Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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Auf alle Ex­ces­se der Form und des Ge­dan­kens, das heißt auf al­les Das, was in die­sem Al­ter über­haupt cha­rak­te­ris­tisch und in­di­vi­du­ell ist. Das ei­gent­lich Selb­stän­di­ge, das sich, bei die­ser all­zu­früh­zei­ti­gen Er­re­gung, eben nur und ganz al­lein in Un­ge­schick­lich­kei­ten, in Schär­fen und gro­tes­ken Zü­gen äu­ßern kann, also ge­ra­de das In­di­vi­du­um wird ge­rügt und vom Leh­rer zu Guns­ten ei­ner un­o­ri­gi­na­len Durch­schnitts­an­stän­dig­keit ver­wor­fen. Da­ge­gen be­kommt die uni­for­mir­te Mit­tel­mä­ßig­keit das ver­dros­sen ge­spen­de­te Lob: denn ge­ra­de bei ihr pflegt sich der Leh­rer aus gu­ten Grün­den sehr zu lang­wei­len.

      Vi­el­leicht giebt es noch Men­schen, die in die­ser gan­zen Ko­mö­die der deut­schen Ar­beit auf dem Gym­na­si­um nicht nur das al­ler­ab­sur­des­te, son­dern auch das all­er­ge­fähr­lichs­te Ele­ment des jet­zi­gen Gym­na­si­ums se­hen. Hier wird Ori­gi­na­li­tät ver­langt, aber die in je­nem Al­ter ein­zig mög­li­che wie­der­um ver­wor­fen: hier wird eine for­ma­le Bil­dung vor­aus­ge­setzt, zu der jetzt über­haupt nur die al­ler­we­nigs­ten Men­schen im rei­fen Al­ter kom­men. Hier wird Je­der ohne Wei­te­res als ein lit­te­ra­tur­fä­hi­ges We­sen be­trach­tet, das über die erns­tes­ten Din­ge und Per­so­nen eig­ne Mei­nun­gen ha­ben dürf­te, wäh­rend eine rech­te Er­zie­hung ge­ra­de nur dar­auf hin mit al­lem Ei­fer stre­ben wird, den lä­cher­li­chen An­spruch auf Selb­stän­dig­keit des Urt­heils zu un­ter­drücken und den jun­gen Men­schen an einen stren­gen Ge­hor­sam un­ter dem Scep­ter des Ge­ni­us zu ge­wöh­nen. Hier wird eine Form der Dar­stel­lung in grö­ße­rem Rah­men vor­aus­ge­setzt, in ei­nem Al­ter, in dem je­der ge­sproch­ne oder ge­schrie­be­ne Satz eine Bar­ba­rei ist. Nun den­ken wir uns noch die Ge­fahr hin­zu, die in der leicht er­reg­ten Selbst­ge­fäl­lig­keit je­ner Jah­re liegt, den­ken wir an die eit­le Emp­fin­dung, mit der der Jüng­ling jetzt zum ers­ten Male sein li­te­ra­ri­sches Bild im Spie­gel sieht – wer möch­te, alle die­se Wir­kun­gen mit ei­nem Blick er­fas­send, dar­an zwei­feln, daß alle Schä­den un­se­rer lit­te­ra­risch-künst­le­ri­schen Öf­fent­lich­keit hier dem her­an­wach­sen­den Ge­schlecht im­mer wie­der von Neu­em auf­ge­prägt wer­den, die has­ti­ge und eit­le Pro­duk­ti­on, die schmäh­li­che Buch­ma­che­rei, die vollen­de­te Stil­lo­sig­keit, das Un­geg­oh­re­ne und Cha­rak­ter­lo­se oder Kläg­lich-Ge­spreiz­te im Aus­druck, der Ver­lust je­des äs­the­ti­schen Ka­n­ons, die Wol­lust der An­ar­chie und des Cha­os, kurz die lit­te­ra­ri­schen Züge uns­rer Jour­na­lis­tik eben­so wie un­se­res Ge­lehr­tent­hums.

      Da­von wis­sen jetzt die We­nigs­ten et­was, daß viel­leicht un­ter vie­len Tau­sen­den kaum Ei­ner be­rech­tigt ist, sich schrift­stel­le­risch ver­neh­men zu las­sen, und daß alle An­de­ren, die es auf ihre Ge­fahr ver­su­chen, un­ter wahr­haft urt­heils­fä­hi­gen Men­schen als Lohn für je­den ge­druck­ten Satz ein ho­me­ri­sches Ge­läch­ter ver­die­nen – denn es ist wirk­lich ein Schau­spiel für Göt­ter, einen lit­te­ra­ri­schen He­phäst her­an­hin­ken zu sehn, der uns nun gar Et­was cre­den­zen will. Auf die­sem Be­rei­che zu erns­ten und un­er­bitt­li­chen Ge­wöh­nun­gen und An­schau­un­gen zu er­ziehn, das ist eine der höchs­ten Auf­ga­ben der for­mel­len Bil­dung, wäh­rend das all­sei­ti­ge Ge­wäh­ren­las­sen der so­ge­nann­ten »frei­en Per­sön­lich­keit« wohl nichts An­de­res als das Kenn­zei­chen der Bar­ba­rei sein möch­te. Daß aber we­nigs­tens bei dem deut­schen Un­ter­richt nicht an Bil­dung, son­dern an et­was An­de­res ge­dacht wird, näm­lich an die be­sag­te »freie Per­sön­lich­keit«, dürf­te aus dem bis jetzt Be­rich­te­ten wohl deut­lich ge­wor­den sein. Und so lan­ge die deut­schen Gym­na­si­en in der Pfle­ge der deut­schen Ar­beit der ab­scheu­li­chen ge­wis­sen­lo­sen Viel­schrei­be­rei vor­ar­bei­ten, so lan­ge sie die al­ler­nächs­te prak­ti­sche Zucht in Wort und Schrift nicht als hei­li­ge Pf­licht neh­men, so lan­ge sie mit der Mut­ter­spra­che um­ge­hen, als ob sie nur ein nothwen­di­ges Übel oder ein tod­ter Leib sei, rech­ne ich die­se An­stal­ten nicht zu den In­sti­tu­tio­nen wah­rer Bil­dung.

      Am we­nigs­ten wohl merkt man, in Hin­sicht der Spra­che, et­was von dem Ein­flus­se des clas­si­schen Vor­bil­des: wes­halb mir schon von die­ser einen Er­wä­gung aus die so­ge­nann­te »clas­si­sche Bil­dung«, die von un­se­rem Gym­na­si­um aus­gehn soll, als et­was sehr Zwei­fel­haf­tes und Miß­ver­ständ­li­ches er­scheint. Denn wie könn­te man, bei ei­nem Bli­cke auf je­nes Vor­bild, den un­ge­heu­ren Ernst über­sehn, mit dem der Grie­che und Rö­mer sei­ne Spra­che von den Jüng­lings­jah­ren an be­trach­tet und be­han­delt, – wie könn­te man sein Vor­bild in ei­nem sol­chen Punk­te ver­ken­nen, wenn an­ders wirk­lich noch die clas­sisch-hel­le­ni­sche und rö­mi­sche Welt als höchs­tes be­leh­ren­des Mus­ter dem Er­zie­hungs­plan un­se­rer Gym­na­si­en vor­schweb­te: wor­an ich we­nigs­tens zweifle. Viel­mehr scheint es sich, bei dem An­spru­che des Gym­na­si­ums, »clas­si­sche Bil­dung« zu pfle­gen, nur um eine ver­le­ge­ne Aus­re­de zu han­deln, wel­che dann an­ge­wen­det wird, wenn von ir­gend ei­ner Sei­te her dem Gym­na­si­um die Be­fä­hi­gung, zur Bil­dung zu er­zie­hen, ab­ge­spro­chen wird. Clas­si­sche Bil­dung! Es klingt so wür­de­voll! Es be­schämt den An­grei­fen­den, es ver­zö­gert den An­griff – denn wer ver­mag gleich die­ser ver­wir­ren­den For­mel bis auf den Grund zu sehn! Und das ist die längst ge­wohn­te Tak­tik des Gym­na­si­ums: je nach der Sei­te, von der aus der Ruf zum Kamp­fe er­schallt, schreibt es auf sein nicht ge­ra­de mit Ehren­zei­chen ge­schmück­tes Schild ei­nes je­ner ver­wir­ren­den Schlag­worts »clas­si­sche Bil­dung« »for­ma­le Bil­dung« oder »Bil­dung zur Wis­sen­schaft«: drei glo­rio­se Din­ges die nur lei­der theils in sich, theils un­ter ein­an­der im Wi­der­spru­che sind und die, wenn sie ge­walt­sam zu­sam­men­ge­bracht wür­den, nur einen Bil­dungs­tra­ge­laph her­vor­brin­gen müß­ten. Denn eine wahr­haf­te »clas­si­sche Bil­dung« ist et­was so un­er­hört Schwe­res und Sel­te­nes und for­dert eine so com­pli­cir­te Be­ga­bung, daß es nur der Nai­ve­tät oder der Un­ver­schämt­heit vor­be­hal­ten ist, die­se als er­reich­ba­res Ziel des Gym­na­si­ums zu ver­spre­chen. Die Be­zeich­nung »for­ma­le Bil­dung« ge­hört un­ter die rohe un­phi­lo­so­phi­sche Phra­seo­lo­gie, de­ren man sich mög­lichst ent­schla­gen muß: denn es giebt kei­ne »ma­te­ri­el­le Bil­dung«. Und wer die »Bil­dung zur Wis­sen­schaft« als das Ziel des Gym­na­si­ums auf­stellt, giebt da­mit die »clas­si­sche Bil­dung« und die so­ge­nann­te »for­ma­le Bil­dung«, über­haupt das gan­ze Bil­dungs­ziel des Gym­na­si­ums preis: denn der wis­sen­schaft­li­che Mensch und der ge­bil­de­te Mensch ge­hö­ren zwei ver­schie­de­nen Sphä­ren an, die hier und da sich in ei­nem In­di­vi­du­um be­rüh­ren, nie aber mit ein­an­der zu­sam­men­fal­len.

      Ver­glei­chen wir die­se drei an­geb­li­chen Zie­le des Gym­na­si­ums mit der Wirk­lich­keit, die wir in Be­treff des deut­schen Un­ter­rich­tes be­ob­ach­te­ten, so er­ken­nen wir, was die­se Zie­le zu­meist im ge­wöhn­li­chen Ge­brau­che sind: Ver­le­gen­heits­aus­flüch­te, für den Kampf und Krieg er­dacht und wirk­lich auch zur Be­täu­bung des Geg­ners oft ge­nug ge­eig­net. Denn wir ver­moch­ten am deut­schen Un­ter­richt Nichts zu er­ken­nen, was ir­gend­wie an das clas­sisch-an­ti­ke Vor­bild, an die an­ti­ke Groß­ar­tig­keit der sprach­li­chen Er­zie­hung er­in­ner­te: die »for­ma­le Bil­dung« aber, die durch den be­sag­ten deut­schen