type="note">[348]
18 Album anonym, Soldatinnen der Roten Armee, Sowjetunion, ohne Jahr
Ein ehemaliger Wehrmachtssoldat, der 1995 die Ausstellung» Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944«in Wien besuchte, empfand das Bild der russischen Frau an der Waffe noch 50 Jahre nach Kriegsende als verstörend:
Vieles, was ich hier [in der Ausstellung] gesehen habe, habe ich mit eigenen Augen gesehen und erlebt, aber ich … aber mir ist nicht bekannt, dass irgendwo etwas passiert wäre, dass … keinen Hintergrund … also unbegründet gewesen wäre. Wir haben nichts aus Mutwillen oder aus Hetz oder aus Hatz getan. Dass es vielleicht Säuberungen gegeben hat, rückwärts, davon haben wir nie was gehört. Ich kann auch nicht dazu Stellung nehmen. Ich kann weder Ja noch Nein dazu sagen. Ich war in Russland, ich war vorne und hinten, aber ich habe eigentlich von Gräueltaten nichts gehört, es sei denn, dass wirklich in einem Ort, dass da ein Ort, wo mehrere … und wo Einheiten waren, wo … Was für uns entsetzlich war, das war … eine Weiberkompanie, in der sogar Frauen im Krieg waren … Das war für uns also ganz schlimm. Das war ganz schlimm. Wie war das? Erinnern Sie sich, wo das war?
Ja schon, ich meine, dass eine Frau … das war so ganz gegen unsere Ordnung und gegen unseren soldatischen Begriff … Wir haben das mal erlebt, also da ist … Gott … auf dem Straßenrand … eine Russin gewesen in einer Uniform, die Hosen hat man ihr ausgezogen und die Schenkel auseinander und so hat man sie auf der Straße dann hingelegt. Das ist also ein Ausdruck gewesen, der bestimmt unter den wilden Landsern … irgendwie, wir waren ja Männer unter uns, also hier konnte schon irgendwie Hass und Unverständnis in Zorn überschlagen. Ohne weiters. Das muss man verstehen.
Das heißt, man hat sie ausgezogen?
Nein, nein. Sie ist erschossen worden.[349]
Dieser ehemalige Soldat fühlt sich angesichts der in der Ausstellung dokumentierten Verbrechen offensichtlich bemüßigt, sich so weit davon zu distanzieren, dass er sogar behauptet, er habe» von Gräueltaten nichts gehört«. Das einzige Verbrechen, das er von sich aus anspricht, betrifft die in einer offenkundig sexuellen Pose zur Schau gestellte Leiche einer» Russin […] in einer Uniform«– und an dieser Stelle fordert er umgehend Verständnis ein, da die» Weiberkompanie«»gegen unsere Ordnung «gewesen sei. Tatsächlich waren im Zweiten Weltkrieg Frauen in den Partisaneneinheiten und der Roten Armee in die exklusive Männerdomäne Militär eingebrochen.[350] Damit geriet der Charakter des Militärs als» Ort der Produktion von Männlichkeit«(Ruth Seifert) und zugleich der Stabilisation geschlechtsspezifischer Herrschaftsverhältnisse in Gefahr.[351] Dass auch im Gefolge von Wehrmacht und SS Frauen in allen Kriegsgebieten eingesetzt waren, relativiert er im Fortgang des Interviews durch die Feststellung, die» Blitzmädel «seien zwar» auch in sehr exponierte Situationen gekommen, aber sie hatten keine Waffen. Die haben ja nicht in den Kampf eingegriffen.«[352] Hier folgt der Veteran der offiziellen Darstellung von Wehrmacht und SS, die das Bild der Frauen als» Helferinnen«, die nicht aktiv am Kriegsgeschehen beteiligt waren, sorgfältig inszenierten.[353]
Viele Schilderungen deuten darauf hin, dass Wehrmacht und Sicherheitspolizei Partisaninnen zum Teil mit besonderem Hass bekämpft haben. Wendy Lower schildert den Fall einer der wenigen Partisanenführerinnen, Maria Kondratenko, deren Verfolgung sich die deutsche Polizei in der Ukraine mit besonderem Aufwand und unverhältnismäßiger Intensität annahm.[354] Weibliche Angehörige von Männern, die man im Widerstand vermutete, wurden ebenfalls generell der Partisanenunterstützung verdächtigt und nicht selten Verhören, Gefangenschaft und Folter ausgesetzt sowie getötet.[355] Wenn Partisaninnen oder Frauen, die im Verdacht standen, Partisanen zu helfen, in deutsche Gefangenschaft gerieten, durften die Soldaten sie» mit allen Mitteln «foltern.[356] Bis heute sind aus der Sowjetunion keine Erzählungen ehemaliger Partisaninnen bekannt, die sexuelle Aspekte solcher Folterungen ansprechen. Man muss aber davon ausgehen, dass Nacktheit und sexuelle Demütigung eine große Rolle spielten; etwa wenn eine Frau unbekleidet im Verhörraum saß und die Vernehmung unter den Augen von mehreren Kommandoangehörigen stattfand.[357] Aus dem italienischen Kriegsgebiet berichteten Zeuginnen auch von Vergewaltigung.[358] In Russland erinnert sich eine ehemalige Partisanin an die» faschistische Maniküre«, bei der ihr unter alle Fingernägel gleichzeitig Nadeln getrieben wurden, was extrem schmerzhaft war. Reina Pennington, die diesen Fall dokumentiert hat, konstatiert, eine Vergewaltigung sei nicht notwendigerweise das Schlimmste gewesen, was einer Frau in Gefangenschaft passieren konnte.[359] Autorinnen wie Marnia Lazreg betonen zudem, dass Folter immer eine sexuelle Dimension habe, da sie mit einer physischen und psychischen Intimität verbunden sei, die zwangsläufig sexuelle Implikationen und Effekte habe.[360]
Mitunter scheinen Partisaninnen in Frauen-Kriegsgefangenenlagern für Soldatinnen der Roten Armee, die es zum Beispiel bei Bobrujsk und Baranowitschi[361] (Weißrussland) gab, inhaftiert worden zu sein.[362] In Erinnerungsberichten von Frauen, die als» Flintenweiber «gefangen genommen wurden, heißt es, SD-Angehörige hätten ihnen die Kleider vom Leib gerissen und sie nackt fotografiert.[363] Von Männern sind mir keine ähnlichen Berichte bekannt. Generell betrachtete die Wehrmacht weder die Partisaninnen noch die Rotarmistinnen als reguläre Kriegsgefangene. Die deutsche Kriegspropaganda schürte Stereotype über die unter den Bolschewisten» verrohten Flintenweiber«,[364] und das OKW ordnete 1941 an, die Soldatinnen nach der Vernehmung sofort zu erschießen oder der Sicherheitspolizei und dem SD zu übergeben.[365] Hier zeigt sich, dass die militärische Führung kämpfende Frauen als eine spezifische Bedrohung erachtete. Man fürchtete, die Soldaten würden gerade den Frauen naiv vertrauen und nicht darauf gefasst sein, dass es sich um Spioninnen und bewaffnete Kämpferinnen handeln konnte.
Tatsächlich nutzten viele Partisanengruppen ihrerseits die vorherrschenden Weiblichkeitsbilder und schickten bevorzugt junge, harmlos aussehende Frauen zu den oft gefährlichen Spionageaktionen und auf Botengänge. Auch die sowjetische Führung warb gezielt Frauen für die Partisanenbewegung an. Die weißrussischen Partisaneneinheiten setzten überwiegend Frauen als Agenten-Aufklärer und Kuriere ein.[366] Sie würden, so die Annahme, häufiger unkontrolliert durch die militärischen Kontrollen kommen und könnten die Deutschen bei Bedarf ablenken, indem sie» ihre weiblichen Reize «spielen ließen.[367]
Wehrmacht und SS reagierten auf diese Taktik. Am 8. Oktober 1941 warnte die 2. SS-Infanteriebrigade:»Der Gegner benutzt in erster Linie Greise, Frauen und Kinder als Agenten […]. Es muß mit allen Mitteln mit diesen Elementen Schluß gemacht werden.«[368] In einem Merkblatt für Ortskommandanten wurde darauf hingewiesen, dass Zivilistinnen, die außerhalb von Ortschaften angetroffen würden, grundsätzlich zu überprüfen seien.[369] Die 6. Infanteriedivision wurde instruiert, bei Bedarf Leibesvisitationen durchzuführen, da gerade junge Frauen die Nachweise für ihre Spionagetätigkeit in ihrer Unterwäsche verstecken würden.[370] Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass deutsche Soldaten Frauen bei solchen Durchsuchungen unter die Kleidung griffen, unter abfälligen Bemerkungen ihre nackten Körper abtasteten und ihnen die Brüste zerkratzten.[371] Zwar hatten sie Anweisung, die Frauen genau zu untersuchen, die