten, sie müssen erstmal ohne sie auskommen. Sie muss noch drei Tage im Krankenhaus bleiben. Ein Fuß scheint in Gips zu sein. Ich soll ihnen ausrichten, Unkraut vergeht nicht.“

      „Vielen Dank für ihre Mühe.“

      „Das hab ich doch gern gemacht.“ Ihr Ton ist nun nicht mehr so ablehnend, eher freundlich. Ich nehme es gerne zur Kenntnis. Gegen Nachmittag spaziere ich nun durch das große Tor und befinde mich in einer Art Außenring. Ich gehe soweit bis ich ein Tor in der Außenmauer ausmachen kann. Es ist total verrostet. Von innen mit einigen Eisenstangen gesichert. Hier ist sicher die letzten zwanzig Jahre keiner mehr durchgegangen. Ein wildes Gewächs rankt sich in dem reich verzierten Tor hinauf. Dann finde ich ein weiteres Tor, welches in den Innenhof führt.

      Ebenfalls absolut fest verschlossen. Dies weckt mein besonderes Interesse, sofort fallen mir die zwei Fahrzeug-Fahrgestelle ein, welche mir zu meinem Puzzle fehlten. Hier muss ich rein, koste es was es wolle. Neben dem großen Tor gibt es noch eine kleinere Türe. Die müsste zu knacken sein. Nach einer halben Stunde hab ich es geschafft. Vorsichtig öffne ich die Türe.

      So lange kann es nicht her sein, die Scharniere sind weder verrostet, im Gegenteil, sie sind sogar mit Öl verschmiert. Also, schließe ich daraus, dass diese Türe benutz wird. Es waren Hallen, in denen die Fahrzeuge gewartet wurden. Zwei alte Lastwagen stehen dort. Mercedes, ältere Baujahre. Für LKW-Fans sicher Juwelen. Aber ganz hinten am Ende der zweiten Halle glaube ich zwei Fahrgestelle ausmachen zu können. Hier muss ich auf jeden Fall noch mal her. In der Zweiten Halle sehe ich noch eine weitere Türe, welche aber mit Kartons zugestellt ist. Ich öffne die Türe und komme in eine kleine Garage. Hier steht etwas, mit Leinentüchern zugedeckt, könnte noch ein Auto sein? Ich lüpfe die Tücher und traue meinen Augen nicht. Ein vollständig erhaltener Mercedes SSK. Das Fahrzeug ist stark eingestaubt, hier hat sicher niemand die letzten zwanzig Jahre nachgesehen. Es fängt an zu dämmern, ich muss zusehen dass ich rechtzeitig zurückfinde. In meinem Zimmer angekommen, hole ich meine selbst gefertigten Pläne und versuche die Lage der Garagen anzumerken. So langsam wird mir klar, dass es ein Lebenswerk sein wird, hier eine klare Linie zu schaffen. Ich höre jemand rufen, ich gehe in den Gang und da steht die ältere Dame von gestern. „Guten Abend, ich habe mit meiner Tochter gesprochen, sie lässt ihnen viele Grüße ausrichten. Sie wird morgen oder übermorgen kommen. Sie wird von ihrer Freundin hergebracht. Sie hat ein Bein in Gips und diverse Kratzer und Pflaster an den Armen und im Gesicht.“

      „Das tut mir aber Leid“, entgegne ich spontan. „Sie sind doch ihre Mutter?“ „Ja so ist es.“ „Wohnen Sie schon immer hier?“ „Na ja, ich soll ja nichts sagen, aber meine Tochter hat gesagt, ich könne Ihnen vertrauen. Also will ich Ihnen so viel verraten, wie sie wissen können. Ich lebe hier seit sechzig Jahren, während der Kriege war ich immer die Köchin, so hatte ich wenigstens zu essen. Die Besatzer waren nicht immer höflich, auch teilweise sehr grob, wenn Sie verstehen was ich meine. Aber jetzt bin ich in einem Alter, wo mir die Ruhe gut tut. Mein Wissensdurst hält sich in Grenzen. Aber nun muss ich wieder nach meinem Schwager sehen, es geht ihm sehr schlecht. Aber er ist ja auch schon vierundneunzig Jahre alt. Hier ist Ihr Abendessen, jetzt hätte ich es beinahe wieder mitgenommen.“

      „Vielen Dank und ich hoffe, Sie können mir noch ein wenig bei meinen Nachforschungen helfen.“

      „Ich darf ihnen einen Tipp geben, aber sagen Sie nicht zu meiner Tochter, dass Sie es von mir wissen. Sehen Sie mal in den Rollschrank am Speicher. Es wird ihnen helfen.“

      „Vielen Dank und gute Nacht, grüßen sie bitte ihren Schwager.“

      Das war wohl der Tipp, den ich gebraucht habe. Meine Brotzeit verschlang ich, mein Hunger kam erst bei dem Anblick, eines schönen Schnitzels, der Wein gab mir den Rest. Eigentlich war ich viel zu müde, aber einen einzigen Blick wollte ich doch noch werfen. Mit der Taschenlampe unter dem Arm ging in Richtung Speichertüre. Da hörte ich Schritte, die sich aus dieser Richtung schnell entfernten. Ein Schatten, er war nicht mehr zu sehen. Es gibt also noch jemanden, der sich für die alten Dinge interessiert. Ich höre noch entfernt jemanden eine Treppe herunterlaufen. Das gefiel mir weniger. Sofort kontrollierte ich alles in meinem Zimmer. Zuerst mein Handy mit dem Navi. Ich steige in den Speicher. Alles da, er hat es wohl noch nicht entdeckt. Ich muss es besser verstecken. Aber eine SMS ist auf dem Handy. „Sei vorsichtig, es könnte noch einige „Aktive“ in deiner Behausung geben. Bewaffne dich wenn möglich, wenigsten mit einem Knüppel.“ Ich grinste, dies war der Humor von Richard, eigentlich sagen wir nur Richi zu ihm. Wir kennen uns noch aus der

      Sturm-und-Drang-Zeit aus München. Okay - das war wenigsten ein Hinweis. Der Schreck in der Abendstunde!

      So jetzt aber noch einen Blick in den Rollschrank. Hier muss er gewesen sein, denn beim letzten Mal, als ich den Rollschrank sah, war alles sehr ordentlich. Nun lagen einige Ordner verstreut herum. Ich fing an, in den Ordnern zu blättern. Es sind Personal-Ordner. Da sehe ich doch einfach mal unter „Reinertshagen“ nach.

      Wo ist „ R“? Hier liegt ein Ordner, ganz in der Ecke. Ich blättere darin, der Papierstaub lässt mich kräftig niesen. Da, eine richtig fette Personalakte. Mit Hans Georg als Vorname, aber da, eine zweite Akte, Hans Werner. Es waren wohl Brüder. Aber welcher ist nun Barbaras Vater und welcher der Onkel? Ich nehme die Akten einfach mit auf mein Zimmer, das erscheint mir erheblich bequemer, außerdem steht da mein Wein. Ich studierte die beiden Akten, eigentlich ist es seltsam, dass sich der Onkel diese nicht schon längst besorgt hat. Oder war er so ordnungsliebend, das er in seiner eigenen Registratur keine Unordnung duldete? Also, es war wohl so, dass der Onkel das Ekel der Familie war. Er hatte die gesamten Jahre das Kommando. Der Bruder hatte nur untergeordnete Arbeiten zu tun, sich um die Fahrzeuge zu kümmern, er war wohl der Praktische von beiden, und vielleicht nicht so fies veranlagt. Ich blättere einfach mal nach dem Zufallsprinzip und stoße auf den Namen Reinbacher. Hier ist ein Sterbedatum, Moment mal, der war ja gerade mal zweiunddreißig Jahre. Bei Verhör, Herzinfarkt. Na, da kann man sich ja einen Reim darauf machen. Verhört wurde er vom Onkel. Ich lege die Unterlagen bei Seite und nehme einen kräftigen Schluck. So, noch Duschen und ab in die Koje.

      Inzwischen ist es bereits halb zwölf. So gut hab ich schon lange nicht mehr geschlafen. Das Frühstück halte ich kurz. Für diesen Tag habe ich mir die andere Seite vorgenommen. Im Speicher angekommen, schlage ich den Weg nach links ein. Wo ist denn hier der Lichtschalter, ich nehme meine Taschenlampe und leuchte den Raum ab. Auf der anderen, gegenüberliegenden Seite entdecke ich gleich mehrere Lichtschalter in einer Reihe. Der Raum ist ziemlich vollgestellt. Wiederum Kisten, aber auch einige Schränke. Die Schränke erscheinen mir am leichtesten zu öffnen. Alles voller Kleidung, Uniformen, Stiefel und Helme. Sieht nach Ausgehuniformen aus. Mein Interesse wird nun durch die verschiedenen Uniformen geweckt. Es sind welche von der SS und auch Polnische Uniformen sind darunter. Die nächste Türe ist nicht verschlossen, das Licht befindet sich an der Türe. wie angenehm.

      Dieser Raum hat keine Seitenwände, keine Raumteiler, wie ich sie in den anderen Räumen vorgefunden hab. Diese Seite des Speichers hat also nicht viel gebracht. Ich will nochmals in den alten Teil des Speichers zurückkehren, mir den Rollschrank und noch die verbleibenden Kisten betrachten. Der Rollschrank ist noch wie am Vortage. Es ist immer