Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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aber einem jeden Weib,

      Die ihn höret oder sieht,

      Von ihm geschehn wie mir geschieht,

      Und ist das ihm angeboren,

      So ist viel Schönheit hier verloren,

      Es ist ein unheilvoller Mann.

      Wenn er aber zaubern kann,

      Und durch seine Zauberlist

      Dieß Wunder mir geschehen ist

      Und diese wunderliche Noth,

      So wär er sehr viel beßer todt,

      Und sollt ihn nie ein Weib mehr sehn.

      Gott! Wie ist mir von ihm geschehn,

      Und geschieht mir stündlich schlimmer!

      Gewiss, ich sah doch nimmer

      Ihn oder einen andern Mann

      Mit feindlichen Augen an,

      Und trug auch Niemanden Haß.

      Wie denn verschuldet hätt ich das,

      Daß mir von Jemand Leid geschähe,

      Auf den ich gerne freundlich sähe?

      »Was schelt ich doch den guten Mann?

      Unschuldig ist er wohl daran,

      Was mir für Herzeleid geschah,

      Und noch geschieht seit ich ihn sah,

      Weiß Gott, es wird daran allein

      Das eigne Herz mir schuldig sein.

      Viel Andre kamen auch dahin:

      Verschuldet Er es, daß mein Sinn

      Vor den Andern allen

      Auf Ihn allein verfallen?

      Denn als so manches edle Weib

      Seinen kaiserlichen Leib

      Rühmte, und ich überall

      Seinen Preis wie einen Ball

      Hin und wieder hörte schlagen,

      Und so viel zu seinem Lobe sagen,

      Und selbst mit Augen an ihm fand

      Was man ihm Lobes zugestand,

      Und was er Preisliches besaß

      In mein Herz zusammenlas,

      Das bethörte mir den Sinn:

      So fiel mein Herz ihm zum Gewinn.

      In Wahrheit, das bestrickte mich;

      Der Zauber wars, durch welchen ich

      Mein selbst vergaß seit dieser Zeit.

      Er selber that mir nichts zu Leid,

      Der liebe Mann, um den ich klage,

      Um den ich Grund zur Klage trage;

      Mein junger, meisterloser Muth,

      Der ist es, der mir Leides thut,

      Der meinen Schaden will ist Der.

      Er will und will nur allzu sehr

      Was er nicht wollen sollte,

      Wenn er bedenken wollte

      Was Ehr und Zucht verlange;

      Doch sieht er schon zu lange

      Nichts als sein Begehren an

      Nach diesem wonnevollen Mann,

      Dem er in so kurzer Frist

      So ganz anheimgefallen ist.

      Und so mir Gott, ich wähne schier,

      Erlaubt den Wahn die Ehre mir

      Und muß ich mich von Magdthums wegen

      Nicht schämen solchen Wahn zu hegen,

      So dünkt mich, daß die Herzensklage,

      Die ich um ihn im Herzen trage,

      Nichts anders ist als Minne.

      Ich werd es daran inne,

      Daß mich verlangt nach seiner Nähe.

      Wie es immer damit stehe,

      So fühl ich, daß mein Herz beschleicht

      Ein Ding, das Mannesliebe gleicht;

      Denn was ich noch all meine Tage

      Von verliebter Frauen Klage,

      Von Minne je vernommen,

      Das ist mir ins Herz gekommen.

      Ja, der süße Herzensschmerz,

      Der so manches edle Herz

      Quält mit süßen Schmerzen,

      Der liegt in meinem Herzen.«

      Da nun die Höfsche, Gute,

      Mit ungeteiltem Muthe

      Ihr Herz erschloß zu dem Entschluß,

      Wie ein jeder Minner muß,

      Daß Riwalin ihr Geselle,

      Ihres Herzens Freudenquelle,

      Ihr Trost sein müße und ihr Leben,

      Sie begann ihm Augentrost zu geben,

      Sah ihn, wo sie ihn mochte sehn:

      Ließ es die Schicklichkeit geschehn,

      So suchte sie mit Blicken

      Ihm süßen Trost zu schicken.

      Sie ließ oft mit Verlangen

      Die Augen an ihm hangen,

      Und sah ihn lang und lieblich an.

      Als das der minnende Mann,

      Ihr Freund, begann zu merken,

      Da begann ihn erst zu stärken

      Die Minne, die so hold ihm war:

      Sein Herz entbrannt ihm nun erst gar,

      Und ersah er jetzt sein holdes Glück,

      Blickt' er viel süßer noch zurück

      Als er sonst sie angesehn,

      Ließ es Zeit und Ort geschehn,

      War sein Blick, sein Gruß ihr nah.

      Als die schöne Magd nun sah,

      Daß er sie minne wie sie ihn,

      Ihre große Sorge schwand dahin.

      Sie hatte stäts gedacht bisher,

      Er trage nicht nach ihr Begehr;

      Nun sah sie aber wohl, so gut

      Und so getreu sei ihr sein Muth

      Als je den Freund die Freundin fand;

      Das war auch ihm von ihr bekannt.

      Dieß schürte ihre Flammen:

      Da begannen sie zusammen

      Sich zu meinen und zu minnen

      Mit Herzen und mit Sinnen;

      Sie hatten Kunde wohl empfangen,

      Wo Blick' an Freundesblicken hangen,

      Das sei dem Minnefeuer

      Eine nährende Steuer.

      Das Hofgelag war aufgehoben

      Und all die Ritterschaft zerstoben,

      Da hörte Mark die Märe:

      Ein fremder König wäre,