Gerhard Henschel

Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band


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      Jetzt konnte ich mich ja doch mal als Detektiv betätigen, auf eigene Faust und in eigener Sache. Dem Täter auf der Spur.

      Renate und Wiebke schieden als Verdächtige aus. Renate war in England und hatte ein wasserdichtes Alibi, und Wiebke hätte vielzuviel Schiß gehabt. Meine Ermittlungen konzentrierten sich auf Volker, der für mich der Hauptverdächtige war.

      Meisterdetektiv Martin Schlosser. Als Volker sich verdünnisiert hatte, ging ich in sein Zimmer. Im Papierkorb lagen Silberfolienschnipsel. Die steckte ich, um keine Fingerabdrücke zu verwischen, mit einer Pinzette aus Mamas Kosmetikschrank in eine Brötchentüte, malte eine Eins auf Papier, schnitt sie aus und klebte sie mit Uhu auf die Tüte, der ich einen Ehrenplatz im Schiebeschrank gab. Mein erster Fall und meine erste Indizientüte. Viele, viele würden noch dazukommen, aber am öftesten würden mich die Reporter nach der allerersten Tüte fragen. »Wie sind Sie denn Ihrem Bruder damals auf die Schliche gekommen, Herr Schlosser?«

      Wenn Volker gedacht hatte, er sei fein raus, weil der Verdacht auch auf mich fallen mußte, hatte er falsch geraten.

      Ich konnte frohgemut ins Wambachtal marschieren, das Kriegsbeil ausgraben und mit Michael Gerlach die Kaiowa angreifen. Wir waren Sioux.

      Abends ging ich zu Volker hoch, ließ die Schnipsel aus der Tüte auf die Teppichfliesen rieseln und sagte: »Kannst du mir mal sagen, was das hier ist?«

      Statt aus allen Wolken zu fallen, verpaßte Volker mir einen Arschtritt: »Schieb ab!«

      Ich hatte nicht gewußt, daß Volker in der Zwischenzeit von Mama überführt worden war und eine Abreibung bezogen hatte.

      Den Detektivberuf hängte ich an den Nagel. Im Handumdrehen die vertracktesten Fälle lösen und dafür noch in den Arsch getreten werden? Undank ist der Welten Lohn.

      Bald würden 15 Milliarden Menschen die Erde bevölkern, stand im Stern. Dazu ein Foto von einer Masse nackter Asiaten, wie die Heringe zusammengepfercht in einem viel zu kleinen Raum.

      »Da kann einem ja angst und bange werden«, sagte Mama.

      Disco ’72 hieß jetzt Disco ’73. Daran mußte man sich erst gewöhnen.

      In England hatte Renate auf Kims Pferd reiten dürfen und war auch im Wachsfigurenkabinett gewesen und in Kims Schule. Da hatte der Unterricht gleich nach Silvester wieder angefangen. Die Schülerinnen alle uniformiert und Renate als einzige in Alltagsklamotten, wie ein Paradiesvogel.

      Carnaby Street, der Buckinghampalast und Big Ben. Und als der Käfig von Kims Goldhamster in der Badewanne stand, habe der Hamster ein zum Trocknen aufgehängtes Kleid durch die Gitterstäbe gezogen und angeknabbert, und Kim habe gekrischen: »It was the hamster!« Das sei zu einem geflügelten Wort geworden. Als die Milch übergekocht war und als der Wind die Tür zugeschlagen hatte: »It was the hamster!«

      In England wurden Hamster so genannt wie bei uns, aber Esel hießen Donkeys und Affen Monkeys. Da sollte sich einer durchfinden.

      Ihr eigenes Englisch fand Renate ganz passabel. Nur von dem Dialekt, den das einfache Volk da spreche, habe sie nichts verstanden, das sei ein einziges Kauderwelsch. Dafür habe sie auf der Fähre drei nette Typen kennengelernt, Wolfgang, Alec und Lorry. Sie hätten auch Adressen ausgetauscht.

      Bei ihm in der Klasse heiße einer Gangwolf, sagte Volker, und Mama schlug die Hände überm Kopf zusammen. »Gangwolf! Der arme Junge!«

      Dann richtete Renate noch schöne Grüße aus von allen, auch von Stuart und Carol. Bei diesem Namen blies Papa die Backen auf und ließ geräuschvoll Luft ab. Von ihm kriege Carol jedenfalls keine schönen Grüße zurück. Von ihm könnten der höchstens unschöne Grüße bestellt werden.

      »Nun laß mal gut sein«, sagte Mama.

      Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck. Davon wollte ich den zweiten Teil kucken, aber Mama gab Tatort den Vorzug. Tote Taube in der Beethovenstraße.

      »Mach nicht so ’n langes Gesicht!«

      Das Augenpaar im Fadenkreuz und die Spirale über den Beinen von dem, der da irgendwo langrennt.

      Es gab eine Verfolgungsjagd, hinter einem Mörder her, aber dann stieg ich nicht mehr durch. Politiker wurden mit Fotos erpreßt, und es hörte damit auf, daß eine tote Taube in der Beethovenstraße lag.

      Da lobte ich mir das Rätselbuch von Enid Blyton. Immer, wenn ich das aushatte, fing ich gleich wieder vorne an, so gut war das.

      Bei Renate war der Wohlstand ausgebrochen. Sie kaufte sich auf einen Schlag zwei Singles von Melanie und eine LP von Reinhard Mey: Ich bin aus jenem Holze geschnitzt.

      In Renates Zimmer hörte ich mir die Reinhard-Mey-LP an. Ganz leis bläht der Wind die Gardinen auf, auf die Erbin zeigt mattschwarz ein stählerner Lauf, und ein gellender Schrei zerreißt jäh die Luft – auch das war wohl wieder der Gärtner, der Schuft!

      Nach einer Party mit Kim und Norman und Collin und noch anderen hatte sich Renate in England einen Rollkragenpulli leihen müssen, wegen der vielen Knutschflecken. Das verriet sie aber nur Volker und mir. Ganz schwarzgelutscht gewesen sei ihr Hals.

      Die neue Rheinbrücke hing immer noch ins Wasser. Ob die jemals fertig würde?

      In Sport mußten wir den Fosbury-Flop üben, und Frank Töpfer sah von der Bank aus zu, wie wir uns da einen abbrachen.

      Bei Quelle kaufte ich mir die Single Hello-A von Mouth & MacNeal. Die zierliche Frau und der dicke Sack. Wie die wohl keuchen mußte beim Bumsen, wenn sie unten lag und der auf ihr drauf. Oder bumsten die nicht?

      Die Ravioli mittags waren außen abgekühlt, aber innen verteufelt heiß.

      »Kaltes Kochen ist noch nicht erfunden«, sagte Mama.

      Von Michael Gerlach kriegte ich zwei Kalle-Blomquist-Bücher geliehen. Eins mit einem Mord und eins mit einer Entführung. Beide gut, aber auf dem Mallendarer Berg kamen leider weder Morde noch Entführungen vor. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

      Während im Ersten Cleopatra lief, fing Papa an, seine alten VDI-Zeitungen nach Jahrgängen zu sortieren, auf dem Eßtisch, mit großem Geraschel. Als ob er das extra machte, weil es ihm gegen den Strich ging, daß der Rest der Familie auf der faulen Haut lag, bis auf Renate, die an einem Sommerpulli strickte.

      Am Ende ließ sich Cleopatra von einer Schlange totbeißen.

      Leise rieselt die Vier auf das Zeugnispapier. Fünfen und Sechsen dazu, freue dich, sitzen bleibst du!

      Ich hatte in Betragen, Mitarbeit und Englisch Sehr gut und in Deutsch Gut, das waren drei Mark fuffzig. Renate hatte einen Notendurchschnitt von 2,7. »Das ist auch nicht grad ’ne Meisterleistung«, sagte Mama. Die war nie zufrieden.

      Wiebke ist eine verträgliche, ruhige Schülerin, stand in Wiebkes erstem Zeugnis. Sie ist sehr eifrig, fleißig und gibt sich viel Mühe. Ihre Leistungen in Deutsch und Mathematik sind gut.

      Unterschrieben von Frau Katzer. Gut, daß ich die los war. Die machte jetzt anderen Kindern das Leben zur Hölle.

      Renate hatte einen Brief von ihrer Ferienbekanntschaft Alec gekriegt. Da stehe nur Kappes drin, sagte Renate.

      »Ist das ’n Liebesbrief?«

      Das gehe mich einen feuchten Käse an.

      Bei Schmugglerjagd war schon fast die Hälfte vom Schmuggelgut verschwunden. Die fehlenden Scheiben ersetzten wir durch Weinkorkenbröckel.

      Für dicken Schmutz war der neue Staubsauger nach wie vor zu schwach auf der Brust, und der alte machte solchen Lärm, daß man beim Saugen lauthals singen konnte, ohne daß das jemand hörte.

      Kosaken müssen reiten, ihr ganzes Leben reiten, noch schneller als der Wind, teremm temm temm, weil sie dazu, teremm temm temm, geboren sind!

      Von Ivan Rebroff, diesem Russen für Arme. Renate hatte