2. Adjutant beim LV. Armee-Korps in Charkow in seinen persönlichen Aufzeichnungen:»[E]ine Russin wurde in den Keller eingesperrt und dort von 6! Soldaten, einer nach dem anderen, vergewaltigt.«[468]
Die militärische Führung reagierte auf solche Meldungen. Am 10. November 1941 forderte Oberbefehlshaber Erich von Manstein zur» Zurückhaltung gegenüber […] dem anderen Geschlecht «auf. Er verlangte von den Vorgesetzten» strengste Handhabung «im Umgang mit» Verwilderung und Undisziplin «deutscher Soldaten.[469] Auch in anderen Befehlen wurde die» Aufrechterhaltung der Manneszucht «angemahnt.[470] Dem Strafbuch des Unteroffiziers August A. – der im September 1941 mit zehn Tagen Arrest bestraft wurde, weil er unter Alkoholeinfluss versucht hatte, eine russische Frau zu vergewaltigen – lässt sich entnehmen, das sexuelle Gewaltdelikte mitunter tatsächlich disziplinarisch geahndet wurden.[471] Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass die meisten Fälle sexueller Gewalt keine disziplinarischen Konsequenzen nach sich zogen. Christian Thomas Huber geht davon aus, dass sexuelle Gewalttaten aufgrund der oben ausgeführten Bedenken selten disziplinarisch, sondern wenn, dann gleich gerichtlich verfolgt wurden.[472] Die Arbeiten zu sexuellen Delikten vor Wehrmachtsgerichten von Birgit Beck und David Raub Snyder lassen, wie bereits ausgeführt, allerdings eher darauf schließen, dass es auch zu solchen Verhandlungen vergleichsweise selten kam.[473]
Der Oberbefehlshaber des Heeres, Walther von Brauchitsch, hatte bereits am 5. Juli 1940 verfügt, dass» Notzucht «zwar geahndet werden sollte, es sei jedoch
zu berücksichtigen, daß während der Operationen und der Besatzungszeit für den Soldaten Verhältnisse bestehen, die von denen in der Heimat wesentlich abweichen. Das Leben unter völlig veränderten Bedingungen, starke seelische Eindrücke und zuweilen auch übermäßiger Alkoholgenuß führen zu gelegentlichem Wegfall von sonst vorhandenen Hemmungen bei bisher bewährten und einwandfreien Soldaten. […] Es erscheint nicht angängig, einmalige Entgleisungen auf sittlichem Gebiete stets so zu ahnden, wie es bei normalen Verhältnissen angebracht ist.[474]
Von Brauchitsch wandte sich damit gegen die Wehrmachtsgerichte, die bis dato zum Teil harte Strafen gegen Soldaten verhängten, die sie der» Notzucht «für schuldig befanden.[475] Nach § 177 Reichsstrafgesetzbuch war eine Vergewaltigung mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter einem Jahr zu bestrafen. Mit der Einführung der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) vom 1. November 1939 konnte nach § 5a auch die Todesstrafe verhängt werden, wenn es die» Manneszucht «erforderte.[476] Für die besetzten Gebiete erachteten die militärischen Befehlshaber solche drastischen Strafen allerdings als unzweckmäßig. Die Zuchthausstrafe stelle, so von Brauchitsch, eine» Entehrung «dar, die den Soldaten für sein Leben brandmarke – dies sei nur angebracht, wenn die Tat mit außergewöhnlicher» Gemeinheit, brutale[m] Verhalten und Rohheit «einhergegangen sei. Die Todesstrafe wiederum sei nur in» ganz besonders üblen, seltenen Fällen angezeigt, bei denen sich der Täter in jeder Weise unmenschlich und tierisch benommen hat«.[477] Die Divisionsgerichte in den besetzten Gebieten sowie die Bestätigungsinstanzen, die die Urteile überprüften, nahmen diesen Erlass zur Kenntnis. Teilweise stellten sie bis zum Kriegsende ausdrücklich darauf ab.[478]
Wie Birgit Beck gezeigt hat, verhängten viele Militärrichter in den besetzten Gebieten der Sowjetunion tendenziell eher niedrige Strafen für sexuelle Gewaltverbrechen. Während Soldaten, die an der Westfront wegen» Notzucht «verurteilt worden waren, oft mehrjährige Zuchthausstrafen zu verbüßen hatten, kamen die Täter an der Ostfront meist mit einer Strafe von einigen Monaten bis zu zwei Jahren davon. Nach Beck bestätigten die Richter auf diese Weise die rigorose und brutalisierende Verachtung für die Bevölkerung in der Sowjetunion, der die» Barbarossa-Erlasse «den Weg geebnet hatten.[479] David Raub Snyder betont, dass das Strafmaß bei den unterschiedlichen Divisionsgerichten stark variieren konnte und einzelne Gerichte auch an der Ostfront harte Strafen verhängten. Letztlich mussten aber auch Soldaten, die eine hohe Strafe erhielten, diese meist nicht absitzen. Gerade als sich die militärische Situation zuspitzte, wollte man die Straftäter nicht im Gefängnis verköstigen, während andere Soldaten an der Front ihr Leben riskierten.[480]
Dass Soldaten, die in der Sowjetunion eine Vergewaltigung verübten und damit in vielen Fällen die» Rassegesetze «verletzten, scheint bei der Verurteilung sexueller Gewalttaten, jedenfalls nach bisherigen Erkenntnissen, nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Wenn die» rassische Zugehörigkeit «der Opfer in den Gerichtsverhandlungen überhaupt zur Sprache kam, konzentrierten sich die Richter auf die Einschätzung ihrer» Geschlechtsehre«, wobei zwischen» ehrbaren «und» ehrlosen «Frauen unterschieden wurde.[481]
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