Regina Muhlhauser

Eroberungen


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dich aus!«Mein Gesicht wurde heiß und prickelte. Mit schweren Fingern knöpfte ich langsam meine Bluse auf, dann wurden meine Hände durch ihr eigenes Gewicht herabgezogen.

      «Was? Immer noch taub? Aus! Aus! Das ist nicht aus, meine Liebe, das ist nur aufgeknöpft!«Ich streifte die Bluse ab und ließ sie auf den Boden fallen. Er sah mich einige Sekunden lang an.»Was ist los? Du schämst dich doch nicht etwa? Du bist nichts Besonderes, aber ich mag dich! Komm schon, komm schon! Mach weiter!«Ich war unfähig, mich zu bewegen.»Dann werde ich es für dich tun!«, schrie er und riss meinen Rock und meinen Unterrock herunter.»Das ist ein Anfang! Nun lass uns zum Rest kommen!«Und er riss meine Unterwäsche herunter. Ich blinzelte und taumelte rückwärts, meinen Körper bedeckend.

      «Steh auf!«Er packte mich und zerrte mich hoch.»Lass uns das mal angucken!«Er schlug mich ins Gesicht.»Hier, nun … sehr hübsch … sehr hübsch, meinst du nicht?«Er drehte sich zu den anderen, und sie nickten und lachten.

      Der Raum drehte sich immer schneller vor meinen Augen. Ich spürte seine Hände auf mir, und dann war ich in einem kleinen Büro und der Deutsche hielt eine lange, schwere Peitsche in der Hand.»Du weißt nicht, wie man gehorcht … Ich werd’s dir zeigen. Aber ich kann dich nicht haben, du Abschaum, weil du jüdisch und dreckig bist. Was für eine Schande!«Er zog die Peitsche über meine Brüste.»Das ist es, was du statt meiner bekommst, dafür, dass du eine dreckige Judin bist!«Er schlug mich immer wieder mit der Peitsche, und ich wurde ohnmächtig.[257]

      Sala Pawlowicz’ Beschreibung macht deutlich, dass ihr Peiniger sie zu bestrafen suchte, weil er sie begehrte, es aber seinen Überzeugungen zuwiderlief, mit ihr – der» artfremden «Jüdin – sexuell zu verkehren. Er brachte sie vor den Augen der anderen Deutschen in sein Büro und tauschte sogar noch obszöne Bemerkungen mit ihnen aus – offensichtlich rechnete er also mit ihrem Einverständnis. Pawlowicz’ Erzählung der Folter dreht sich vor allem um die Reitpeitsche in den Händen ihres Peinigers. Auch zahlreiche jüdische und nichtjüdische Zeitzeuginnen ebenso wie ehemalige Soldaten berichten davon, dass deutsche Männer vor allem Peitschen, aber auch Waffen oder Stöcke verwendet hätten, um nackte oder halbnackte Frauen zu quälen.[258] Die Praxis, Frauen auf ihre Brüste und ihr Geschlecht zu schlagen, wurde offensichtlich häufiger als Einschüchterungs- oder Foltermethode angewandt.[259] Auch Männer wurden mitunter mit Waffen oder Stöcken zwischen den Beinen berührt oder auf ihr Geschlecht geschlagen.[260] Krog zitiert in diesem Zusammenhang die Politologin Sheila Meintjes, die davon ausgeht, dass sexuelle Folter je nach Geschlecht des Opfers unterschiedlichen Zielen dient. Während sie bei Männern zu sexueller» Passivität «führe und auf diese Weise körperliche Stärke und politische Macht vernichten solle, ziele Folter bei Frauen darauf, die weibliche Sexualität zu» aktivieren«; die Täter wiesen den Frauen somit nachdrücklich einen gesellschaftlichen Platz als verfügbare Sexualobjekte zu.[261]

      Aus zahlreichen Berichten geht hervor, dass auch einheimische Männer, die mit den deutschen Besatzern kollaborierten, sexuelle Gewalttaten gegen jüdische Frauen verübten, wenn sie unter sich waren, aber mitunter auch gemeinsam mit Deutschen. So wurden beispielsweise jüdische Frauen und Mädchen, die man nach der Eroberung Lembergs ins Gefängnis einlieferte, von ukrainischen Polizisten unter den Augen der Deutschen gezwungen, sich auszukleiden, wobei man die Halbnackten dann fotografierte.[262] In ihrer Studie» Die ›Endlösung‹ in Riga «schildern Andrej Angrick und Peter Klein die Vergewaltigung von Frauen durch Offiziere des Arajs-Kommandos, einer lettischen Hilfsformation der deutschen Sicherheitspolizei. Die jüdische Überlebende Ella Medalje, die im Sommer 1941 im Sitz des Arajs-Kommandos verhört und erniedrigt worden war, beschrieb diese Ereignisse in den 1970er Jahren vor einem Hamburger Gericht. Sie selbst sei vergleichsweise glimpflich davongekommen, was sie sich damit erklärte, dass einer der Wächter sie für eine Nichtjüdin gehalten habe. Andere Frauen hätten weniger Glück gehabt:

      Da öffnete sich eines Abends, als wir bereits auf dem Fußboden unser Nachtlager bereiteten, die Tür und zwei Perkonkrustleute mit Taschenlampen traten ein. Sie leuchteten jeder Frau ins Gesicht und betrachteten sie. Dann befahlen sie den Frauen, die ausgesucht worden waren, ihnen der Reihe nach zu folgen. Nach einiger Zeit kam eine Frau in schrecklicher seelischer Verfassung zurück, und die Perkonkrustleute nahmen eine andere Frau mit. Auf diese Weise brachten sie sechs bis sieben Frauen nach oben, wo sich die Arbeitszimmer der Vorgesetzten befanden. […] Am nächsten Tag wurden diese sechs bis sieben Frauen auf einen Lastwagen gesetzt, der sich im Hofe befand, und irgendwohin abtransportiert. Ich kann nur annehmen, daß man sie erschossen hat.[263]

      Frauen, insbesondere Jüdinnen, die in diesen ersten Tagen nach der Eroberung aufgegriffen und in Polizeigefängnisse gebracht worden waren, wurden mitunter auch direkt im Beisein ihrer Mitgefangenen in oder vor einer Zelle vergewaltigt.[264] Selbst wenn sie, wie im hier zitierten Fall, aus der Zelle herausgeholt und an einem anderen Ort gebracht wurden, wussten oder ahnten die Mitgefangenen, was passiert war. Zu der besonderen Beschämung, die diese Situation für die betroffenen Frauen nach sich ziehen konnte, kam insofern die Befürchtung hinzu, dass die Vergewaltigung auch außerhalb des Gefängnisses bekannt werden würde. Bei den Mitgefangenen erzeugte diese Mitwisserschaft ebenfalls Scham sowie die Angst, als Nächste an der Reihe zu sein. Vergewaltigung fungierte demnach als direkte Drohung, als Symbol der Macht und als nonverbales Kommunikationsmittel zwischen Besatzern und Besetzten.[265]

      Insbesondere in Haftsituationen konnte es außerdem zu Gruppenvergewaltigungen kommen. Zeugenaussagen dazu sind allerdings äußerst selten;[266] Hinweise lassen sich – wie der eingangs zitierte Molotow-Bericht gezeigt hat – vor allem in Schriften finden, die während des Krieges als sowjetische Propaganda eingesetzt wurden. Dies lässt aber nicht notwendigerweise darauf schließen, dass entsprechende Taten auch besonders selten vorkamen; es könnte auch damit zusammenhängen, dass die Scham der Opfer wie der Zeuginnen und Zeugen in solchen Fällen besonders groß war.

      Man muss davon ausgehen, dass an solchen gemeinsamen Taten auch Soldaten beteiligt waren, die allein möglicherweise keine Vergewaltigung verübt hätten. Joshua Goldstein hat gezeigt, dass der Konformitätsdruck bei Gruppenvergewaltigungen eine große Rolle spielt und die vollzogene Tat zudem oft das Loyalitätsgefühl der Einheiten stärkt. Er argumentiert, die kollektive Täterschaft führe dazu, dass der Einzelne oft keinerlei Verantwortungsgefühl verspüre. Miranda Alison hat dem gegenüber die These aufgestellt, die Verbundenheit der Männer würde gerade aus dem Bewusstsein der geteilten Verantwortung entstehen.[267]

      Forschungen aus den vergangenen Jahren haben überdies ergeben, dass Gruppenvergewaltigungen im Krieg häufig in einer hierarchischen Rangfolge vollzogen werden. Der Offizier mit dem höchsten Rang ist der Erste, der in den Körper der Frau eindringt. Die untergeordneten Soldaten zollen ihm Respekt und warten, bis sie an der Reihe sind. In der lebensbedrohlichen Situation des Krieges, in der die Männer in hohem Maße aufeinander angewiesen sind, bestätigen sie, so die Interpretation von Ruth Seifert und Rolf Pohl, auf diese Weise ihren Bund und bekräftigen die Verlässlichkeit der militärischen Hierarchie. Mit einer» Mischung aus Lust und Zerstörungsbereitschaft «treffen sie sich nacheinander (oder gleichzeitig) im Körper einer Frau und versichern sich damit gegenseitig ihrer Männlichkeit und ihrer sexuellen Potenz.[268] Die Ende 1941 in London publizierten Propagandaschrift» Comrade Genia «beschreibt dieses Element von Gruppentaten ausführlich. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin schildert Genia Demianova, eine russische Lehrerin, ihre sexuelle Versklavung. Ob es ihre Person wirklich gegeben hat beziehungsweise ob die Schilderungen auf dem Erleben einer realen Erzählerin beruhen, vermag ich nicht zu beurteilen. Der Bericht soll hier aber dennoch vorgestellt werden, um zu zeigen, auf welche Weise zu Propagandazwecken auf vorherrschende gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen zurückgegriffen