Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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von den päd­ago­gi­schen Din­gen hoff­nungs­los fer­ne blei­ben, wel­che ver­mei­nen, es lie­ße sich die au­gen­schein­li­che, in der Zahl be­ste­hen­de Uber­tät un­se­rer Gym­na­si­en und Leh­rer durch ir­gend­wel­che Ge­set­ze und Vor­schrif­ten in eine wirk­li­che Uber­tät, in eine u­ber­tas in­ge­ni­i, ohne Ver­min­de­rung je­ner Zahl, ver­wan­deln. Son­dern dar­über müs­sen wir ein­müthig sein, daß von der Na­tur selbst nur un­end­lich selt­ne Men­schen zu ei­nem wah­ren Bil­dungs­gan­ge aus­ge­schickt wer­den, und daß zu de­ren glück­li­cher Ent­fal­tung auch eine weit ge­rin­ge­re An­zahl von hö­he­ren Bil­dungs­an­stal­ten aus­reicht, daß aber in den ge­gen­wär­ti­gen auf brei­te Mas­sen an­ge­leg­ten Bil­dungs­an­stal­ten ge­ra­de Die­je­ni­gen am we­nigs­ten sich ge­för­dert füh­len müs­sen, für die et­was Der­ar­ti­ges zu grün­den über­haupt erst einen Sinn hat.

      Das Glei­che gilt nun in Be­treff der Leh­rer. Gera­de die bes­ten, die­je­ni­gen, die über­haupt nach ei­nem hö­he­ren Maß­stä­be, die­ses Ehren­na­mens werth sind, eig­nen sich jetzt, bei dem ge­gen­wär­ti­gen Stan­de des Gym­na­si­ums, viel­leicht am we­nigs­ten zur Er­zie­hung die­ser un­aus­ge­le­se­nen zu­sam­men­ge­wür­fel­ten Ju­gend, son­dern müs­sen das Bes­te, was sie ge­ben könn­ten, ge­wis­ser­ma­ßen vor ihr ge­heim hal­ten; und die un­ge­heue­re Mehr­zahl der Leh­rer fühlt sich wie­der­um, die­sen An­stal­ten ge­gen­über, im Recht, weil ihre Be­ga­bun­gen zu dem nied­ri­gen Flu­ge und der Dürf­tig­keit ih­rer Schü­ler in ei­nem ge­wis­sen har­mo­ni­schen Ver­hält­nis­se ste­hen. Von die­ser Mehr­zahl aus er­schallt der Ruf nach im­mer neu­en Grün­dun­gen von Gym­na­si­en und hö­he­ren Lehr­an­stal­ten: wir le­ben in ei­ner Zeit, die durch die­sen im­mer­fort und mit be­täu­ben­dem Wech­sel er­schal­len­den Ruf al­ler­dings den Ein­druck er­weckt, als ob ein un­ge­heu­res Bil­dungs­be­dürf­niß in ihr nach Be­frie­di­gung dürs­te­te. Aber ge­ra­de hier muß man recht zu hö­ren ver­ste­hen, ge­ra­de hier muß man, durch den tö­nen­den Ef­fekt der Bil­dungs­wor­te un­be­irrt, De­nen in’s Ant­litz se­hen, die so un­er­müd­lich von dem Bil­dungs­be­dürf­nis­se ih­rer Zeit re­den. Dann wird man eine son­der­ba­re Ent­täu­schung er­le­ben, die­sel­be, die wir, mein gu­ter Freund, so oft er­lebt ha­ben: jene lau­ten He­rol­de des Bil­dungs­be­dürf­nis­ses ver­wan­deln sich plötz­lich, bei ei­ner erns­ten Be­sich­ti­gung aus der Nähe, in eif­ri­ge, ja fa­na­ti­sche Geg­ner der wah­ren Bil­dung, das heißt der­je­ni­gen, wel­che an der ari­sto­kra­ti­schen Na­tur des Geis­tes fest­hält: denn im Grun­de mei­nen sie, als ihr Ziel, die Eman­ci­pa­ti­on der Mas­sen von der Herr­schaft der großen Ein­zel­nen, im Grun­de stre­ben sie dar­nach, die hei­ligs­te Ord­nung im Rei­che des In­tel­lek­tes um­zu­stür­zen, die Dienst­bar­keit der Mas­se, ih­ren un­ter­wür­fi­gen Ge­hor­sam, ih­ren In­stinkt der Treue un­ter dem Scep­ter des Ge­ni­us.

      Ich habe mich längst dar­an ge­wöhnt, alle Die­je­ni­gen vor­sich­tig an­zu­sehn, wel­che eif­rig für die so­ge­nann­te »Volks­bil­dung«, wie sie ge­mein­hin ver­stan­den wird, spre­chen: denn zu­meist wol­len sie, be­wußt oder un­be­wußt, bei den all­ge­mei­nen Sa­tur­na­li­en der Bar­ba­rei, für sich selbst die fes­sel­lo­se Frei­heit, die ih­nen jene hei­li­ge Na­tu­r­ord­nung nie ge­wäh­ren wird; sie sind zum Die­nen, zum Ge­hor­chen ge­bo­ren, und je­der Au­gen­blick, in dem ihre krie­chen­den oder stelz­fü­ßi­gen oder flü­gel­lah­men Ge­dan­ken in Thä­tig­keit sind, be­stä­tigt, aus wel­chem Tho­ne die Na­tur sie form­te und wel­ches Fa­brik­zei­chen sie die­sem Tho­ne auf­ge­brannt hat. Also, nicht Bil­dung der Mas­se kann un­ser Ziel sein: son­dern Bil­dung der ein­zel­nen aus­ge­le­se­nen, für große und blei­ben­de Wer­te aus­ge­rüs­te­ten Men­schen: wir wis­sen nun ein­mal, daß eine ge­rech­te Nach­welt den ge­samm­ten Bil­dungs­stand ei­nes Vol­kes nur ganz al­lein nach je­nen großen, ein­sam schrei­ten­den Hel­den ei­ner Zeit be­urt­hei­len und je nach der Art, wie die­sel­ben er­kannt, ge­för­dert, ge­ehrt, oder se­kre­tirt, miß­han­delt, zer­stört wor­den sind, ihre Stim­me ab­ge­ben wird. Dem, was man Volks­bil­dung nennt, ist auf di­rek­tem Wege, etwa durch all­sei­tig er­zwun­ge­nen Ele­men­tar­un­ter­richt, nur ganz äu­ßer­lich und roh bei­zu­kom­men: die ei­gent­li­chen, tiefe­ren Re­gio­nen, in de­nen sich über­haupt die große Mas­se mit der Bil­dung be­rührt, dort wo das Volk sei­ne re­li­gi­ösen In­stink­te hegt wo es an sei­nen my­thi­schen Bil­dern wei­ter­dich­tet, wo es sei­ner Sit­te, sei­nem Recht, sei­nem Hei­maths­bo­den, sei­ner Spra­che Treue be­wahrt, alle die­se Re­gio­nen sind auf di­rek­tem Wege kaum und je­den­falls nur durch zer­stö­ren­de Ge­walt­sam­kei­ten zu er­rei­chen: und in die­sen erns­ten Din­gen die Volks­bil­dung wahr­haft för­dern heißt eben nur so­viel, als die­se zer­stö­ren­den Ge­walt­sam­kei­ten ab­zu­weh­ren und je­nes heil­sa­me Un­be­wußt­sein, je­nes Sich-ge­sund-schla­fen des Vol­kes zu un­ter­hal­ten, ohne wel­che Ge­gen­wir­kung, ohne wel­ches Heil­mit­tel kei­ne Cul­tur, bei der auf­zeh­ren­den Span­nung und Er­re­gung ih­rer Wir­kun­gen, be­ste­hen kann.

      Wir wis­sen aber, was Jene er­stre­ben, die je­nen hei­len­den Ge­sund­heits­schlaf des Vol­kes un­ter­bre­chen wol­len, die ihm fort­wäh­rend zu­ru­fen: »Sei wach, sei be­wußt! Sei klug!«; wir wis­sen, wo­hin Die zie­len, wel­che durch eine au­ßer­or­dent­li­che Ver­meh­rung al­ler Bil­dungs­an­stal­ten, durch einen da­durch er­zeug­ten selbst­be­wuß­ten Leh­rer­stand ein ge­wal­ti­ges Bil­dungs­be­dürf­nis; zu be­frie­di­gen vor­ge­ben. Gera­de die­se und ge­ra­de mit die­sen Mit­teln kämp­fen sie ge­gen die na­tür­li­che Rang­ord­nung im Rei­che des In­tel­lekts, zer­stö­ren sie die Wur­zeln je­ner aus dem Un­be­wußt­sein des Vol­kes her­vor­bre­chen­den höchs­ten und edels­ten Bil­dungs­kräf­te, die im Ge­bä­ren des Ge­ni­us und so­dann in der rich­ti­gen Er­zie­hung und Pfle­ge des­sel­ben ihre müt­ter­li­che Be­stim­mung ha­ben. Nur an dem Gleich­nis­se der Mut­ter wer­den wir die Be­deu­tung und die Ver­pflich­tung be­grei­fen, die die wah­re Bil­dung ei­nes Vol­kes in Hin­sicht auf den Ge­ni­us hat: sei­ne ei­gent­li­che Ent­ste­hung liegt nicht in ihr, er hat gleich­sam nur einen me­ta­phy­si­schen Ur­sprung, eine me­ta­phy­si­sche Hei­mat. Aber daß er in die Er­schei­nung tritt, daß er mit­ten aus ei­nem Vol­ke her­vortaucht, daß er gleich­sam das zu­rück­ge­worf­ne Bild, das ge­sät­tig­te Far­ben­spiel al­ler ei­gent­hüm­li­chen Kräf­te die­ses Vol­kes dar­stellt, daß er die höchs­te Be­stim­mung ei­nes Vol­kes in dem gleich­niß­ar­ti­gen We­sen ei­nes In­di­vi­du­ums und in ei­nem ewi­gen Wer­ke zu er­ken­nen giebt, sein Volk selbst da­mit an das Ewi­ge an­knüp­fend und aus der wech­seln­den Sphä­re des Mo­men­ta­nen er­lö­send – das Al­les ver­mag der Ge­ni­us nur, wenn er im Mut­ter­scho­ße der Bil­dung ei­nes Vol­kes ge­reift und ge­nährt ist – wäh­rend er, ohne die­se schir­men­de und wär­me­n­de Hei­mat, über­haupt nicht die Schwin­gen zu sei­nem ewi­gen Flu­ge ent­fal­ten wird, son­dern trau­rig, bei Zei­ten, wie ein in win­ter­li­che Ein­öden ver­schla­ge­ner Fremd­ling, aus dem un­wir­th­ba­ren Lan­de da­v­on­schleicht.«

      »Mein Leh­rer«, sag­te hier der Beglei­ter, »Sie set­zen mich mit die­ser Me­ta­phy­sik des Ge­ni­us in Er­stau­nen, und nur ganz von fer­ne ahne ich das Rich­ti­ge die­ser Gleich­niß. Da­ge­gen be­grei­fe ich voll­stän­dig, was Sie über die Über­zahl der Gym­na­si­en und da­durch ver­an­laß­te Über­zahl von hö­he­ren Leh­rern