die Meppen auf ihren Mofas unsicher machten. Und Wiebke schied als Spielkameradin sowieso aus, obwohl ich ihr ein Eis spendiert hatte.
Ich war auf mich allein gestellt.
Tante Gisela brachte Oma und Opa Jever nach Meppen, und Oma patschte bei der Hausbesichtigung vor Bewunderung in die Hände: »O Inge, wie hast du es himmlisch hier! So großzügige Wohnräume! Und wie wunderschön der Parkettboden aussieht!«
Das Parkett wollte Mama aber mit Teppichfliesen belegen, weil ihr das im Winter sonst zu kalt sei.
»Nein, wie jammerschade!« rief Oma. »Tu doch das bloß nicht! Das wär ja fast ’ne Sünde!« Für den Eßplatz legte sie Mama einen Reisstrohteppich von Quelle ans Herz.
Auch den Garten fand Oma gut. Mama sagte, daß wir nun wohl nicht länger um die Anschaffung einer elektrischen Heckenschere herumkämen, und Oma versprach, Saatbohnen für uns zurückzulegen. Stangenbohnen und Buschbohnen.
Mittags gab es Hähnchen mit Reis und Tomatensalat. Den Nachtisch, eine Geschichte aus Sahne und Apfelsinencreme, hatte Renate komponiert.
»Du wirst es in Birkelbach sicher leichter haben als die Mädchen ohne Kochkenntnisse«, sagte Oma zu Renate, und dann kam die Sprache auf Gustav, Tante Giselas unehelichen Sohn. Der arbeite jetzt in Jever wieder in der Baumschule Meyer auf dem Acker, jeden Tag neun Stunden, was kein Vergnügen sei bei der Hitze. Aber er müsse ja in den Ferien etwas Einträgliches unternehmen, und bei der jetzigen schlechten Konjunkturlage habe er keinen anderen Job finden können. Allabendlich brüte er als studiosus iuris über seiner Semesterarbeit.
Auf dem Bökelberg mußte Ronnie Hellström vom 1. FC Kaiserslautern dreimal hinter sich greifen, und man konnte Gladbachs Start in die neue Saison als rundum gelungen bezeichnen.
Fast überall in Niedersachsen wüteten Waldbrände. Irgendwo bei Gifhorn waren sogar fünf Feuerwehrmänner verbrannt. Nur bei uns war nichts los.
Obwohl alle Geschäfte geschlossen hatten, pettete Mama mit Oma und Opa und Tante Gisela am Sonntagvormittag in die Stadt. Vorher hatte Mama einen Schweinespießbraten mit Salz und Gewürzen berieben. Der drehte sich im Backofen tropfend um die eigene Achse.
Beim Essen lobte Oma die »tadellosen Einkaufsmöglichkeiten« in Meppen. Dabei konnte man doch überall irgendwas einkaufen, wenn man nicht hinterm Mond lebte. Was war denn so besonders an den Klamottengeschäften in Meppen? In Jever gab es die doch auch alle, so wie in jeder normalen Stadt.
Nach dem Tee wollte Tante Gisela so bei kleinem zurück. Am Montag mußte sie wieder als Chefsekretärin antreten, bei den Olympia-Werken in Wilhelmshaven.
Von Papas Arbeitskollegen hatte sich keiner mehr bei uns blicken lassen. Vielleicht hatte er denen gesteckt, daß er es vorziehe, seine Freizeit in der Werkstatt zu verbringen und nicht beim Kaffeeklatsch im Wohnzimmer.
Mein erstes Training in der C-Jugend des SV Meppen verlief im Sande. Ich müsse erst meinen Spielerpaß aus Vallendar abliefern, hieß es. Den hatte ich noch nie zu Gesicht gekriegt. Ich schrieb sofort einen Brief an Michael, daß er doch bitte zum Stadion stelzen möge, um dem Trainer da meinen Spielerpaß aus den Krallen zu reißen und ihn mir zuzuschicken, aber in Michaels nächstem Brief war davon noch nicht die Rede.
Sehr geehrter Martin!
Ich habe mich dazu entschlossen, Dich wieder mit einem meiner Briefe zu belästigen. Eigentlich müßte ich ja noch Mathe machen. Aber was soll’s. Ich habe keine Lust, nachzudenken. Darum schreibe ich ja auch den Brief hier.
Die beschämende Qualität der Schrift mußt Du schon entschuldigen. Der Harald, der Holger und ich haben gestern nämlich wieder Roulette gespielt. Und dazu brauchten wir meinen Tisch. Der steht jetzt also beim Harald. Na, und für mich isser zu schwer, und deshalb sitz ich hier auf meinem Bett. Das Blatt liegt auf, Sekündchen, ich muß nachschauen, »Gesundheitsbuch für die Familie«. Gar nicht mal so bequem!
Bei dem Spiel da gestern hab ich mit einem Einsatz von Chips für 10000 DM im Handstreich einen Reingewinn in Höhe von 115000 DM erzielt. Da staunste, was? Die Bank war gesprengt, und wir mußten aufhören. Wenn ich bloß später im Leben mal so ’n Glück hab!
In Katche (besser ja Konfi) wollen wir in den Herbstferien eine Freizeit auf einem Schloß machen. Für 40 bis 50 DM. Ganz schön teuer. Und dann noch mit den ganzen Irren? Also ich weiß nicht. Ich glaube fast, daß ich nicht mitfahre. Würdest Du bei der netten Gesellschaft doch auch nicht tun. Oder?
Meine Mutter hat ein neues Waschmittel bei Spar gekauft. Es steht extra drauf, daß es einen tollen Duft hat. Und den hat es auch! Pfui Deibel, so was Scheußliches hast Du noch nie gerochen! Die ganze Unterwäsche ist versaut. Die kann man jetzt nur noch zum Chloroformieren verwenden.
Sonst passiert aber auch wirklich gar nichts. Für mein Rad habe ich mir zwei neue Schutzbleche gekauft (12 DM). Das eine hat mein Vater schon angeschraubt, und das andere kommt dran, wenn das alte kaputt ist.
Anbei ein kleiner Psychotest, den ich mir selbst ausgedacht habe. Der Lösungsbogen muß irgendwo im Briefumschlag herumliegen.
Tschüß, Michael
Der Psychotest trug die Überschrift »ANTIKOSTISCHER PRÜFBOGEN DER DRECKSAU AG (hohlgurkenversiegelt)«.
Gehen Sie gerne ins Schwimmbad?
Ja: 3 Punkte, Nein: 4854 Punkte.
Lieber im Winter oder im Sommer?
Winter: 10904 Punkte, Sommer: 147 Punkte.
Lieber mit oder lieber ohne Wasser im Becken?
Mit Wasser: 0 Punkte, ohne Wasser: 19999 Punkte.
Machen Sie gern Baucher vom Dreier?
Ja: 14847 Punkte, Nein: 7 Punkte.
Legen Sie sich öfter mit dem Bademeister an?
Ja: 20000 Punkte, Nein: 38 Punkte.
Zur Hauptfrage: Was tun Sie, wenn Sie jemanden ertrinken sehen?
Helfen: 17 Punkte. Ersaufen lassen: 65 Punkte. Ertrinkenden unter Wasser drücken: 70 Punkte. Sagt Ihnen keine dieser Antworten zu, so kreuzen Sie das an, was Ihnen am ehesten zusagt.
Den Lösungsbogen hatte Michael beizulegen vergessen.
In Englisch, das wir bei Herrn Grieß hatten, einem vollbärtigen Hungerhaken, war ich besser als in Franz.
Present perfect tense: I have met some good friends since I came here. Past tense: I met my old friend yesterday.
Schön wär’s gewesen.
In Konfi hechelten wir das Gleichnis vom verlorenen Sohn durch. Der hatte sein Erbe verpraßt und sich als Schweinehirt durchschlagen müssen, und als er zerknirscht zu seinem Vater zurückgekehrt war, hatte der vor Freude ein gemästetes Kalb schlachten lassen. Ich fand ja, daß es eine seltsame Art war, seine Freude auszudrücken, indem man ein Kälbchen zerfleischt, aber darum ging es in dem Gleichnis gar nicht, sondern um Schuld, Reue, Buße und Vergebung. »Was Jesus uns nahebringen möchte«, sagte Pastor Böker, »das sind Tod und Leben in der Verantwortung des Menschen als göttlicher Auftrag …«
Stefan Rüßkamp, einer aus einer meiner Paralleklassen, grinste mich dabei an.
Uli Möller, der Trainer der C- und der B-Jugend, ließ mich bis auf weiteres auch ohne Spielerpaß am Training teilnehmen. Von Beruf war Uli Möller Bäcker, soviel hatte ich schon mitgekriegt. Der legte Wert auf Kondition. Zuerst mußten wir einen Dauerlauf durch den Wald hinter uns bringen und dann dreißigmal einen sandigen Abhang hinaufsprinten. Da spürte man die Wadenmuskeln, und man roch die Fichten, wenn man den Aufstieg gemeistert