Gerhard Henschel

Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band


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dunkelgrünes Ringbuch. Auf dem Umschlag prangten die mit Herzchen umkringelten Namen Rüdiger, Jochen, Henry und Erwin. Innen standen Hausaufgaben. Der Quintenzirkel, das Leben Mahatma Gandhis und der Verlauf der Französischen Revolution. Weiter hinten kam ein Sonderteil. Betrifft: Renates Party am 10. August 1972! Dann folgte ein Gedicht, das Renates Freundin Susanne verbrochen hatte.

       Mareike und ich konnten die Party kaum mehr erwarten.

       Es kam ganz anders, als wir gedacht,

       aber es hat doch viel Spaß gemacht.

       Zwar konnten nicht alle kommen,

       dafür kamen über den Kanal aber Norman, Collin und Kim geschwommen.

       Zu sechst ließen wir die Party steigen

       und fingen an mit einem Reigen.

       So ging es von fünf bis achte,

       gemächlich und sehr, sehr sachte.

       Um acht erschien dann Jochen.

       Beschreibung: Muskeln, Haare und ein paar Knochen!

       Er nahm die Sache in die Hand,

       was Renate auch sehr lustig fand.

       Collin hatte sich mittlerweile zurückgezogen

       und war vor dem bärtigen Jochen davongeflogen.

       Auf einmal waren zwei Paare entstanden,

       die immer wieder zueinanderfanden.

       Paar Number One, wer es wohl gewesen war,

       das ist doch mal wieder klar.

       Renate und Jochen, die schwebten im Glück,

       Dancing und Kissing an einem Stück!

       Von zehn bis zwölf, Mensch, what a time,

       Jochen machte das aber auch wirklich fein.

       »Zur Sache, Schätzchen«, hieß sein Ziel,

       und es geschah, als Renate der Länge nach aufs Sofa fiel.

       Ihr Bruder Volker war auch noch dabei,

       und was da geschah, war für ihn durchaus nicht einerlei.

       Er fand das Geschehen auf dem Sofa sehr interessant

       und beobachtete seine Objekte gespannt.

       Die Stimmung stieg, Renate war schon ziemlich blau,

       und Jochen merkte dies genau.

       Ich saß da und hatte meine Ruh’,

       sah dem fröhlichen Treiben mit wachsamen Augen zu.

       Jochens Bart gefiel mir am besten,

       Renate hatte das Glück, seine Kitzligkeit zu testen.

       Um zwölf war alles zu Ende,

       und Jochen gebrauchte noch einmal seine Hände.

       Diese Tat war meines Erachtens zu gewagt

       und hat alle anderen Geschehnisse überragt.

       Es war schon fast ein »Spiel vor der offenen Tür«,

       aber Renate schien sehr viel Lust zu haben dafür!

       Dienstag danach gingen die zwei ins Safari und Pizza essen,

       und nach einem ausgedehnten Spaziergang haben sie noch ’ne halbe Stunde vor Renates Haustür gesessen.

       Doch Renates Mutter hatte gute Ohren,

       und Jochens Motor war noch längst nicht eingefroren …

       Er arbeitete im Auto sehr beflissen,

       nun, Renate wird das ja alles selber wissen!

      Sieh mal einer an. Und das Gedicht ging noch weiter:

       Paar Number Two, Mareike und Norman, they are fallen in love,

       doch jetzt ist Norman wieder in diesem englischen Kaff.

       Er schien ihr doch besser gefallen zu haben, als sie gedacht.

       Nun ja, die Liebe ist eine Himmelsmacht!

       Nach einigen Tänzen brodelte in ihnen schon das Feuer,

       mir war die Sache von Anfang an nicht geheuer.

       Norman schien anfangs etwas scheu,

       doch er war ein ganz ausgefuchster Boy.

       Nun, was soll ich hier noch viel erzählen,

       Mary muß sich nun mit Liebeskummer quälen.

       Ein Tip von mir, von Frau zu Frau,

       es lohnt sich nicht, ich weiß es ganz genau.

       So, das wär’s, meine Damen. Sendeschluß.

       Gruß und Kuß, Eure Sus!

       Das Ringbuch legte ich wieder genau an den Platz, wo ich es weggenommen hatte.

       Was die da alles anstellten, wenn die unter sich waren!

      Papa hatte für teuer Geld einen Preßlufthammer ausgeliehen und traktierte damit den Boden vor der Garage, der gepflastert werden sollte.

      Meiner einer würde sowas lassen, hätte Bugs Bunny gesagt. Ich wollte später lieber ein fertiges Haus kaufen als eins bauen. Es standen ja überall welche rum, und ich fand’s schon mürselig genug, immer die Carrerabahn aufzubauen und wieder ab. Und wenn an dem Haus was zu reparieren wäre, würde ich das Knechte machen lassen und selbst solange Federball spielen. Oder in der Hängematte liegen und Pflaumen essen, eine Sorte, von der man hundert Kilo futtern könnte, ohne Dünnpfiff zu kriegen. Das war bestimmt besser, als als normaler Erwachsener mit dem Preßlufthammer rumzustoppeln und jeden Abend die Tagesschau kucken zu müssen, mit Nachrichten über trilaterale Abkommen zwischen Erzbischof Makarios, Haile Selassie und Abba Eban in Addis Abeba oder Phnom Penh oder Daressalaam. Und die Wettervorhersage, die sowieso nie stimmte. Wolkig mit Aufheiterungen, Tageshöchstwerte, atlantische Tiefausläufer, rechtdrehende Winde und das Piepen nach dem Windpfeil.

      »Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist«, sagte Mama.

      Auf dem Klavier übte Renate jetzt den Jägerchor aus dem Freischütz. Telefonisch wurde das auch Oma Schlosser mitgeteilt, damit die nicht dachte, jetzt hab ich denen das Klavier geschenkt, aber spielen tut ja doch keiner drauf.

      Am Freitag dem 13. stieß ich mit dem Schienbein voll vor den obersten Treppenabsatz. Der Schmerz ließ irgendwann nach, aber ich konnte mir endgültig Knochenkrebs weggeholt haben, wie der Junge in Hörzu.

      Michael und Holger Gerlach luden mich zu einem Radrennen ein. Start vor deren Haustür, erste Etappe bis Simmern, zweite Etappe von Simmern aus durch den Wald bis Vallendar.

      Michael drehte auf wie eine Bergziege und kam dreißig Sekunden vor mir in Simmern an und fast eine Minute vor seinem Bruder.

      Auf einem Schild stand, wann in Simmern