werden in der Fußballwelt und mußte natürlich auch Kondition bolzen, wenn ich später als Mönchengladbachs Torjäger Nummer eins meine Schützenfeste feiern wollte, in Heimspielen auf dem Bökelberg und auswärts bei den Zebras, den roten Teufeln vom Betzenberg und den königsblauen Knappen auf Schalke. Und vor allem im Münchner Olympiastadion, der Stätte unseres letzten WM-Triumphs.
Mens sana in corpore sano.
Beim Spiel »Drei gegen einen« mußte man sich immer wieder freilaufen, um für die anderen problemlos anspielbar zu sein, so daß der Mann in der Mitte keine Chance hatte, sich den Ball zu schnappen. Einfacher ging’s nicht, hätte man meinen sollen, aber manche waren zu begriffsstutzig dafür. Oder zu lahmarschig.
Ich hatte bald raus, wer gut war, wer mehr so mittel und wer zu den Pfeifen gehörte. Am besten von allen war Didi. Der war kleiner als ich, aber drahtig und plietsch, konnte irre gut fummeln und hatte die größte Klappe von allen. Dem gehorchten auch alle, sogar die Bulldozzer, die einen Kopf größer waren als er und wohl nur deshalb noch in der C-Jugend spielten, weil sie mit ihren zwei linken Füßen in der B-Jugend auf verlorenem Posten gestanden hätten.
Beim Abschlußspiel dribbelte Didi mich einmal aus, aber ich rannte ihm nach und kickte den Ball in der letzten Sekunde, bevor Didi im Strafraum abziehen konnte, ins Toraus, und den von Didi mit scharfem Effet versehenen Eckball beförderte ich mit einem Scherenschlag aus dem Sechzehner. So machte Fußball Spaß!
Am übernächsten Sonntag, sagte Uli Möller, würden wir gegen Schwefingen spielen.
Nachhause kam ich schweinsdreckig, und Mama meckerte, weil sie die Klamotten immer noch mit der Hand waschen mußte.
Der Muskelkater, den ich am nächsten Morgen hatte, war nicht von Pappe. Ich kam kaum aufs Klapprad rauf. Als ob ich zwei Holzbeine gehabt hätte. Daß ich’s bis zur Penne schaffte, war ein Wunder.
Geschichte und Deutsch hatten wir bei Wolfert, einem Menschen mit Schnäuzer. In Deutsch sollten wir ein Gedicht interpretieren, das Goethe über andere Gedichte geschrieben hatte, die gemalte Fensterscheiben seien.
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergetzt die Augen!
Stocksauer soll Goethe allerdings gewesen sein, als Johann Gottfried Herder ihn dazu aufgefordert hatte, ausgeliehene Bücher zurückzuschicken: »Der von den Göttern du stammst, von Goten oder vom Kothe, Goethe, sende sie mir«, hatte Herder geschrieben, in Anspielung auf Goethes Nachnamen, und Goethe hatte sich auf den Schlips getreten gefühlt:
Es war freilich nicht fein, daß er sich mit meinem Namen diesen Spaß erlaubte; denn der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja, wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen.
Also, der hatte Sorgen! Wenn er als Schüler öfter gehänselt worden wäre, hätte er vielleicht ein dickeres Fell besessen. Wahrscheinlich hatte er auch nie den Spruch gehört: Goethe spielt Flöte auf Schiller sei’m Piller.
Geheimrat war Goethe gewesen, was sich fast so anhörte wie Geheimagent.
Ich selbst hatte ganz andere Sorgen. Vor allem die, daß ich nie wußte, was ich in der großen Pause mit mir anfangen sollte. Von halb zehn bis zehn vor zehn, das waren zwar nur zwanzig Minuten, aber die zogen sich hin, wenn man niemanden zum Quatschen hatte. Im Klassenzimmer durfte man nicht bleiben, und ich konnte ja nicht ewig den Aushang mit den Vertretungsstunden begaffen. Mir blieb nur die Wahl, irgendwo doof rumzustehen, sinnlos über den Hof zu torfen oder mich auf dem Klo einzuschließen. Das hatte zwar den Nachteil, daß es da stank und man nichts anderes zu sehen kriegte als krakelige Pimmelbilder und eine schedderige Kloschüssel und nichts anderes zu hören als Strullen, Furzen, Abprotzen, Wischen und Wasserrauschen, aber man blieb inkognito.
Einmal, als ich mich gleich zu Beginn der großen Pause in einem der Lokusse eingeschlossen hatte, machten es sich bei den Waschbecken zwei Knilche gemütlich und salbaderten über Drehzahlen, Ritzel, Kettenspannung, Scheibenbremsen, Hinterradfederung, Zylinderköpfe und anderen Quark. Die dachten wohl, sie wären unter sich. Ich wartete und wartete, daß sie endlich abhauten, aber die dachten gar nicht daran, und als ich die Klotür öffnete, wunderten sie sich, wieso da einer so lange stumm auf dem Scheißhaus gesessen hatte.
Dämlicherweise hörte man auf dem Klo die Klingel nicht, und weil ich keine Armbanduhr besaß, mußte ich schätzen, wann die Pause um war, und das ging manchmal so schief, daß ich zu spät zum Unterricht erschien.
»Wo kommst du denn jetzt her?«
Scheiße an der Fahnenstange sieht schlecht aus und hält nicht lange.
Papa bearbeitete die Gartenhecke mit seiner neuen Elektroschere, auf der Trittleiter stehend, was lebensgefährlich aussah. Weshalb er die Hecke nicht so lassen wollte, wie sie war, begriff ich nicht. Wen sollte es stören, wenn da ein Ästchen aus dem Buschwerk ragte? Mußte denn die Hecke dastehen wie ’ne Betonmauer?
Wegen Omas Wunsch nach einer Wohnung in Meppen hatten Mama und Papa eine Suchanzeige aufgeben wollen, aber daraus war irgendwie nichts geworden.
Im Volksparkstadion trennten sich der HSV und Gladbach 0:0. Keine Glanzleistung, aber wieder ein Auswärtspunkt.
Volker brach zu einer Klassenfahrt nach Heidelberg auf. Lust dazu hatte er keine, und es nutzte auch nichts, daß Mama ihm erzählte, wie schön es am Neckar sei und daß sie einiges dafür gäbe, mit Volker tauschen und den Haushalt eine Woche lang in den Wind schießen lassen zu dürfen. Am Neckar und dem Heidelberger Schloß hatte Volker nicht für fünf Pfennig Interesse.
Über den Sportlehrer, der Weiler hieß, kursierte der Spruch: Wo Weiler lange weilt, weilt Langeweile. Unter Sport verstand der Verrenkungen am Barren und an der Sprossenwand sowie Basketball, das nach Völkerball behämmertste Ballspiel der Welt. Da rannten immer alle wie ein Hühnerhaufen hin und her, während die längsten Lulatsche dreihundertmal den Ball aufditschen ließen und ihn sich dann gegenseitig zuwarfen. Schöne hohe Flanken oder steile Pässe und Wettrennen wie auf dem Fußballplatz gab es beim Basketball nicht, sondern nur Gefrickel auf engstem Raum, und sobald man den Ball ergattert hatte, mußte man ihn wieder aufditschen lassen, wenn man nicht riskieren wollte, daß der Weiler abpfiff. Schlechter an Basketball als an Fußball war außerdem, daß man viel öfter den Schweißgestank der Mitspieler zu riechen kriegte, weil man ja permanent deren Achselhöhlen vor den Nüstern hatte.
Der Weiler sorgte aber auch für Überraschungen, zum Beispiel mit einem Langlauf am Dortmund-Ems-Kanal, bis zur Schleuse und zurück. Theoretisch hätte man da weiterlaufen können bis Dortmund, wo Onkel Walter wohnte.
Auf der Strecke bildeten sich verschiedene Pulks. Der Weiler trabte im vorderen Mittelfeld, umgeben von den wichtigtuerischen Bohnenstangen, die in Basketball gut waren, und ganz hinten verschleppte eine Nachhut von Lahmen und Dicken die Durchschnittsgeschwindigkeit. Weil ich nirgendwo dazugehörte, lief ich für mich allein.
Mit der Bitte, meinen Spielerpaß aufzutreiben, hatte ich Michael und Holger zuviel zugemutet, wie es schien.
Huhu! Huhuhuu! Huhuuhuu!
Ich habe gerade Deinen Brief gelesen. Das verlangst Du von uns? Gerade von uns faulen Säcken? Buuhää! Na ja, ich will’s am Donnerstag versuchen nächste Woche.
Meine Schwester hat sich am Mittwoch ’n neues Auto gekauft. Kennst Du noch den kleinen schwarzen Mini von ihr? Jetzt ist sie auf Sportwagen übergewechselt. Genauer gesagt auf Alfa-Romeo. 200 km/h soll das Ding fahren. Hat zumindest der Verkäufer gesagt. Und wenn man die Karre so ansieht, grün mit schwarzen Streifen an der Seite, dann glaubt man’s auch.
Der Freund von meiner Schwester hat uns dann gleich damit zu Konfi gefahren. Ich mußte hinten im Notsitz eingequetscht werden. Die Karre ist ja nur ein Zweisitzer.
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